Heide Simonis im vierten Wahlgang gescheitert

  • Hallo, Rabarat.


    Zitat

    Für mich steht klar, dass in Kiel ein Abgeordneter gekauft worden ist.


    Harter Tobak. Die Terminologie, die in den Partei- und Presseverlautbarungen benutzt wird, geht in eine ähnliche Richtung. Abtrünniger, Abweichler, Verräter, Umstürzler, Betrüger.


    Aus Sicht von SPD und Simonis mag das stimmen. Aber ich neige eher zu der Ansicht, die Obelix formuliert hat. Eine Minderheitsregierung gegen das Votum der Wähler - das ja eine Mehrheit von CDU und FDP formuliert hat - kann man auch als unethisches Andermachtkleben auffassen. Frau Simonis hat das ja in ihrer unglückseligen Kerner-Äußerung ("Und was wird dann aus mir?") auf den Punkt gebracht. Macht um jeden Preis läßt sich nicht mit jedem Gewissen vereinbaren. Vielleicht war es eine Gewissensentscheidung dieses einen Abgeordneten, vielleicht war es sogar eine gemeinsame Gewissensentscheidung mehrerer Abgeordneter, die nur einen ausgewürfelt haben, der die Entscheidung zu transportieren hatte.


    Auch, wenn man über eine Parteiliste in eine Volksvertretung gewählt wird, bleibt man alleine seinem Gewissen verpflichtet, so steht es im Grundgesetz. Es gibt zwar einen (nirgendwo als solchen formulierten) Fraktionszwang, aber es gibt auch viele, viele Beispiele dafür, wo sich Abgeordnete aus verschiedenen Gründen der Parteilinie verweigert haben. Derjenige, der das in Schleswig-Holstein gemacht hat, hat m.E. eine Regierung verhindert, die ohne Votum dagestanden hätte und deren Spitzen augenscheinlich großes Interesse am puren Machterhalt hatte. Ob das, was jetzt kommen wird, unter anderen Maximen tätig wird, ist eine andere Frage, die damit wenig zu tun hat.

  • schon vor der wahl gab es ja einige stimmen im lager, die sich für eine große koalition aussprachen. der wirtschaftsminister ist zurückgetreten, weil er offen gegen die linie rot/grün/duldung ssw war.
    vielleicht wurden die anderen auf parteilinie gebracht und rächten sich nun(ganz eigennützig heimlich, um die parteikarriere nicht zu versauen).
    ich kenne den führungsstil von simonis nicht, aber offenbar hatte sie sich nicht nur freunde gemacht. und spätestens mit dem 3. versuch der wahl hat sie sich selbst demontiert. diese peinlichkeit muss man ihr ankreiden.


    bo

  • Ich glaube aus einem ganz einfachen Grund nicht an die Sache mit der Gewissensentscheidung: Die eigene Selbsterhaltung spricht dagegen!


    Wer immer der Stimmenthalter war, wusste, dass dies evtl. eine Neuwahl nach sich ziehen kann; und welcher Abgeordnete riskiert wenige Wochen nach der Wahl so leichtfertig sein frisch erworbenes Mandat? Keiner!


    Ansonsten kämen nur Leute aus der Fraktionsspitze in Frage, die sicher sein dürfen, auch beim nächsten Mal wieder dabei zu sein. Und gerade die halte ich eher für unverdächtig, sie haben ja selbst die Koalitionsverhandlungen geführt.


    Außerdem passt mir das charakterlich auch nicht zusammen. Ist es glaubhaft, dass jemand, der anonym aus dem Hinterhalt seine Spitzenkandidatin abschießt, sich auf sein ach so edles Gewissen berufen kann? Nö!

  • Hallo, Rabarat.


    Zitat

    Außerdem passt mir das charakterlich auch nicht zusammen. Ist es glaubhaft, dass jemand, der anonym aus dem Hinterhalt seine Spitzenkandidatin abschießt, sich auf sein ach so edles Gewissen berufen kann?


    Schon die Formulierung Deiner Frage nimmt die Dir genehme Antwort vorweg.


    Neuwahlen wären so oder so die unwahrscheinlichere Variante gewesen (und sind es immer noch), insofern bleibt der "abtrünnige" Abgeordnete sehr wahrscheinlich über die gesamte Legislaturperiode auf seinem Mandant sitzen. Und Deine Argumentation sticht insofern nicht, da sie für alle Motivationsursachen gelten würde. Aus welchen Gründen man immer gegen Simonis stimmt (oder sich enthält), das Mandat wäre bei Neuwahlen so oder so weg - vorausgesetzt, die Stimmenverhältnisse würden sich dramatisch ändern. Meistens ist das nicht der Fall.


    Ich gehe nach wie vor von einer Gewissensentscheidung aus, aber das ist alles Spekulation, bis sich der "Abweichler" zu erkennen gibt, vielleicht erst in zwanzig Jahren. Davon abgesehen stimmt es mich der Gedanke optimistisch, daß es Abgeordnete geben könnte, die nicht jeden Scheiß (vor allem: persönliches ! Machterhaltungsbedürfnis) mitzutragen bereit sind, auch, wenn es der Partei insgesamt schadet.

  • Zitat

    Original von Rabarat
    Ist es glaubhaft, dass jemand, der anonym aus dem Hinterhalt seine Spitzenkandidatin abschießt, sich auf sein ach so edles Gewissen berufen kann? Nö!


    Hmm...ich kenne mich innerparteilich zwar überhaupt nicht aus, aber ich könnte mir vorstellen, daß das auch nicht anders, als in einer Firma ist. Es reicht ja schon, wenn einer mal aus dem Hinterhalt das Richtige tut...auch ohne es an die große Glocke zu hängen. Wenn man es in der gleichen Firma noch zu was bringen möchte, dann sollte man sogar tunlichst bei unbequemen Wahrheiten versuchen nicht weiter aufzufallen, wenn man schon so dumm war und das Richtige getan hat.


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Tom
    Schon die Formulierung Deiner Frage nimmt die Dir genehme Antwort vorweg.


    Also ob das nicht für beide Seiten gälte! :wow


    Die einen erklären diese Aktion zur edlen Gewissensentscheidung, um etwas zu entschuldigen, was sie nun mal für den bestmöglichen Ausgang der Geschichte halten, die anderen betrachten selbige als Dolchstoß.


    Ethisch zweifelhaft ist das Vorgehen des Enthalters allemal, denn besagter Abgeordneter hatte in den vergangenen Tagen reichlich Gelegenheit gehabt, seinen Unwillen über die geplante Regierungsbildung kundzutun. Warum denn dann erst in der geheimen Wahl, nachdem man vorher den ach-so-unseligen Kompromiß per Akklamation abgesegent hat?


    Gelegenheiten, dem Rad in die Speichen zu fallen, gab es seit der Wahl genug. Für mich grenzen die Apologetiken zugunsten des Enthalters an Verschwörungstheorien Brownschen Ausmaßes. :pille


    Simonis sei selber schuld, schließlich habe sie an der Macht geklebt? Habt ihr eigentlich einen an der Klatsche? Welcher Politiker in ihrer Situation würde denn nicht "an der Macht kleben" oder (schöner ausgedrückt) "nähme die Verantwortung der Regierungsbildung auf sich"?

  • Das Verhalten des Enthalters ist einfach unlogisch!


    Er hat einen harten Wahlkampf hinter sich gebracht, der ihm einen hohen Einsatz von Zeit und Energie abverlangt hat. Er hat das gemacht, um diese Wahl zu gewinnen. Persönlich hat er das Ziel erreicht, aber natürlich hat er auch für den Sieg der SPD gekämpft.


    Nun hat die SPD die Wahl zwar nicht gewonnen, aber sie konnte noch mit Umwegen einen Sieg konstruieren (HC soll mal nicht so tun, als hätte er sich von den Dänen nicht zum MP wählen lassen).


    Diese Konstellation war die einzige, bei der die SPD den MP stellen konnte. Das ist immerhin DIE Schlüsselposition in der Regierung. Das gibt man nicht mal eben so auf, nur weil einem eine große Koalition lieber wäre. Ich hätte diese Erklärung gelten lassen, wenn die SPD stärkste Kraft im Parlament wäre. Doch es widerspricht jeder politischen Erfahrung, dass man freiwillig Juniorpartner in einer Regierung wird, wenn man sie auch führen kann.


