'Betty Blue' - Kapitel 17 - 22

  • Es sieht ja erstmal nach Beruhigung der Lage aus.
    Mir hat die Schilderung der Szene mit Bobs Frau Annie im Laden richtig gut gefallen.


    "Der Mensch ist nichtig. Aber es ist das Bewußtsein seiner Nichtigkeit, was aus ihm etwas macht". Dem braucht man nichts hinzuzufügen.....


    Bei dem Geburtstag auf der Berghütte hatte ich die Hoffnung, es könnte vielleicht doch alles gut werden. Danach noch ein wenig Zeit zu verschnaufen, unserem Erzähler zuschauen, wie er sich mit seinen eigenen Zweifeln plagt. Und danach dieser Absturz - in dieser Heftigkeit auch überhaupt nicht nachvollziehbar.
    Ich muss dringend weiterlesen - für mich ist ab Kapitel 22 ziemlich klar, wohin die Reise geht.....

  • Ich finde, dass Betty immer mehr abdriftet. Ihre Reaktion auf ihre Nicht-Schwangerschaft empfinde ich nicht als normal.
    Normal wäre gewesen, erstmal die Verhütungsmaßnahmen zu beenden und es dann wieder zu versuchen. Dass es sie in tiefste Depression stürzt, dass sie nun doch nicht zufällig und ungewollt schwanger ist, ist eine Überreaktion. Die Depression hat ohnehin in ihr geschlummert und suchte wahrscheinlich nur einen Auslöser.
    Der Roman setzt mir psychisch ganz schön zu. Das hatte ich so nicht erwartet.

  • Gegen Ende dieses Abschnitts wird dem Erzähler allmählich bewusst, dass er Betty nicht alles bieten kann. Er ist nicht der erfolgreiche Schriftsteller, er kann ihr nicht alles geben.
    Von Bettys übersteigerten, kompromisslosen Vorstelllungen wird er langsam, aber sicher erdrückt. Er fühlt sich schon, als würde er einen Felsbrocken im Bauch haben, den er sinnbildlich den Berg hinaufrollen muss.
    Dennoch lässt er nichts auf seine Betty kommen, z.B. als Bob sie als halbverrückt bezeichnet, geht er auf ihn los.


    Das er Betty gegenüber so loyal bleibt, finde ich bewundernswert!

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Gegen Ende dieses Abschnitts wird dem Erzähler allmählich bewusst, dass er Betty nicht alles bieten kann. Er ist nicht der erfolgreiche Schriftsteller, er kann ihr nicht alles geben.
    Von Bettys übersteigerten, kompromisslosen Vorstelllungen wird er langsam, aber sicher erdrückt. Er fühlt sich schon, als würde er einen Felsbrocken im Bauch haben, den er sinnbildlich den Berg hinaufrollen muss.
    Dennoch lässt er nichts auf seine Betty kommen, z.B. als Bob sie als halbverrückt bezeichnet, geht er auf ihn los.


    Das er Betty gegenüber so loyal bleibt, finde ich bewundernswert!


    Seine Loyalität gegenüber Betty ist bedingungslos, egal was sie anstellt und egal, wie wenig er zurück bekommt. Das ist dann wohl Liebe. Allerdings finde ich, dass die Beziehung zwischen den beiden enorm viele zerstörerische Züge trägt. :wow

  • Langweilig kann man den Roman wirklich nicht nennen, da hast du Recht. Die Art der Beziehung der Beiden mit ihren Abhängigkeiten und Zwängen bietet reichlich Stoff.


    Auf ihre Art hat Betty ihn vielleicht sogar gerettet, zumindest aus seiner Gleichförmigkeit. Harmlos ist sein Weg dann allerdings nicht. Aber sie hat ein Feuer entzündet.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Vermutlich war der Stoff deswegen so erfolgreich, es ist eben keine langweilige Lovestory. Dennoch würde ich Betty in Real-Life nicht begegnen wollen.


    Warum? Hättest du Angst, ihr zu verfallen? ;-)


    Ich fand diesen Abschnitt nun auch etwas ruhiger.
    Die Art, wie die Begegnungen zwischen dem Erzähler und dem Polizisten Richard beschrieben werden, haben schon fast etwas slapstick-mäßiges und auch die Stelle, wo er sich von dem Profi-Boxer so richtig eins in die Fr... verpassen lässt, fand ich schwarz-humorig-fast-schon-witzig, das hätte aus einem Cohen-Film sein können.
    Überhaupt ist die Geschichte auf eine Art amüsant, wie man so Einblick in die männliche Gefühlswelt bekommt.
    Für mich ist das definitiv ein Männerbuch, aber interessant zu lesen.


    Ein Stück weit kann ich mich schon in Betty wiederfinden (nicht in den Ausrastern mit Sachbeschädigungen sowie den Depressionen, aber in der weichen, verletzlichen Seite), und wenn ich bedenke, was mein Mann alles für mich tut (Zimmer umräumen, Um- und Einbaumaßnahmen etc. pp.) ohne zu murren, und dies dann gleichsetze mit der Liebe des Erzählers zu Betty... ja, dann erkenne ich, dass mein Mann mich liebt, und das auf eine nicht-hündische Weise.


