Stephen King las am 19.11.13 in München

  • Achtung Spoiler! Besucher der Hamburglesung sollten diesen Bericht erst danach lesen!




    Vorab möchte ich mich recht herzlich bei Wolke für die Verlosung und bei Suzann bedanken, die sich sehr darum bemüht hat, dass die Karte noch rechtzeitig bei mir eintrifft! Es war ein sehr interessanter Abend, der mir sonst entgangen wäre.
    Der Circus Krone ist mir schon aus meiner frühesten Kindheit bekannt, zuletzt war ich dort vor vielleicht 10 Jahren. Irgendwie hatte ich die Größenverhältnisse und die Bequemlichkeit der Sitze anders in Erinnerung ;-)
    Es war praktisch ausverkauft, das Publikum setzte sich aus allen Altersgruppen zusammen, nicht selten sah man sogar Eltern mit ihren Teenagerkindern. Dankenswerterweise begann man sehr pünktlich und Moderator Denis Scheck führte kurz in den Abend ein, in dem er selbstironisch auf Stephen King und sein Verhältnis zu Literaturkritikern einging.
    Der Bestsellerautor wurde bei seinem Auftritt frenetisch bejubelt und ein wahres Blitzlichtgewitter tobte durch den Circus Krone. Als sich die Aufregung gelegt hatte, begann Denis Scheck mit der ersten Fragerunde. Dazu muss man anmerken, dass seine englische Aussprache zwar nicht die beste ist, aber er bemerkenswert gut und flüssig übersetzte und das gleichzeitig mit der Moderation, für die er ganz ausgezeichnet vorbereitet war. Man hatte fast den Eindruck, er kenne alle Bücher des Autors auswendig. Eine tolle Leistung, die auch Stephen King anerkannte und das Publikum zu einem Applaus aufforderte.
    Die erste Frage zielte auf Stephen Kings Familie, die auch sehr literarisch unterwegs ist, seine Frau, seine Söhne und die Schwiegertochter schreiben ebenfalls. Man schwingt die Peitsche und rückt Essen nur gegen Geschriebenes raus, lautete Stephen Kings trockene Antwort. Diese humorvolle Antwort war nur das erste Beispiel für den Witz und die Schlagfertigkeit des Bestsellerautors und so wurde an diesem Abend auch viel gelacht. Er fand, dass der Circus Krone der "verdammt nochmal schönste Ort" sei, an dem er je gelesen habe und er liebe die deutschen Autobahnen und würde gerne die Schlösser besichtigen, für die Bayern so berühmt ist.
    Er las den Beginn von "Doctor Sleep" auf Englisch (vom iPad, über das er herzhaft fluchte), weil das den Vorteil hat, dass man nicht in Handlung einführen müsse. Später erzählte er, dass Leser oft fänden, dass dieser Roman nicht so gut sei wie seine früheren, das liege aber daran, dass diese Leute seine Romane mit 14 unter der Bettdecke mit schlotternden Knien gelesen hätten und sie jetzt einfach vierzig Jahre älter und weniger leicht zu beeindrucken wären.
    Auch zum Vorbild für das Hotel in Shining hatte er eine Anekdote parat: zu Beginn seiner Ehe hatten er und seine Frau nur sehr wenig Geld und übernachteten als Hochzeitsreise schließlich ein Wochenende in den Rockies in einem Grand Hotel. Es war Ende der Saison und sie waren die einzigen Gäste, die eincheckten, sie mussten bar bezahlen, weil die Kreditkartenformulare schon ins Hauptquartier zurückgeschickt worden waren, sie waren die einzigen Gäste im riesigen Speisesaal, an den Fensterläden rüttelte der Wind. Dieses Hotel, allerdings weg von der Stadt in die Berge verlegt, war das Vorbild für das Overlook-Hotel.
    Befragt zu seinem Verhältnis zu Stanley Kubrick und dessen Verfilmung von Shining erzählte er, dass der erste Zusammentreffen äußerst problematisch war. Kubrick rief ihn morgens um sieben an, während King sich verkatert rasierte und prompt schnitt. Der Regisseur fragte ihn, ob er nicht denke, dass Geistergeschichten optimistisch wären, weil sie ja ein Leben nach dem Tode bedeuten würden. Seinem Einwand, was denn mit der Hölle wäre, entgegnete Kubrick, dass er nicht an die Hölle glaube und die Geister sicher glücklich wären, immer noch da zu sein, schließlich würden sie ewig leben. King, der immer noch blutend und in Unterwäsche am Telefon war, wandte ein, dass manche vielleicht gar nicht auf der Erde bleiben wollten und deshalb sicher nicht glücklich seien. Er hat Kubrick dann noch mal später am Set von Shining in England getroffen.
    Er wird immer wieder gefragt, wie es mit Danny weiterging (der einzige andere Charakter, nach dem übrigens immer wieder gefragt wurde ist Paul Sheldon) und auch er konnte ihn nicht vergessen. Auch in Doctor Sleep geht es um Sucht.
    David Nathan, der auch das Hörbuch von Doctor Sleep eingesprochen hat, las dann mit schöner Sprechstimme eine Stelle aus dem Roman vor, der von dem Tiefpunkt in Dannys Leben handelt. Der anschließenden Frage nach seinem persönlichen Tiefpunkt wich der Autor aus, das war dann wohl doch zu privat. Im weiteren Verlauf ging es noch um den Nutzen von Horrorgeschichten - wenn man alles schon mal gelesen hat, verliert der Tod seinen Schrecken, um die typische Autorensprache von Stephen King - ein Schrei, wie er scherzhaft meinte, im Anschluss dann aber ausführte, dass er eine Autorensprache sehe wie Musik, eine typische Stimme eben. Das sei ihm mit seinem Pseudonym Richard Bachman (nach Bachman Turner Overdrive) zum Verhängnis geworden, weil ihn ein Leser anhand seiner Autorensprache identifizierte.
    Es folgten noch drei Fragen, die Leser über Facebook gestellt hatten. Aus dem Laden Needful Things würde er das Kissen von H.P. Lovecraft wollen, um zu sehen, ob noch Träume darin wären, die er stehlen könne. Und er würde jemanden, der noch kein Buch von ihm gelesen hätte, empfehlen, einfach alle Bücher zu kaufen, dann würde derjenige bestimmt etwas finden, was ihm gefallen würde. Und auf die Frage nach traumatischen Erlebnisse in seiner Kindheit erklärte er spitzbübisch, wenn er welche gehabt hätte, wären diese in seinem Unterbewusstsein verschwunden. Andere Menschen würden Psychatern eine Menge Geld für die Therapie zahlen und er würde eine Menge Geld dafür bekommen, darüber zu Schreiben.
    Ganz am Ende konnten noch drei Fragen aus dem Publikum gestellt werden, die habe ich aber teilweise nicht verstanden. In einer Antwort ging es jedenfalls darum, dass nicht Wes Craven und Freddy Krüger die gruseligsten Figuren waren, sondern der wahre Horror von Walt Disney in seinem Film Bambi erfunden wurde.
    Damit fand diese überaus amüsante aber auch nachdenklich machende Lesung ihr Ende, 2500 Zuschauer hielt es nicht mehr auf ihren Sitzen und applaudierten einem sichtlich gerührten Stephen King minutenlang stehend. Ein toller Abend mit einem charismatischen Autor, an den ich sicher noch lange zurück denken werde und der mich anregt, mal wieder ein Buch von ihm zu Lesen.

