Der Mann im grauen Flanell - Sloan Wilson

  • USA in den fünfziger Jahren: der Mann im grauen Flanell, das ist Tom Rath, der mit seiner Frau Betsy und den drei Kindern in einem unauffälligen Haus in einem unauffälligen Vorort lebt und täglich nach New York pendelt, um einem langweiligen und nur mäßig lukrativen Job nachzugehen. Und damit ist er nicht allein, der ganze Pendlerzug ist voll von Herren im grauen Flanell.
    Sie eint alle der Glaube an das Versprechen von einem angenehmen Leben in der Mittelschicht, für jeden erreichbar, so er nur fleißig genug daran arbeitet.


    Doch Tom ist sich nicht sicher, ob das überhaupt das Leben ist, das er führen will. Denn eigentlich ist sein Alltag nach dem Krieg geprägt von Langeweile und Eintönigkeit, während er als Soldat im zweiten Weltkrieg das Abenteuer seines Lebens erlebte.
    Der Wendepunkt, sowohl im Roman, als auch in Toms Leben, kommt, als seine Großmutter stirbt und Tom ihr Anwesen erbt. Die Familie kann endlich aus dem langweiligen Vorort in eine bessere Gegend in deren altes Haus ziehen. Doch auch hier zaudert Tom, bis er endlich eine Entscheidung trifft, aus Sicht der fünfziger Jahre genau die richtige.


    Dieser Roman ist ungeheuer modern und gleichzeitig ungeheuer altmodisch.
    Modern insofern, als Toms Grundkonflikt erschreckend aktuell erscheint. Wieviel soll ich arbeiten, wie wichtig ist Arbeit, wieviel muss ich konsumieren, welchen Stellenwert hat die Familie? Das fragt sich Tom im ersten Teil des Romans ständig und heutzutage hätte er womöglich ein Work-Life-Balance-Wochenende gebucht. Dieser Teil ist ausgesprochen kurzweilig, humorvoll, intelligent.


    Altmodisch dagegen, weil gerade im zweiten Teil des Buches der Zeitgeist der Fünfziger siegt. Weit entfernt noch die Gier der neunziger und zweitausender Jahre, ist doch ein gerüttelt Maß materielles Streben, der Traum vom Wohlstand für alle, das Lebensziel. Es ist eine aufstrebende Mittelschicht, die dem alteingesessenen Geldadel paroli bietet. Dank Betsys Geschäftstüchtigkeit landet Tom schließlich da, wo der amerikanische Traum ihn haben will: in Suburbia.


    Der Traum der Mittelschicht ist also der Held dieses Buches. Obwohl es anfangs noch anders aussah, wird im Laufe des Romans klar, dass das Streben nach noch schöneren Häusern, noch größeren Autos, das alles im Schoße einer möglichst glücklichen Familie, auch für den kleinen Mann ein großartige amerikanische Errungenschaft ist, und Grundlage für eine insgesamt glückliche Gesellschaft. Das dieser Traum im Rückblick lächerlich naiv war, konnte Wilson freilich nicht ahnen.


    Es gibt nur wenige Quertreiber, im ganzen Buch kommt ein einziger Lump vor, der freilich auch nicht zur Mittelschicht gehört. Und Toms Chef ist der gütige Uncle Sam, steinreich zwar, aber dennoch immer ein offenes Ohr für sie Sorgen seiner Untergebenen, eine rundum ehrliche Haut. Kapitalismuskitsch vom Feinsten.


    Aber trotzdem bietet „Der Mann im grauen Flanell“ einen durchaus spannenden Einblick in die amerikanische Nachkriegsgesellschaft, ihre Ideale, ihre Motive, ihre Moralvorstellungen. Schon alleine deshalb, weil sich daran bis heute nicht allzu viel geändert zu haben scheint

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Titel: Der Mann im grauen Flanell
    OT: The Man In The Gray Flannel Suit
    Autor: Sloan Wilson
    Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von: Eike Schönfeld
    Verlag: Dumont
    Erschienen: Februar 2013
    Seitenzahl: 445
    ISBN-10: 3832196781
    ISBN-13: 978-3832196783
    Preis: 22.00 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Tom und Betsy Rath sind ein junges Paar, sie haben drei gesunde Kinder, ein schönes Zuhause in einem netten Vorort von New York und ein regelmäßiges, wenn auch nicht üppiges Einkommen. Eigentlich haben sie allen Grund, glücklich zu sein. Doch irgendwie sind sie es nicht. Tom pendelt Tag für Tag in die Stadt, wo er einem unspektakulären Bürojob nachgeht - seit er aus dem Krieg zurückgekehrt ist, hat er sich ohnehin verändert, ist verschlossen und launisch. Betsy fühlt sich unverstanden. Nach einem Karriereschritt hat Tom bald keine Zeit mehr für sein Privatleben. Ist es das, was Tom wirklich will? Als er auf einen alten Kameraden aus dem Krieg trifft, gerät sein Alltag vollends aus den Fugen, Tom muss sich seiner Vergangenheit stellen und eine Entscheidung treffen, die sein Leben grundsätzlich verändern wird.


    Der Autor:
    Sloan Wilson wurde 1920 in Norwalk, Connecticut geboren. Mit achtzehn segelte er einen Schoner von Boston nach Havanna. Er studierte in Harvard, diente im Zweiten Weltkrieg in der United States Coast Guard und arbeitete als Reporter und Hochschullehrer. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht. Er starb im Mai 2003.


    Meine Meinung:
    Dieser Roman gilt gemeinhin als Klassiker der amerikanischen Nachkriegsliteratur. Sloan Wilson wird von vielen daher in einem Atemzug mit Richard Yates, John Cheever, Wallace Stegner und Raymond Carver genannt. So weit so gut. Klassiker hin oder her.
    Mir war diese Roman in seiner Erzählweise einfach zu monoton. Der Autor hob weder die Stimme noch senkte er sie. Alles wird quasi in einem „Ein-Ton-Brei“ serviert.
    Auch wenn die erzählte Geschichte einen Einblick in die US-amerikanischen Alltag der Fünfzig gewährt, so kommt doch vieles einfach nur sehr steril daher. Dieser Roman hat nur wenig Esprit und es ist wahrlich nicht einfach in ihn einzutauchen.
    Eine banale Geschichte ohne große Höhepunkte. Insofern gehöre ich zu den Lesern, keine Ahnung ob es noch mehr davon gibt, die ein wenig enttäuscht zurückbleiben. Natürlich ist es ein lesenswertes Buch, durchaus auch freundlich niveauvoll und im Vergleich zu dem was uns heute teilweise auf den Lesetisch kommt absolut kein Flop – aber eben auch kein Highlight, wenigstens für mich nicht.
    Ich denke 6 Eulenpunkte sind angemessen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.