Claudia & Nadja Beinert: Die Herrin der Kathedrale

  • Kurzbeschreibung (Quelle:amazon)
    Generationen von Kunstinteressierten hat die Stifterfigur der Uta im Naumburger Dom Rätsel aufgegeben: Wer war diese Frau wirklich? In ihrem opulenten und klugen Roman erzählen Claudia und Nadja Beinert das Leben der Uta von Naumburg, wie es noch nie erzählt wurde: Die Ermordung ihrer Mutter weckte Utas Gerechtigkeitssinn. Mit aller Kraft setzte sie sich für den Bau der ersten Naumburger Kathedrale als kaiserlichen Gerichtssaal ein und kämpfte für die Voll-endung dieses Wahrzeichens für Frieden und Glauben im Heiligen Römischen Reich. »Wenn ich ein weibliches Geschöpf aus der Kultur¬geschichte treffen wollte, dann Uta von Naumburg ...« Umberto Eco


    Autorinnen (Quelle:amazon)
    Claudia und Nadja Beinert wurden am 4. Mai 1978 in Staßfurt geboren. Beide studierten Internationales Management in Magdeburg. Claudia Beinert arbeitete lange Zeit in der Unternehmensberatung, hatte eine Professur für Finanzmanagement inne und veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze und Fachbücher. Nadja Beinert ist seit vielen Jahren in der Filmbranche tätig. Nadja lebt und schreibt in Erfurt – Claudia in Erfurt und Würzburg.


    Allgemeines/Aufbau
    Erschienen am 1.November 2013 im Knaur Taschenbuch Verlag, 768 Seiten
    Erzählung in der dritten Person, hauptsächlich aus der Perspektive der Uta von Ballenstedt
    Personenverzeichnis mit Markierung historischer Persönlichkeiten
    13 Kapitel, verteilt auf vier Teile
    Nachwort, Verzeichnis der zitierten Literatur und Internetquellen


    Zum Inhalt
    Der Roman beschäftigt sich mit dem Leben der Uta von Ballenstedt (um 1000 - vor 1046), die als Ehefrau des Meißener Markgrafen Ekkehard zur Mitstifterin des ersten Naumburger Doms wurde. Im heutigen Dom, der im 13.Jahrhundert erbaut wurde, ist sie als eine von 12 Stifterfiguren zu sehen.
    Die Quellenlage zur historischen Uta ist nicht allzu ausführlich, deshalb nehmen sich die Autorinnen einige Freiheiten und erzählen das Leben Utas so, wie es gewesen sein könnte. Demnach kommt das Mädchen im Alter von 12 Jahren zur weiteren Erziehung in das Kloster/Stift Gernrode, wo es als Schreiberin tätig ist. Durch das Kopieren medizinischer Werke erlangt Uta Kenntnisse in der Heilkunde. Als Herzogin Gisela von Schwaben, später Kaiserin an der Seite ihres Gatten Konrad II, das Kloster aufsucht, fallen ihr die Intelligenz und Geschicklichkeit der jungen Uta auf und sie nimmt sie als Hofdame mit sich. Nun beginnt für Uta, die in Gernrode nach dem Tod der geliebten Äbtissin Hathui unter den Schikanen zweier Mitschwestern zu leiden hatte, eine interessante Zeit. Sie reist mit Gisela von Schwaben und ihrem Gefolge jahrelang durch das Reich, findet in Gisela ein beeindruckendes Vorbild einer Frau, die sich nicht auf die Rolle der unterwürfigen Gattin festlegen lässt, und in den anderen Hofdamen treue Gefährtinnen. So ist Uta nicht besonders erfreut, als sie Jahre später das Leben an der Seite des Königs-/Kaiserpaares aufgeben und in den Stand der Ehe treten muss: Sie wird mit Ekkehard von Meißen verheiratet, der an ihr genauso wenig Interesse hat wie sie an ihm. Die Ehe bringt ihr weder Erfüllung noch Kinder, aber der Plan ihres Schwagers Hermann von Meißen, in Naumburg eine Kathedrale zu errichten, fasziniert Uta. Diesem Projekt widmet sie sich mit ihrem ganzen Intellekt und ihrer ganzen Tatkraft, sie engagiert sich sowohl für die Materialbeschaffung und die Rekrutierung von Arbeitskräften als auch in ihrer Tätigkeit als Bauzeichnerin. Zwischen ihr und ihrem Schwager entwickelt sich eine platonische Liebesbeziehung.
    So wäre Utas Leben recht angenehm, wenn da nicht ihr Bruder Esiko wäre, der ihr seit ihrer Kindheit das Leben zur Hölle macht und ihr sogar den Kontakt zu ihrer geliebten Schwester Hazecha untersagen will, da er sich neben der klugen Uta zurückgesetzt fühlt(e). Er hat es inzwischen zum Ersten Heerführer des Kaisers gebracht und lässt keine Gelegenheit aus, gegen die Schwester zu intrigieren. Auch dem Erzbischof Aribo von Mainz ist Uta ein Dorn im Auge, denn seiner Meinung nach stehen einem bloßen Weib die von Gott für Männer bestimmten Tätigkeiten nicht zu. Um die Vormachtstellung seines Erzbistums zu erhalten, will er den Bau der Naumburger Kathedrale unbedingt hintertreiben.
    Die Zwistigkeiten mit diesen beiden chauvinistischen Herren überschatten Utas Leben und gefährden außerdem ihren Traum, den Mörder ihrer Mutter als Anklägerin ohne männlichen Fürsprecher vor das kaiserliche Gericht zu bringen.