    Die beiden stecken fast schon in einer Symbiose; die eine muss ständig gerettet werden, der andere hat das Rettersyndrom. Passt doch super.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Ich zitiere jetzt einfach mal "querbeet" und ohne Quellenangabe meine Lieblingsstellen aus eurern Beiträgen. Eigentlich fand ich sie auch in diesem Abschnitt samt und sonders bemerkenswert und zutreffend :anbet.


    Zitat

    Mir hat die Schilderung der Szene mit Bobs Frau Annie im Laden richtig gut gefallen.


    Mir auch!


    Zitat

    Ich finde, dass Betty immer mehr abdriftet. Ihre Reaktion auf ihre Nicht-Schwangerschaft empfinde ich nicht als normal.Normal wäre gewesen, erstmal die Verhütungsmaßnahmen zu beenden und es dann wieder zu versuchen. Dass es sie in tiefste Depression stürzt, dass sie nun doch nicht zufällig und ungewollt schwanger ist, ist eine Überreaktion. Die Depression hat ohnehin in ihr geschlummert und suchte wahrscheinlich nur einen Auslöser.Der Roman setzt mir psychisch ganz schön zu. Das hatte ich so nicht erwartet.


    Absolut!


    Zitat

    Allerdings finde ich, dass die Beziehung zwischen den beiden enorm viele zerstörerische Züge trägt.


    Zitat

    Vermutlich war der Stoff deswegen so erfolgreich, es ist eben keine langweilige Lovestory. Dennoch würde ich Betty in Real-Life nicht begegnen wollen.


    Betty kann einem echt Angst machen. Wie schlimm muss es erst sein, wenn man sie so bedingungslos liebt wie "er".
    Könnte man Bettys Zustand manisch-depressiv nennen? Oder geht das zu weit?


    Zitat

    Herr Palomar hat recht, es ist eine Liebesgeschichte. Eine ungewöhnliche, explosive, wahnsinnige, zarte und traurige Liebe.


    Und zerstörerisch. Ich hab kein gutes Gefühl. was den Ausgang dieser Liebesgeschichte angeht.


    Die Art und Weise, wie Betty und letztlich auch "er" mit dieser nicht eingetretenen Schwangerschaft umgehen ist wirklich krass. Wobei ich den Eindruck habe, dass "er" in erster Linie mit Bettys fast schon traumatischer Reaktion zu kämpfen hat. S. 271 fand ich echt :pille, schmiert sich Hackbällchen mit Tomatensosse ins Gesicht - auch eine Art sich mit Trauer solidarisch zu zeigen.


    Es gibt eine Menge Stellen, die mich einfach nur *wow* sagen bzw. denken lassen. Manchmal finde ich es aber auch einfach nur banal und langatmig, und fast immer anstrengend. Dazu kommt, dass ich im Moment gar nicht so den Kopf für eine solche Lektüre habe. Ich weiß nicht, ob ich es ohne die Leserunde mit euch durchgezogen hätte.
    Aber irgendwie lohnt es sich doch. Die *wow*-Stellen reißen es immer wieder raus.

  • Zitat

    Original von Clare
    Ich finde, dass Betty immer mehr abdriftet. Ihre Reaktion auf ihre Nicht-Schwangerschaft empfinde ich nicht als normal.
    Normal wäre gewesen, erstmal die Verhütungsmaßnahmen zu beenden und es dann wieder zu versuchen. Dass es sie in tiefste Depression stürzt, dass sie nun doch nicht zufällig und ungewollt schwanger ist, ist eine Überreaktion. Die Depression hat ohnehin in ihr geschlummert und suchte wahrscheinlich nur einen Auslöser.
    Der Roman setzt mir psychisch ganz schön zu. Das hatte ich so nicht erwartet.


    Ich habe das Buch nach längerer Pause wieder zur Hand genommen, um den Rest zu lesen. Dieser Abschnitt hat mich umgehauen.
    Die ersten Tränen kamen mir bei der Szene, als er entdeckt, dass sie sich die Haare abgeschnitten hat und vor Schmerz sein Gesicht in die heißen Fleischbällchen drückt.
    Es ist deutlich zu spüren, dass es an seine Grenzen geht, Betty bei ihrer Selbstzerstörung bzw. in ihrer Depression zuzuschauen und das auszuhalten.
    Das ist sehr gut beschrieben.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Jetzt, wo du das schreibst, kommt die Geschichte auch bei mir wieder an die Oberfläche. Geht ganz schön unter die Haut. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, seiner Partnerin dabei zuzusehen, wie sie tiefer und tiefer gleitet.


    Ich werde das Buch mit Sicherheit in einigem Abstand noch mal lesen.

  • Erstaunlicherweise war ich nach einem so großen Abstand sofort wieder in der Geschichte und in der Stimmung gefangen.


    Ich werde es bestimmt auch noch einmal lesen. Jetzt lese ich es aber erst einmal zu Ende. :grin

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin