'Die Liebe der Baumeisterin' - Seiten 186 - 283

  • Nachdem ich für diesen Abschnitt relativ lange gebraucht habe, mehr meine Eindrücke als eine Zusammenfassung.


    Dora kann mit dem Bau loslegen, allerdings wird es da wohl trotz, oder grade wegen Veit noch Probleme geben.


    Das Verhältnis zwischen Urban, Veit und Dora ist irgendwie seltsam. Veit ist ja offensichtlich in Dora verknallt, Dora fühlt sich zu ihm hingezogen und Urban befördert das Ganze noch, indem er sie zusammensteckt. Und dann ist er doch plötzlich eifersüchtig und nimmt Dora mit auf Reisen. Irgendwie kann ich das nicht wirklich nachvollziehen, Weltfremdheit hin oder her.


    Mathilda nutzt die Abwesenheit Doras um Renata ins Hospital "abzuschieben", mal kucken, wie Dora nach der Rückkehr drauf reagiert.



    Gret versucht etwas über ihren unbekannten Vater rauszufinden, da deutet ja alles im Moment auf Urban hin. Interessant, daß sich hier sogar die Herzogin mit einschaltet. Da bin ich ja mal noch gespannt, wie das aufgelöst wird.


    Und die politischen Intrigen kommen auch nicht zu kurz, bin ja mal gespannt, wer hier ein falsches Spiel spielt.


    Eine Frage habe ich: Urban und Dora turteln ja auf ihrer Reise sehr offen miteinander, sozusagen in der Öffentlichkeit (auch wenn das nur die Wachleute und der Schreiber sind). War das damals nicht eher unüblich? Irgendwie kommt mir das sehr unüblich vor.
    Und was mich bei den doch recht intensiven Gefühls- und Liebes-Szenen doch ein wenig irritiert hat ist, daß die beiden sich selbst in diesem Moment noch Siezen. Für mich an der Stelle einfach unpassend, einerseits dieses öffentlich Liebesbezeugen und andererseits das förmliche Euch.


    So, dann kuck ich mal, wie es weitergeht.

  • streifi : Ich finde es sehr schwer, aus heutiger Sicht zu entscheiden, was damals üblich war und was nicht. Im Zusamenhang mit der Frage nach der Nacktheit habe ich ja schon mal darauf hingewiesen. Über das private Leben der Bürger damals gibt es sehr wenige und meist auch sehr widersprüchliche Quellen.
    Letztlich schreibe ich ja eine fiktive Geschichte und da erlaube ich mir als Autorin in solchen Punkten dann durchaus die Freiheit, das nach meinem Gefühl für meine Figuren zu entscheiden. Zu Urbans und Doras Verhältnis gehört für mich diese Widersprüchlichkeit, einerseits offen zu turteln, andererseits aber bis zuletzt beim Sie zu bleiben. Sie lieben sich, aber sie gestehen sich das letztlich nie so ganz zu. Urban ist für mich überhaupt ein sehr widersprüchlicher Charakter: einerseits sehr naiv und geradezu weltfremd in Bezug auf Doras Liebe und Verliebtsein mit Veit. Er sieht nur, was er sehen will. Andererseits ist er einer der klügsten Köpfe in der Stadt, im Umkreis des Herzogs, und da könnte man schon eine gewisse Souveränität erwarten, die er dann aber doch nicht hat. Aber das ist eben Urban für mich und das versuche ich in seinem nicht immer sehr logischen Verhalten auszudrücken.


    Dass Gret auch die Herzogin mit einbezieht in ihre Suche nach dem Vater, ist der Tatsache geschuldet, dass die damalige Welt doch relativ klein und übersichtlich war, vor allem im Herzogtum Preußen und speziell in Königsberg. Dorothea wird in den Quellen als sehr volksnah beschrieben, eine wirkliche "Landesmutter". Das habe ich in meinem Roman aufgegrffen und da Gret über Polyphemus den Zugang zum Schloss findet, eben weiter gesponnen: die Herzogin kennt eben auch Dora und Urban, also Grets Verwandtschaft, und interessiert sich auch deshalb für die Geschichte.