    Beurteilung
    Es handelt sich bei "Die Herrin der Kathedrale" nicht um einen biographischen, sondern um einen weitgehend fiktiven Roman. Im Nachwort erläutern die Autorinnen den Anteil von Fakten und Fiktion sowie die Änderungen, die sie am historischen Ablauf vorgenommen haben.
    Die Handlung ist sehr komplex und wird in anschaulichem Stil erzählt. Dank des Personenverzeichnisses fällt es nicht schwer, den Ereignissen zu folgen. Die Protagonistin ist eine mutige, aber für ihre Zeit nicht über-emanzipierte Frau, in die sich der Leser gut einfühlen kann. Nicht nur die Hauptfiguren, sondern auch die "Nebendarsteller" sind detailliert charakterisiert und werden für den Leser lebendig. Lediglich zwei Personen, Esiko und die (fiktive) intrigante Äbtissin Notburga von Hildesheim werden eher unausgewogen sehr negativ dargestellt.
    Der Roman ist nicht nur sehr unterhaltsam zu lesen, sondern auch informativ, man erfährt allerhand über die Regierungszeit Konrads II und Giselas, die durch den langwährenden Kampf um die Sicherung der Ostgrenze des Reiches geprägt war. Auch die Details zur mittelalterlichen Baukunst sind sehr interessant.
    Positiv fallen die Quellenangaben zu Zitaten aus mittelalterlichen Schriften auf, die sich jeweils als Fußnote auf den entsprechenden Seiten befinden, sodass der Leser nicht immer hin und her blättern muss.
    Eine Landkarte im Einband ist leider nicht vorhanden. Sie hätte den Roman für Leser, die den Reisen des Kaiserpaares und den militärischen Einsätzen an der Ostgrenze folgen möchten, perfekt abgerundet.


    Fazit
    Ein vielversprechender Debütroman, den man Lesern mit Interesse an der Epoche des Hochmittelalters ans Herz legen möchte!
    8 Punkte

  • Titel: Die Herren der Kathedrale
    Autorinnen: Claudia und Nadja Beinert
    ISBN: 9783426514047
    Originalausgabe: 2013
    Verlag: Knaur
    Seiten: 765


    Klappentext:
    Uta von Naumburg, die schönste Frau des Mittelalters
    Generationen von Kunstinteressierten hat die Stifterfigur der Uta im Naumburger Dom Rätsel aufgegeben. Wie war diese Frau wirklich? In ihrem opulenten und klugen Roman erzählen Claudia und Nadja Beinert das Laben der Uta von Naumburg, wie es noch nie erzählt wurde. Die Ermordung ihrer Mutter weckte Utas Gerechtigkeitssinn. Mit aller Kraft setzte sie sich für den Bau der ersten Naumburger Kathedrale als kaiserlichen Gerichtssaal ein und kämpfte für die Vollendung dieses Wahrzeichens für Frieden und Glauben im Heiligen Römischen Reich.


    Meine Meinung:
    Ein sehr interessanter Roman. Der Leser begleitet Uta als junge Frau von ihrer heimatlichen Burg Ballenstedt ins Kloster Gernrode. Von dort reist der Leser nach Quedlinburg. Von dort nimmt Uta uns quer durch Europa als Hofdame der Kaiserin Gisela von Schwaben auf Reisen bis zur Stadt Naumburg – wo die Saale auf die Unstruth trifft.
    Dort erleben wir den Bau der Kathedrale und was Uta damit zu tun hatte. Der Leser liebt und leidet mit ihr.
    Kaiserin Gisela fädelte die Heirat von Uta mit den Grafen Ekkehard von Meißen ein. Sie konnte ihm leider keinen Erben schenken. Durch den Bau der Kathedrale wollten die Brüder Ekkehard und Hermann Naumburg in der Mark Meißen zu einem blühenden Bezirk machen und für ihren Vater eine schöne Grablege schaffen. Kann Hermann seine Vision umsetzen?
    Der Leser erfährt, wie die Frau oder wie sie seinerzeit genannt wurde das Weib, für Kinder, Kirche und Küche zuständig waren. Bildung für das Weib ? Lieber nicht. .


    Fazit:
    Ein durchaus lesenswerter Roman der gut recherchiert ist. Lobenswert ist das Personenregister am Anfang und das Nachwort, in dem die Autorinnen erklären, was Fiktion und was Real ist.
    Leider ist der Schreibstil nicht durchweg fließend. Stellenweise schleicht sich ein belehrender Stil ein.
    Aber für alle die Naumburg und Umgebung kennen ein unterhaltsamer Roman.


    7 Eulenpunkte

    Don't live down to expectations. Go out there and do something remarkable.
    Wendy Wasserstein

  • Uta von Ballenstedt wächst auf der Burg eines despotischen Vaters auf. Als er eines Tages entdeckt, dass ein Knappe sie bedrängt, gibt er ihr die Schuld dafür und will sie verstoßen. Ihre Mutter lässt sie daraufhin vor dem Vater in Sicherheit bringen, wird von diesem dafür aber hart bestraft und stirbt kurz darauf. Uta ist sicher, dass ihr Vater am Tod der Mutter Schuld hat und will Gerechtigkeit. Da diese für Frauen zur damaligen Zeit fast unmöglich durchzusetzen ist, hat Uta einen langen Weg vor sich.


    Uta von Naumburg (vor ihrer Heirat Uta von Ballenstedt) ist eine reale historische Persönlichkeit, die man vor allem aus vielen Kreuzworträtseln kennt, sie ist eine der Stifterfiguren im Naumburger Dom. Über ihr tatsächliches Leben ist so gut wie nichts bekannt. Claudia und Nadja Beinert haben daher, vor dem tatsächlichen historischen Hintergrund, ihr Leben so erzählt, wie es den beiden Autorinnen möglich schien.


    Leider ist ihnen das meiner Meinung nach nicht wirklich gut gelungen. Das fängt schon einmal bei den Charakteren an. Die meisten sind recht oberflächlich und wenig facettenreich gezeichnet, wenige erschienen mir authentisch bzw. in ihren Gefühlen und Handlungen nachvollziehbar charakterisiert. Schon Uta ist für mich kaum greifbar. Zum Einen wird sie als sehr klug auch sehr lernfähig dargestellt, zum Anderen handelt sie oft unglaublich naiv und unbedacht, hat absolut keine Menschenkenntnisse und lernt oft nicht aus ihren Fehlern. Wenn man die Naumburger Figur sieht, sieht man eine selbstbewusste Frau. Die Uta im Buch ist unsicher, leicht zu beeinflussen und hat wenig Selbstbewusstsein. Auch muss sie auf Ihr Umfeld sehr wunderlich gewirkt haben, sie führt ständig Selbstgespräche oder murmelt vor sich hin ansonsten haucht oder flüstert sie viel.


    Viele der Charaktere sind sehr einseitig, teilweise überzeichnet „böse“ und machen auch im Laufe der Handlung keine Entwicklung durch. Für mich sind es einfach zu viele solcher Personen, die mir zudem nicht alle handlungsrelevant erscheinen und daher wohl nur aus dramaturgischen Gründen so gezeichnet wurden. Doch wie viel spannender hätte es sein können, hätte man eine Veränderung feststellen können oder wäre zumindest eine nachvollziehbare Motivation zu erkennen gewesen. Einzig bei Utas Ehemann Ekkehard kann man da eine tiefergehende Charakterzeichnung feststellen.


    Natürlich gibt es auch die eine oder andere Figur, die ich mochte, allen voran Katrina, Utas Magd in Naumburg, die so dargestellt wurde, wie ich Uta gerne gesehen hätte: Aufgeweckt, loyal und mutig. Auch Gisela gefällt sehr gut, sie zeigt, dass Frauen zu jener Zeit durchaus auch etwas zu sagen hatten.


    Die Geschichte an kann mich gesamtheitlich gesehen auch wenig überzeugen. Einige Passagen haben mir gut gefallen, z. B. Utas Jahre am Hof, auch das Leben im Stift wurde schön dargestellt (sieht man einmal von o. g. Problemen der überzeichnet „Bösen“ ab). Hier hat man das Gefühl einen schönen historischen Roman zu lesen.


    Weniger gefallen haben mir zwei der Haupthandlungsstänge: Die Liebesgeschichte und Utas Suche nach Gerechtigkeit, zumal beides auf reiner Fiktion beruht. Ob diese beiden Handlungsstränge nötig sind, mag dahin gestellt sein, zumindest auf die Liebesgeschichte hätte man verzichten können und Uta vielleicht eine glückliche Ehe gönnen können, vieles schien mir in diesem Zusammenhang an den Haaren herbei gezogen. Auch die Storyline um Utas Suche nach Gerechtigkeit für ihre Mutter finde ich oft störend, zumal sie am Ende recht makabre Ausmaße annimmt. Utas Interesse an Bildung hätte man auch anders erklären können. Ab etwa Mitte des Buches steht dann der Kathedralenbau im Mittelpunkt, der dem Roman letztlich auch seinen Namen gibt. Diesen Handlungsstrang finde ich recht interessant.


    Die Sprache ist ziemlich pathetisch-schwülstig, soll wohl ein Flair von Mittelalter verströmen, teilweise empfinde ich sie etwas albern und öfter regelrecht kitschig. Mein Kitsch-Barometer hat auch sonst mehr als einmal ausgeschlagen, gegen Ende immer mehr, z. B. bei den Begegnungen Utas mit ihrer Schwester. Hier sind mir auch sehr oft Wiederholungen aufgefallen, mehrmals kurz hintereinander z. B. „Wir sind die Töchter der Hidda von Lausitz“ (als eine Art Durchhalteparole), für mich ist das zunehmend nervig gewesen. Gestört hat mich auch, wenn bekannte Worte wie Reliquie durch ein deutsches Wort, hier Überbleibsel, ersetzt werden, auf mich wirkt das wenig authentisch.


    Für einen guten historischen Roman hat mir auch ein bisschen Ausstattung gefehlt. Ein Nachwort zu Fakten und Fiktion ist vorhanden, ebenso ein Personenverzeichnis, das mir wegen seines Humors gut gefallen hat, das aber auch ein paar Spoiler beinhaltet. Gefehlt hat eine Karte und leider auch eine Zeittafel. Der Roman hat große zeitliche Sprünge, die leider nicht gekennzeichnet sind, eine Zeittafel wäre sehr schön gewesen, besser noch wäre gewesen, wären jeweils Zeitangaben vorangestellt worden.


