Ich mag die Editors, seit ich "Munich" zum ersten Mal gehört habe, das muss so um 2006 herum gewesen sein. Die Band um Tom Smith mit seiner einprägsamen Baritonstimme produziert schmutzig-melodiösen, komplexen Indierock. 2003 gegründet, dürfte das Jahr 2013 dasjenige sein, das den vorläufigen Höhepunkt der Karriere der Band markiert. So gut wie jedes nennenswerte Medium hat das aktuelle Album "The Weight of Your Love" besprochen, und die aktuelle Single "Formaldehyde" ist zuweilen sogar im Mainstreamradio zu hören. In diesem Sommer gab es kaum ein größeres Festival, auf dem Smith, Urbanowicz, Leetch und Lay nicht aufgetreten sind. Derzeit neigt sich die aktuelle Europatournee dem Ende entgegen - Auftritte gibt es aber noch bis weit in den November hinein fast täglich, wovon die meisten allerdings längst ausverkauft sind, teilweise seit Monaten.
Ich habe die Kapelle zuerst und zuletzt im Jahr 2010 gesehen, als man zum bislang größten Hit "Papillon" sogar auf Ü40-Partys tanzte. Damals war ich hin und weg vom unprätentiösen, aber kraftvollen Auftritt, der ganz um Tom Smith herum inszeniert war. Ein Konzert, wie es sein sollte, ohne Allüren und überzogene Gestik, einfach Musik pur, die aber vom Feinsten. Smith im weißen Hemd an Gitarre oder Piano, drumherum die anderen Musiker, die ihre Instrumente spielten, ohne groß zu interagieren. Hin und wieder ein paar Worte, ein gehauchtes "Dankescheen", das war's. Nicht viel Licht, knallharter Sound, gute Lautstärke und eben die Songs der Editors. Das Gute von Coldplay und das Gute von Interpol, ein paar Tupfer Joy Division. Vor allem aber die Stimme von Tom Smith, dieser kehlige, energiegeladene Bariton, der selbst dann nicht unterging, als an der lautesten Stelle meines Lieblingssongs - "Smokers Outside the Hospital Doors" - alle Instrumente bis zum Anschlag malträtiert wurden.
Deshalb kaufte ich auch sofort Karten, als die aktuelle Tour angekündigt wurde. Das Album - na ja. Es hat seine guten Momente. Ein paar Stücke klingen stark nach Pearl Jam, bei einigen singt Smith, als hätte er vergessen, eigentlich eine gute Stimme zu besitzen. Mir gefällt es längst nicht so gut wie die vorigen, aber es ist natürlich immer noch um Längen besser als irgendwas von ... weiß der Geier. Bon Jovi. Nein, dieser Vergleich wäre wirklich ungerecht. Sagen wir: Coldplay. Die waren mal richtig gut, jetzt machen sie Volksmusik. Schade übrigens.
Also okay. Wieder Columbiahalle. Pumpvoll. Aber wir fanden dennoch recht gute Plätze in Bühnennähe, etwas links, praktisch direkt vor der PA. Meine Frau konnte die Bühne sehen - gut. Ich holte Biere, dann kamen Balthazar auf die Bühne, eine belgische Rockformation, die mich wirklich sehr beeindruckt hat. Ein paar Stücke kannte ich, ohne den Bandnamen zuordnen zu können. Die Combo ist auf jeden Fall vorgemerkt, falls sie mal wieder hier spielt. Leider dauerte der Support nur knappe 30 Minuten. Die aber hatten es in sich.
40 Minuten Pause, dann die Editors. Ein irgendwie dünn und angestrengt wirkender Tom Smith, der mich im Folgenden vor allem dadurch irritierte, dass er nach beinahe jedem Song "Thumbs up" zeigte. Der Auftritt war atemlos, fast schon gehetzt, entbehrte aber nach meinem Gefühl jeder Leidenschaft. Irgendwie passierte hier nichts, man spielte Musik, fertig. Fraglos perfekt bis zum letzten Sechzehntel, mal vom Sound bei den ersten zwei, drei Stücken abgesehen. Aber - ich weiß nicht. Ein bisschen seelenlos. Ein bisschen "Wir sind eigentlich zu erfolgreich für eine so kleine Halle" (3.500 Stehplätze). Jedenfalls enttäuschend. Wie ein Feuer mit zu feuchtem Holz. Es fühlte sich nach Arbeit an. Klar, das ist es auch.
Vielleicht lag's auch an mir. Als das Publikum zur vorletzten Zugabe - "Papillon" - völlig austickte, waren wir schon in Richtung Ausgang unterwegs. Am Merchandising-Stand saßen die Musiker von Balthazar. Ich habe das aktuelle Album "Rats" gekauft und signieren lassen, ein paar warme Worte gewechselt, was die Band zu freuen schien. Nett. Eigentlich hätte man nach dem Support gehen können. Nein, sollen.
Schade.