fell über den ohren

  • wozu das alles ? fragte er sich ..
    und schnappte sich den braven hund zur abendlichen gassi-runde ..


    identitätsprothesen .. murmelte er halb verächtlich vor sich hin ..
    all die vielen neuen gerätschaften verschiedenster hersteller ..
    und eine hektische kundschaft drumherum ..


    cebit-schnipsel flirrten noch durch seinen kopf
    vieles schien .. sich ihm zunehmend fragwürdiger zu gestalten.


    'man' lebte irgendwie .. mehr denn je .. am leben vorbei.
    wo sollte das enden ? und vor allem was
    war das eigentlich geblieben vom .. wirklichen 'leben' ?!


    der hund zog, sie rannten ein stück ..
    "bis zur steintreppe hinten, da lass ich dich frei .."
    der hund wusste .. und wetzte dann die böschung hinauf.
    jippi.


    die dame mit den zwei kleinen weissen fellknäueln,
    die sie früh oft trafen, hatte ihn gewarnt. sie kontrollierten auch dort oben.
    doch wo es ging, liess er den hund laufen ..
    leinen los


    immerhin klappte die verständigung auf zuruf nach einem jahr schon recht gut ..
    an den meisten strassenrändern stoppte der hund sogar von allein.


    während 'der hund' auf dem freien feld schon sein häuflein absetzte,
    erreichte 'herrchen' erst die obersten stufen.


    als sie über die wiese stapften, um flecken schmelzenden schnees herum,
    hing ein seltsamer singsang in der luft,
    den er im unterbewusstsein zunächst für vogelgesang gehalten hatte ..


    langsam drehte er den kopf hinüber zu dem modernen gebäude
    des christlichen altenheims, das sich rechterhand an den hang schmiegte ..
    von einem balkon aus winkte eine ziemlich alte dame,
    aus deren mund diese auf- und abschwellende vogelstimme tönte.
    gebrechlich auf einen stock gestützt, schien sie kontakt zu suchen ..


    es war egal, ob sie die beiden mit anderen verwechselte,
    er hob den arm und winkte freundlich zurück ..
    "Hallo" ..


    es dunkelte bereits, als er sich entschloss,
    noch ein paar kleinigkeiten aus dem neugebauten supermarkt mitzunehmen ..


    identitätsprothesen ..
    dachte er grinsend.
    was 'brauchte' ein mensch wirklich ? was ein hund ?
    reichten nicht die spaghettis, die er noch im küchenschrank wusste ?!


    die riesen-parkplatz-fläche war wie leergefegt.
    zwei letzte autos, in welche späte samstag-abends-einkäufer
    ihre tüten einluden.


    er band seinen hund direkt neben dem eingang an eine säule
    und betrat zum ersten mal diese hallen.
    trotz des neuen mobiliars roch alles etwas muffig.
    milch, quark, brot .. er packte die paar sachen in einen leerstehenden karton,
    klemmte diesen unter seinen rechten arm und lief
    zwischen gefüllten regal-reihen zur kasse durch.


    hinter einer ecke vernahm er fremdländisches stimmengewirr.
    zwei junge männer bemerkten ihn und bewegten sich rasch weiter
    zu den zeitschriftenauslagen neben dem kassenbereich.


    ein weiterer herr wurde noch vor ihm an der kasse abgefertigt.
    während er selbst sein kleingeld zusammenzählte,
    drängten sich die beiden offenbar russischen männer an ihm vorbei
    in richtung ausgang ..


    alles andere ging dann sehr schnell ..
    der mann, welcher vor ihm gezahlt hatte, kam durch die automatisch
    öffnenden schiebetüren zurück in die halle und fragte laut,
    ob jemand einen hund draussen angebunden hätte,
    da hinge nur noch eine hundeleine.


    das konnte nur seiner sein.
    kreidebleich rannte er hinaus.
    alle möglichen szenarien rasten ihm durchs gehirn.


    diese reportage kürzlich .. über zunehmende haustier-kriminalität.
    mehr und mehr der 'kleinen lieblinge' verschwanden mitten in deutschland.
    das hatte ihn noch wütend gemacht, wie machtlos man
    vielen mafiösen strukturen doch mittlerweile gegenüber stand.


    ein älterer herr hatte in die kamera geklagt,
    er hätte seinen hund vermisst, nach dem einkaufen.
    und dessen frau gab ihm, heimgekehrt, noch den rest.


    der sprecher hatte fakten gebracht, von asiatischen restaurants,
    die gesunde und gutgenährte deutsche hunde zu schätzen wussten,
    osteuropäische banden hingegen, interessierten sich wohl eher
    für die feinen felle.


    ihm standen innerlich die haare zu berge.
    ins schädelgewölbe projiziert : sein hund kopfüber an einem haken hängend,
    während jemand dem armen tier bei lebendigem leibe
    das fell über die ohren zog.



    voller panik lief er hinaus und sah mit weiten augen die hundeleine
    samt geöffnetem halsband auf dem boden liegen.
    laut rief er mehrmals den hundenamen zwischen die fern stehenden,
    dunklen häuserwände.
    nichts !


    augenblicklich ahnte er überdeutlich, dass er seinen hund
    nie wiedersehen würde,
    kaum konnte er ermessen, wie sehr ihm der gefährte fehlen würde.
    sein magen krampfte sich zusammen.
    zeitgleich stieg eine ohnmächtige wut in ihm hoch.


    während der andere mann noch auf ihn einredete, stand er wie gelähmt.
    ein paar fussgänger auf ihren heimwegen hatten sich kurz hinzugesellt.
    der mann sprach von polizei und dass er zeuge sei.
    und brachte ihn zurück in den kassenraum.


    verkäuferinnen waren zusammengelaufen.
    alle trösteten ihn freundlich,
    worte, die allerdings nur wie von ferne zu ihm drangen.
    er stand fraglos unter schock.


    wie würde es weitergehn ? er mochte seinen treuen hund nicht missen,
    beide waren zu einem prima team zusammengewachsen.
    ein anderer hund könnte diesen kaum einfach ersetzen.
    spätestens jetzt war ihm das klar.


    jemand hatte die geschäftsleiterin alarmiert,
    die schliesslich mit einem handy antrabte.
    sie wählte den notruf und hielt ihm das gerät hin.
    stockend erzählte er schliesslich dem polizisten am andern ende des funknetzes,
    was vorgefallen war.


    er solle persönlich vorbeikommen, eine anzeige aufgeben, hörte er da,
    man würde mittlerweile die streifenwagen informieren.


    eine verkäuferin hatte inzwischen seine paar einkäufe in eine tüte verpackt
    und drückte ihm diese mitsamt dem wechselgeld in die hände.


    wie innen ausgehöhlt, kehrte er vor die tür zurück.
    das wars also ..


    so ein tieftrauriges gefühl hatte er lange nicht gespürt.
    allein die anwesenheit des hundes hatte ihm den winter über
    jegliche dunklen gedanken verscheucht.


    der freundliche herr stand immer noch bei ihm
    und versuchte, beruhigende worte zu finden.
    er hätte auch mal einen hund gehabt und ob
    sich der hier nicht vielleicht doch einfach nur losgerissen hätte.


    losgerissen ? wie ?
    er wusste, dass dieses halsband nur ein mensch geöffnet haben konnte.
    und er würde sicherlich nicht allein fortgelaufen sein ..


    so standen die beiden männer
    einfach nur beieinander
    und schauten stumm in die nacht hinein ..


    ~~~~~~~~~~~~~~schnipp~~~~~~~~~~~~~~~


    .. plötzlich näherten sich stimmen
    aus richtung der rechten ecke des kaufhallen-flachbaus
    ein paar leute tauchten dahinter aus der dunkelheit auf,
    um deren füsse ein lebhaftes dunkles 'etwas' tänzelte ..


    sein herz pumpte auf
    und die klamme bestürzung wich einer grossen freude


    nicht wissend, ob er den hund nun loben oder tadeln sollte
    nahm er den ausreisser aufgeregt in die arme


    die leine, deren schnappverschluss sich irgendwie geöffnet haben musste,
    war fix angelegt und auf gings ..
    den freundlichen leuten noch hinterher winkend,
    die sich in alle winde zerstreuten


    trotz gegensätzlichen ahnungen,
    sprach er auf den nicht minder aufgeregten stromer ein :
    "mensch, sowas .. machst du aber nie wieder, hörst du .. hörst du .. !?"


    und grinsend hörte er sich selbst
    leise hinzufügen :
    ".. meine kleine identitätsprothese, du !"

  • Als ich meine erste Antwort schrieb, stürzte leider mein PC ins Nirwana, zweiter Versuch: also ich habe den Text auch bis zum Ende lesen müssen. Klar gibt es da was zu verbessern, am liebsten aber wäre mir, das Foto wäre weg, da dreht sich mir der Magen um.

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

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  • oh, danke
    für eure aufmerksamkeit !


    au ja,
    bei mir gibtes immer viel
    zu verb:essern .. !


    :yikes


    das bild entstand vorgestern
    unterwegs am strassenrand ..
    und passte zuFellig ..


    dieses fell hing tatsächlich so im geäst ..
    da ist nichts manipuliert ..


    womöglich der 'klägliche' rest
    eines von einem lastwagen zerfledderten wesens ..


    ich könnte dir ganz andere sachen zeigen,
    verzichte aber hier darauf,
    deine nerven zu schonen ..


    das ist alltag, mein junge,
    gewöhn dich langsam schon mal dran


    warum vieles ausblenden,
    was doch tatsächlich passiert .. ?!
    marlowe ..


    häufiges nicht-hin-gucken und verdrängen,
    bedeutet meiner unmassgeblichen erfahrung nach,
    ein schlimmes erwachen
    eines 'schönen' tages .. !


    salut


    PeT

  • Oh, weder verdränge ich noch schaue ich nicht hin, im Gegenteil, ich lege gerne meinen angesalzten Finger in offene Wunden, damit es noch mehr schmerzt.
    Darum ging es mir nicht, aber das Foto, bzw. das Fell darauf, erinnert mich zu sehr an meinen Krümel und wenn ich Deinen Text mehr als einmal lese muss ich das Foto mehrmals ansehen, was ich tunlichst vermieden habe.
    Wäre ich selber über so ein Bild am Wegesrand "gestolpert", hätte ich es auch fotografiert und wahrscheinlich auch einen Text dazu geschrieben.

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

  • euer feedback freut und ehrt mich ..


    die story ist wirklich so geschehen
    ein paar tage vor dem foto ..


    als dann noch dieser schnappschuss
    während einer der ersten frühlingswanderungen 'passierte',
    dachte ich spontan : das passt ja, wie ..
    die sprichwörtliche panzerfaust aufs hühnerauge ..


    nacht leute


    PeT