    Mir ist nicht ganz klar, wer die Zielgruppe des Romans sein soll. Freunde gut recherchierter historischer Romane? Dafür hält sich die Geschichte zu wenig an historisch überlieferten Tatsachen bzw. werden die Leben historischer Personen zu sehr verändert, ist die Geschichte insgesamt zu fiktiv und fehlen o. g. Extras. Liebhaber von Liebes- und Lebensgeschichten vor historischen Hintergründen ohne Anspruch auf historische Genauigkeit? Dafür gibt es zu viel Theorie, z. B. was den Kathedralenbau angeht.


    Insgesamt fehlt es dem Roman an Spannung. Es gibt zwar, vor allem gegen Ende einige Wendungen, die kommen aber, liest man aufmerksam, nicht überraschend. Es fehlt, zumindest für mich, eine Identifikationsfigur, die Geschichte ist nicht immer logisch und nachvollziehbar, meine Erwartungen wurden leider nicht erfüllt. Der historische Hintergrund ist zwar gut recherchiert, die persönlichen Geschichten jedoch beruhen fast nur auf Mutmaßung, Mutmaßungen, die ich nicht immer teilen kann. So hat mir hat der Roman nicht besonders gefallen und so kann ich ihn leider auch nicht weiterempfehlen. Ich kann leider nur knapp 6 Punkte geben.

  • Zitat

    Original von PMelittaM
    ...Das fängt schon einmal bei den Charakteren an. Die meisten sind recht oberflächlich und wenig facettenreich gezeichnet, wenige erschienen mir authentisch bzw. in ihren Gefühlen und Handlungen nachvollziehbar charakterisiert. Schon Uta ist für mich kaum greifbar. Zum Einen wird sie als sehr klug auch sehr lernfähig dargestellt, zum Anderen handelt sie oft unglaublich naiv und unbedacht, hat absolut keine Menschenkenntnisse und lernt oft nicht aus ihren Fehlern. Wenn man die Naumburger Figur sieht, sieht man eine selbstbewusste Frau. Die Uta im Buch ist unsicher, leicht zu beeinflussen und hat wenig Selbstbewusstsein. Auch muss sie auf Ihr Umfeld sehr wunderlich gewirkt haben, sie führt ständig Selbstgespräche oder murmelt vor sich hin ansonsten haucht oder flüstert sie viel.


    Dass viele Figuren wenig facettenreich gezeichnet sind, hat mich nicht gestört, handelt es sich dabei doch um Neben- und Randfiguren, die in dem Buch recht zahlreich sind und in erster Linie Funktionen erfüllen, wie eben das Umfeld zu beleben. (Hätten die Schwestern Beinert jede dieser Figuren ausführlichst charakterisiert, wäre ihnen der Roman vom Umfang her ausgeufert.)
    Was mir persönlich übrigens gut gefallen hat - ich kenne viele historische Romane, wo Autor/in eher auf Sparflamme gesetzt, das finde ich oft von Atmosphäre her, wesentlich weniger überzeugend.



    Was die Naumburger Figur sieht, so scheint sie auf Betrachter/innen sehr unterschiedlich zu wirken, außerdem ist die Figur auch viele Jahre später entstanden, muss somit keineswegs der historischen Uta entsprechen. Hinzu kommt, dass wir immerhin Uta fast ihr ganzes Leben begleiten, und die Autorinnen ihr eben eine Entwicklung zugestehen. Ich finde Uta als Figur in diesem Roman gerade deswegen auch gelungen, weil sie mir eben nicht wie eine Frau aus dem 20. / 21. Jahrhundert beschrieben ist, die eben in eine Zeit mit gängigem Mittelalterfeeling versetzt wurde. Dass sie auch kein Supertyp ist, sondern im Lauf der Handlung auch sehr viel zu lernen hat, eigene Vorurteile überwinden lernt und Ähnliches macht sie als Figur durchaus glaubwürdig.