  • Urban nimmt jetzt Dora mit auf Reisen und damit erst mal aus dem Dunstkreis von Veit - obs was bringt :gruebel Versöhnt und verliebt scheinen sie zumindest jetzt mal zu sein


    Die traumatisierte Renata wird von Mathilda abgeschoben. Da bin ich auf die Erklärung gespannt, wenn Dora zurückkommt. Mathilda sympathisch zu finden gelingt mir auch in diesem Abschnitt nicht.

  • So wirklich symphatisch ist mir Mathilda auch nicht, aber irgendwie am authentischsten. Allerdings vor allem in den Szenen, die auch aus ihrer Sicht geschildtert werden.


    Heidi : Bei mir löst diese Verhalten allerdings da Gefühl aus, dasß die beiden sich überhaupt nicht kennen, obwohl sie ja schon seit zwei Jahren verheiratet sind. Da ist für mich eine Distanz, die mir einfach falsch vorkommt. Die zwei wirken auf mich nicht einmal wie Freunde, geschwiege denn, wie ein Liebespaar.
    Aber gut, für mich wäre es vielleicht tatsächich logischer, wenn die beiden im privaten so vertrat wären wie hier in der Öffentlichkeit und dafür etwas distanzierter in der Öffentlichkeit. Also genau umgekehrt, wie hier geschildert.... :gruebel ich weiss jetzt nicht, ob ihr versteht was ich mein....

  • Über den Satz auf S. 191 "Ein Staat ist nichts nütze, der keine Macht und Energie besitzt gegen die Verbrecher." bin ich gestolpert und habe erst mal nachgedacht, inwieweit das auch auf heutige Verhältnisse zutrifft.


    S. 213f, tja, wen sich Katzen als „Dosenöffner“ aussuchen, und welche Kriterien sie dabei anlegen, wird deren ureigenstes Geheimnis bleiben. Ich schreibe da durchaus aus eigener Erfahrung. :chen


    S. 221: Die große Kunst besteht letztlich darin, Hausfassade und Stellung des Hausbesitzers in das recht Maße zueinander zu bringen.
    Wenn ich mir so manches Gebäude heute ansehe, scheint mir diese Kunst nicht mehr unbedingt angewandt zu werden.


    Gret ist also nach Königsberg gekommen, um ihren leiblichen Vater zu suchen. Die ungeliebte „Stieftante“ hat ihr dabei ungewollt noch geholfen. Ich vermute stark, daß Urban sich als dieser Vater herausstellen könnte, gerade das starke Abwehren dieser Idee von Mathilda bestärkt mich in dieser Vermutung.


    S. 241 wird die Vermutung geäußert, ob Gret und Dora Schwestern seien. Da habe ich auch schon daran gedacht, nur wie könnte das sein? Daß z. B. Grets Mutter nicht gestorben, sondern „verschwunden“ ist und später Selege geheiratet hat? Aber Gret und Dora sind doch ähnlich alt, das wäre dann eher schwierig.


    Etwas gestutzt habe ich bei der Beschreibung der Bibliothek (S. 252). Der Buchdruck war noch nicht so alt, Bücher vermutlich entsprechend teuer.


    Der Überfall auf Urban scheint von längerer Hand geplant gewesen zu sein. Er muß auch etwas geahnt haben, weshalb sonst hätte der die Papiere im Gepäck seiner Frau versteckt? Hat er die etwa nur mitgenommen, um dort die Unterlagen in ihrem Gepäck sicher befördern zu können? Nicht verstanden habe ich, weshalb der die Hinweise auf die Mittäterschaft seines Schreibers so abgetan hat. Und Dora, die den beobachtet hat, was der anscheinend weiß, ist damit auch einer gewissen Gefahr ausgesetzt.


    Durch den Überfall und die Handhabung durch Urban versteht Dora, daß ihm zuerst sein Dienst wichtig ist, und der darüber quasi „über Leichen“ gehen würde, seine eigene und auch andere.


    Dann taucht etwas über Mathilda auf. Sie hat also nicht getan, was ihre Eltern für sie wollten, sondern ist von zuhause praktisch geflohen. Und verliebt in Urban ist sie, was schon zu vermuten war. Von der ist jedenfalls noch einiges zu erwarten, nur nichts Gutes vermute ich.


    Zwischen Mathilda und Gret spannt sich das Verhältnis zusehends an. Ich bin gespannt, wer von beiden die Oberhand behält. Gret scheint mir aus anderem Holz geschnitzt zu sein als Dora, könnte gut sein, daß sie Mathilda in die Schranken weist.


    Gestutzt habe ich über die vielen Steinhäuser. Waren damals wirklich so viele Häuser aus Stein und nicht etwa Fachwerk?



    Ich gehe jetzt hier nochmals auf die Frage des letzten Abschnitts ein Heidi ein:

    Zitat

    Original von Heidi Rehn
    Generell würde mich interessieren, wie wichtig es euch ist, auf Anhieb dicke Freundschaft mit ihnen zu schließen. Oder ist es nicht auch interessant, sie nach und nach erst kennenzulernen und dabei noch neue Seiten zu entdecken?


    weil ich nach diesem Abschnitt meine Antwort noch ergänzen muß


    Zu dem „Kommt darauf an“ muß auch der Handlungsverlauf hinzugenommen werden. Hier entwickelt es sich derzeit so, daß es mir - drastisch ausgedrückt - ziemlich egal ist, ob ich die Figuren mag oder nicht, die Geschichte entwickelt sich in einer Weise, die mir nicht zusagt. Verschwörungen, Intrigen, das hinterhältige Handeln Mathildas (mir fällt kein anderer Ausdruck ein) sind Dinge, die ich nicht so sehr mag und mich, je nach Stimmung, auch aggressiv werden und reagieren lassen. Wenn sich ein Buch in dieser Weise entwickelt, ist die Abbruchgefahr bei mir ziemlich hoch.


    Ich gebe zu, ich habe mit dem Buch so meine Probleme. Das liegt jetzt nicht am Schreibstil, der gut lesbar ist, sondern zum Einen daran, daß mir diese Zeit - ich wiederhole mich - SEHR fremd ist und mir bisher auch nicht vertrauter wurde. Die Fachausdrücke erreichen bei mir leider das Gegenteil von dem, was sie sollen: sie erzeugen bei mir nicht die Stimmung der Zeit, sondern unterstreichen und betonen nochmals diese Ferne und Fremdheit. In Gedanken pflanze ich das in das mir eher vertraute 19. Jahrhundert, was natürlich nicht paßt, und weiteren „Konfliktstoff“ ergibt.


    Zum Anderen kommt die erwähnte Entwicklung der Handlung hinzu. Vielleicht war ich zu naiv, da beim Klappentext nicht daran gedacht zu haben. Mich hat das frühe Preußen interessiert.


    Ich muß mich zwischendurch lesemäßig immer Mal erholen und werde wohl als einer der letzten durch die Ziellinie gehen (lies mit dem Buch fertig sein). Es stellt sich für mich als ein „Blick über den Tellerrand“ heraus, worauf ich nicht gefaßt war. Und solche „Blicke“ sind bei mir immer schwierig, meistens gehen sie schief.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • SiCollier : Danke für Deine ausführlichen und sehr ehrlichen Anmerkungen. ich versuche mal, so weit wie möglich darauf einzugehen.


    Zum einen zur Bibliothek: stimmt, der Buchdruck war noch keine hundert Jahre alt, aber von Anfang an ein bahnbrechender Erfolg. Herzog Albrecht war ein absoluter Büchernarr und hat wahnsinnig viel Geld in die Anschaffung von Büchern investiert. Zugleich aber darf man nicht vergessen, dass schon der Deutsche Orden, den er ja quasi beerbt hat, enorm viele Bücher besessen hat. Die Ordensleute galten als sehr gebildet und stammten auch aus reichen Familien. So sind natürlich auch riesige Handschriftenbestände vorhanden, also natürlich für damalige Verhältnisse. D.h. die Bibliothek besteht sowohl aus Handschriften als auch aus gedruckten Büchern.


    Zum Baustil: In der Gegend, in der meine Romane spielen (altes Preußen, Polen) gab es keine Fachwerkhäuser. Dort gab es entweder Steinhäuser oder ganz einfache Hütten. Da man Mitte des 15. Jahrhunderts während des 13jährigen Krieges (s. meinen Roman "Gold und Stein") viele Ordensburgen abgerissen und die Steine zum Bau von Bürgerhäusern verwendet hat, gab es in Preußen besonders viele Steinhäuser. Polen war sehr reich und sehr bedeutend. Auch dort florierte das Bürgertum und entsprechend viel wurde in Stein gebaut.