  • Danke für diesen tollen Bericht.
    Ist das da neben Stephen King nicht dieser unselige Scheck? Wer hat den denn bitte eingeladen? Der würde die Bücher von Stephen King doch eh nicht verstehen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Prima Bericht, es hat dir gefallen, man liest es in jeder Zeile. :knuddel1


    Dann kann ich mich ja auf das Buch freuen.


    Dennis Schenk schmeißt die Bücher die ich würde lesen wollen oder , was selten vorkommt, gelesen habe immer in die Tonne. :rofl

  • Danke für diesen wunderbaren Bericht liebe Nachtgedanken. Das klingt nach einem eindrücklichen, unvergesslichen Abend!
    Mr. King wirkt sehr sympathisch auf den Bildern :-)

  • Ich war auch am Dienstag bei der Lesung in München, das war meine erste Lesung überhaupt und ich war sehr gespannt, was mich erwartet. Ich fand alleine die Location schon super und war überrascht, dass der Circus Krone bis obenhin gefüllt war - hätte jetzt irgendwie nicht erwartet, dass sooo viele Leute kommen würden.


    Ich hatte einen super Platz und wurde ganz hibbelig, als es dann endlich losging. Nach einer kurzen Einführung von Dennis Schenk kam endlich der Meister selbst auf die Bühne - Stephen King. Sehr gelungen fand ich Schenks Anspielung auf Misery: "Ähnlich wie Paul Sheldon in Misery ist Stephen King heute den ganzen Abend in unserer Gewalt - nur sollten wir etwas höflicher zu ihm sein." :chen


    King selbst war mir sehr sympathisch und obwohl man gemerkt hat, dass er tatsächlich ein bisschen nervös war, hat er sehr offen alle Fragen beantwortet und ich hatte den Eindruck, dass er auch Spaß an dem Abend hatte.


    Ich fand es sehr schade, dass King selbst nur so kurz aus seinem Buch gelesen hat. Ich hatte mir irgendwie vorgestellt, dass er mehr liest, immerhin war es seine Stephen King Lesung. Allerdings bin ich bei David Nathans Stimme dahin geschmolzen - wow, was für eine Stimme :anbet Trotzdem kam mir sein Abschnitt dagegen wieder bisschen lang vor. Umgekehrt wäre es mir lieber gewesen.


    Alles in allem war es ein sehr schöner Abend - sehr interessant und unterhaltsam und vor allem sehr kurzweilig. Vielen Dank nochmal, dass ich dabei sein durfte! :wave

  • Zitat

    Original von Voltaire
    Danke für diesen tollen Bericht.
    Ist das da neben Stephen King nicht dieser unselige Scheck? Wer hat den denn bitte eingeladen? Der würde die Bücher von Stephen King doch eh nicht verstehen.


    Auch ich sage Danke für diesen schönen Bericht. Hat denn der "unselige" Scheck wenigstens einen Satz über die miserable Übersetzung des Buches fallen gelassen, oder hat er sich das nicht getraut? :wave

  • Zitat

    Original von Eskalina


    Auch ich sage Danke für diesen schönen Bericht. Hat denn der "unselige" Scheck wenigstens einen Satz über die miserable Übersetzung des Buches fallen gelassen, oder hat er sich das nicht getraut? :wave


    Ne, er hat nur mehrfach betont, von wem die Übersetzung ist.

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Ich durfte auch bei der Lesung dabei sein, hätte aber die Zusammenfassung nicht so ausführlich und treffend hinbekommen!
    Wirklich ein toller Abend mit sympathischem Publikum und einem sehr humorvollen und überaus menschlichen Stephen King.


    Liebe Grüße



    KathrinSch