    Und ob Selbstgespräche um 1000 n. Chr. wirklich auf das Umfeld so seltsam gewirkt haben ... (Was hätten die Menschen von damals von den vielen Handy-Telefonaten in unseren Straßenbahnen gehalten :lache )


    Zitat

    Original von PMelittaM
    Weniger gefallen haben mir zwei der Haupthandlungsstänge: Die Liebesgeschichte und Utas Suche nach Gerechtigkeit, zumal beides auf reiner Fiktion beruht. Ob diese beiden Handlungsstränge nötig sind, mag dahin gestellt sein, zumindest auf die Liebesgeschichte hätte man verzichten können und Uta vielleicht eine glückliche Ehe gönnen können, vieles schien mir in diesem Zusammenhang an den Haaren herbei gezogen. Auch die Storyline um Utas Suche nach Gerechtigkeit für ihre Mutter finde ich oft störend, zumal sie am Ende recht makabre Ausmaße annimmt. Utas Interesse an Bildung hätte man auch anders erklären können. Ab etwa Mitte des Buches steht dann der Kathedralenbau im Mittelpunkt, der dem Roman letztlich auch seinen Namen gibt. Diesen Handlungsstrang finde ich recht interessant.


    Das hat mir eigentlich gut gefallen, dass eben die Liebesgeschichte keineswegs im Vordergrund steht, und es außer Utas Suche als Gerechtigkeit noch weitere Handlungsstränge für die Protagonistin gibt. Ein wenig Krimi darf auch vorkommen.


    In diesem Roman übrigens sehr viel geboten, eine farbige und sehr vielfältige Handlung, in der die unterschiedlichsten Themen zum Tragen kommen. Da geht es um den Bau einer Kathedrale, um das Thema Schreiben und Lesen (ob Chronik, Rechtliches oder Abschriften), um die unterschiedlichen Lebensmodelle in Frauenklöstern, verschiedene Formen von Frömmigkeit etc. Und das Gute, das alles ist Teil einer Geschichte, die durchaus schlüssig aufgebaut ist. Hinzu kommen noch viele, zum Teil recht unterschiedliche Frauenfiguren, und auch das Männerbild ist keineswegs einseitig.


    An der Liebesgeschichte wiederum hat mir gefallen, dass es keineswegs nach dem üblichen Schema F läuft, also große Gefühle, große Gefahren, sexuelle Erfüllung etc., und auch bei der Beschreibung der unglücklichen Ehe wirkte auf mich authentisch, eine arrangierte Ehe, die vor allem daran scheitert, dass Uta und Ekkehard einfach nichts verbindet und es beiden auch im weiteren Verlauf der Handlung nicht gelingt, eine tatsächliche Bindung miteinander aufzubauen, wobei sich Ekkehard auch keine Mühe gibt.


    Zitat

    Original von PMelittaM
    Mir ist nicht ganz klar, wer die Zielgruppe des Romans sein soll. Freunde gut recherchierter historischer Romane? Dafür hält sich die Geschichte zu wenig an historisch überlieferten Tatsachen bzw. werden die Leben historischer Personen zu sehr verändert, ist die Geschichte insgesamt zu fiktiv und fehlen o. g. Extras. Liebhaber von Liebes- und Lebensgeschichten vor historischen Hintergründen ohne Anspruch auf historische Genauigkeit? Dafür gibt es zu viel Theorie, z. B. was den Kathedralenbau angeht.


    Dass sich die Geschichte zu wenig an historisch überlieferte Tatsachen hält, diesen Eindruck hatte ich nicht. Der Roman hat allerdings mehr als 600 Seiten. Mit Blick darauf, wie wenige wirklich gesicherte Fakten es zu Uta gibt, war mir allerdings von Anfang an klar, dass vieles hier Fiktion sein muss. (Die Fakten selbst hätten niemals für einen Roman mit 100 Seiten ausgereicht, und das, was über tatsächlich Uta bekannt ist, dürfte selbst für eine Kurzgeschichte zu wenig sein.)
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    Wie sich zeigt, sehe ich bei diesem Buch einiges anders als PMelittaM., deren Rezension ich übrigens sehr interessant und auch sehr hilfreich gefunden habe. Offensichtlich ist "Die Herrin der Kathedrale" ein Roman, der unterschiedliche Sichtweisen zulässt, je nachdem, wo Leser/in ihre persönlichen subjektiven Schwerpunkte hat.

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    Die gefährlichsten Unwahrheiten sind Wahrheiten, mäßig entstellt. (Georg Christoph Lichtenberg)