    Generell kann ich nachvollziehen, dass Du mit dem Buch nicht so warm wirst. Es ist nicht so ganz Deine Zeit, Du hast andere Erwartungen gehabt und die Figuren sind auch nicht so Deins. Das ist eben so. Ich finde es schade, kann dazu aber wenig sagen, denn ich bin als Autorin natürlich sehr befangen. Mir stehen die Figuren wie die Handlung und die Zeit einfach wie in einem Film vor Augen. Ich kenne das aber vom eigenen Lesen. Es gibt einfach Bücher, die kommen nicht an mich ran. Lass Dir einfach Zeit mit dem Lesen. Wenn Du weiterliest, freue ich mich sehr, denn Du machst Dir immer sehr viel Mühe mit Deinen Anmerkungen und ich kann da für mich einiges rausziehen. Vielen Dank dafür! :-)

  • Richie und streifi: Hm, wenn ich eure Argumentation zum Verhältnis zu Dora und Urban lese, finde ich eure Kritik sehr schlüssig. Mein Problem ist einfach, dass ich die Figuren einfach anders sehe und erlebe und deshalb ihr Verhältnis so gestaltet habe. Aber ich nehme eure Anmerkungen sehr ernst, denn es reicht nicht, dass ich das als Autorin so sehe. Das sollte auch so beim Leser ankommen. Natürlich ist es in gewisser Hinsicht subjektiv, aber hier im Speziellen merke ich dank eurer hilfreichen Anmerkungen, dass ich das einfach hätte deutlicher machen müssen. Das speichere ich mir in jedem Fall so ab. Denn ich habe da ja in gewisser Hinsicht Tomaten auf den Augen :grin

  • @ Heidi Rehn


    Danke, daß Du das so locker nimmt; ich habe eine Weile überlegt, ob und wie ich das schreiben soll. Aber unehrliche Meinungen helfen Dir auch nicht weiter. :wave



    Das mit den Häusern klingt überzeugend. Von der Historie dieser Gegend habe ich relativ wenig Ahnung, der Zeit zumal. Obwohl ich mal diverse VHS-Kurse zur Geschichte Preußens besucht habe. Aber vor über dreißig Jahren, da ist das meiste denn doch im Vergessen verschwunden. Und verglichen habe ich instinktiv mit der Gegend, in der ich wohne, wo es viele Fachwerkäuser gibt. Ich entsinne mich aber, die ältesten erhaltenen Häuser meiner Heimatstadt Aschaffenburg stammten noch aus dem Mittelalter. Und das waren ganz unscheinbare Steinhäuser (ob die heute noch stehen, oder dem Straßenbau weichen mußten, ist mir momentan nicht bekannt).

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von SiCollier ()

  • SiCollier : ich denke, wir lesen und diskutieren hier miteinander, weil wir ehrliche und begründete Argumente austauschen. Für mich sind Leserunden immer ein authentisches Feedback, wie was bei den Lesern ankommt. Davon kann ich als Autorin nur profitieren. Unbegründete Verrisse wären ein Problem. Aber dazu sind wir hier nicht in der Leserunde.


    Ich freue mich, wenn Du weiterliest,wenn nicht, wäre es sehr schade, weil Du eben so gute Hinweise gibst. Aber lass Dir Zeit und mach Dir keinen Stress!

  • @ Heidi Rehn
    Schön, daß Du das so siehst. :-) In die Richtung ging auch meine Überlegung.


    Ich habe in einem anderen Forum da mit einem Autor, den ich eigentlich mag, schon anderes erlebt. Für den bedeutete eine Leserunde, daß man ihm kritiklos huldigt, kritische Anmerkungen wurden ignoriert bzw. waren nicht willkommen. (Da ich nicht der Einzige war, der mit manchen Dingen Probleme hatte, konnte es nicht an mir gelegen haben.)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • @ Heidi


    Ich möchte dir an dieser Stelle ein Kompliment machen. Du reagierst sehr schnell auf unsere Posts, erklärst deine Gedanken und Recherchen dazu und findest unsere teilweise kritischen Anmerkungen überdenkenswert :-)


    Das mußte jetzt auch mal gesagt werden :wave

  • Danke euch vielmals, es freut mich einfach riesig, dass wir hier offen und ehrlich miteinander sind. Ich kann es nur zurückgeben, dass ich den Austausch hier mit euch sehr schätze, eben weil ihr nicht einfach kritiklos lobhudelt oder grundlos in den Boden zerreißt.


    Wir machen das hier doch alle freiwillig und deshalb gibt es doch keinen Grund, nicht ehrlich zueinander zu sein. Wie gesagt, für mich ist es Gold wert, wenn ich von euch so ausführlich auf Stellen oder Punkte hingewiesen werde, die Fragen aufwerfen, unlogisch erscheinen oder nicht nachvollziehbar sind. Daraus kann ich doch nur Positives lernen, wie ich es beim nächsten Mal besser machen kann (falls ich eure Meinung teile, denn es steht mir ja frei, wie ich das verwende oder sehe). Ich will mit jedem Buch besser werden. Perfekt zu sein, wäre sicher schön, aber sicher auch irgendwie langweilig. Was kommt danach? Perfekter als perfekt geht eben (leider) nicht :lache


    Und außerdem kritisiert ihr ja auch nicht durch die Bank weg, sondern hebt doch auch viel Positives hervor. :-) Insofern bitte ich euch, dass wir weiter machen wie bisher: jeder schreibt, was er denkt, und wir respektieren das so. Das ist doch eigentlich selbstverständlich!

  • Leider werde ich mit Dora nicht richtig warm. Ich empfinde ihre Gefühle für Veit als kindische Schwärmerei. Sie ist doch achtzehn, oder? In ihrer Welt eine erwachsene Frau. Aber sie benimmt sich in meinen Augen wie ein zwölfjähriger Teenager, der einen Popstar anhimmelt. Ich sehe da irgendwie keine wirkliche Liebe. Also eine, für die es sich lohnt, den Kammerherren vor den Kopf zu stoßen. Er könnte sie ja sicher auf die Straße setzen, wenn er sich betrogen fühlte.
    Gret mag ich. Sie hatte es sicher nicht leicht, als uneheliches Kind. Sie ist bodenständig und weiß was sie will. Und nimmt es sich, ob es nun Jörg ist oder das Buch, mit dem sie sich letztendlich Zutritt zum Hof verschafft. War es damals üblich, dass Schankwirtstöchter lesen lernen?

    :lesendR.F. Kuang: Babel


    If you don't make mistakes, you're not trying hard enough. (Jasper Fforde)

  • Nachtgedanken, es ging mir da ähnlich wie dir. Grade im Vergleich zu Gret wirkt Dora extrem unreif, dabei sind die beiden doch in etwa gleich alt.


    Aber villeicht ist es wirklich der Aberglaube, der sie an Liebe glauben lässt. Die ganze Aberglauben-Geschichte war damals ja deutlich ausgeprägter als heute.

  • Danke, streifi, an die Sache mit dem Aberglauben wollte ich euch auch schon die ganze Zeit erinnern. Das ist auch ein wichtiger Punkt, der Doras Denken wesentlich beeinflusst. Sie macht die Probe ja eigentlich nur, um sich bestätigen zu lassen, dass Urban trotz seines "hohen" Alters doch der Richtige ist. Und dann träumt sie von diesem atemberaubend jungen Mann, der ihr einerseits wie Urban in jungen Jahren erscheint (den sie leider nie gekannt hat, aber gern kennengelernt hätte) und dann kurz darauf "live" gegenübersteht.... Das bringt sie schon reichlich durcheinander. Und letztlich hadert sie wegen dieser VErliebtheit in einen anderen auch ganz heftig mit sich, gerade eben weil sie Urban auch liebt, aber vielleicht auch spürt, dass er doch eher so eine Art zweiter Vater ist, noch dazu einer, der liebe- und verständnisvoll für sie ist, was ihr richtiger Vater Wenzel ja niemals ist.

  • Nachtgedanken : Das mit dem Lesen- und Schreibenkönnen war weit verbreiteter, als wir uns das für die Zeit klischeehaft vorstellen. Gerade in protestantischen Gegenden, zu denen Nürnberg ebenso wie Königsberg/ Preußen gehört. Es gab schon im Mittelalter kirchlich unterhaltene Volksschulen und unter Luther wurde das noch mehr gefördert. Bürgertöchter - und eine solche ist Gret, auch wenn sie bei ihrem Onkel aufwächst - konnten damals lesen und schreiben und rechnen. Sie mussten ja auch im Geschäft mithelfen und, wenn die Männer außer Haus waren, das auch selbständig führen.