    Für mich ist und bleibt die einzig erklärbare Ansatz der, dass die betreffende Person bestochen oder erpresst worden ist. Hier hat jemand stärkeren Zwängen unterlegen als dem Fraktionszwang - und exakt deshalb kann er sich auch nicht outen!

  • Zitat

    Simonis sei selber schuld, schließlich habe sie an der Macht geklebt? Habt ihr eigentlich einen an der Klatsche?


    Nee, wir haben nur 'ne Meise. :grin


    Tschullijung, aber Frau Simonis hat nicht nur Machterhalt um jeden Preis zur Maxime der Regierungsbildung erhoben, sie hat auch noch ihr persönliches Karriereglück über das Votum der Wähler gestellt - siehe Äußerung im "Kerner"-Interview.


    Natürlich hätte der "Abweichler" seine Bedenken öffentlich äußern können. Keine Frage, und das wäre auch ehrenhaft(er) gewesen, ganz Deiner Meinung. Andererseits hätte das die "Ära Simonis" nicht beendet; dazu war offensichtlich dieses Debakel erforderlich. Eine geheime Abstimmung (aber offensichtlich nicht geheim genug, um keine Hatz auf den "Täter" auszulösen - wo bleibt da der Respekt vor demokratischen Entscheidungen?). Ich bleibe dabei: In SH ist etwas passiert, das die Verläßlichkeit des Fraktionszwang-Stimmvieh-Axioms destabilisiert und gleichzeitig zeigt, daß es möglicherweise (ist ja Spekulation) Abgeordnete gibt, die das Wählervotum über die Machtgeilheit der eigenen Spitzenkandidaten stellen. Rabarats Bestechungstheorie empfinde ich jedenfalls als noch absurder als diesen Gedanken.

  • Zitat

    Original von Tom
    Tschullijung, aber Frau Simonis hat nicht nur Machterhalt um jeden Preis zur Maxime der Regierungsbildung erhoben, sie hat auch noch ihr persönliches Karriereglück über das Votum der Wähler gestellt - siehe Äußerung im "Kerner"-Interview.


    Ich greif mal deine Frage auf und stelle zur Diskussion, ob du das genauso sähest und genauso vehemente Plädoyers dafür hieltest, daß dies eine reine Gewissensentscheidung gewesen sei, für die es kein Alternative gegeben habe, wenn das dem Herrn Koch in Hessen passieren täte.
    Oder dem Herrn Wollf in Niedersachsen.


    Und dabei geht es mir nicht um die Frage ob Mann oder Frau! :grin

  • Hallo, Iris.


    Ich plädiere für diese Variante, auf daß sie wenigstens in Erwägung gezogen wird - und als Antwort auf Rabarats Theorie, es hätte Bestechung oder Erpressung gegeben. Und ich bin kein CDU-Anhänger. Natürlich hätte mich ein derartiges Scheitern eines über das Knie gebrochenen Machterhaltsversuchs auch bei Koch, Wulff und Stoiber mit einer respektvollen Schadenfreude erfüllt.

  • Ob man Frau Simonis nachweinen muss, sei dahingestellt. Ihre Eitelkeiten und ihr Machtstreben sind eigentlich Selbstverständlichkeiten im politischen Geschäft. Man kommt nicht so weit, wenn man nicht extrem ehrgeizig ist.


    Kinkel sagte das einmal sehr schön: "Um in der Politik ganz nach vorne zu kommen, benötigt man Eigenschaften, die man sich nicht unbedingt bei seinem Bruder oder seinem Ehepartner wünscht."


    Also gehe ich doch mal davon aus, dass fast jeder Spitzenpolitiker sein Amt verteiden will.


    Insofern kann das Machtstreben der Frau S. schwerlich das Motiv gewesen sein. Dann wird es eben jetzt Herr C. der wird genauso an seinem Stuhl kleben.

  • Zitat

    Original von Tom
    Natürlich hätte mich ein derartiges Scheitern eines über das Knie gebrochenen Machterhaltsversuchs auch bei Koch, Wulff und Stoiber mit einer respektvollen Schadenfreude erfüllt.


    Der Fall Stoiber(s) ist allerdings als extrem hypothetisch anzusehen! :lache

  • Was ist eigentlich an der Konstellation, die Frau Simonis für ihre Minderheitsregierung suchte, so verwerflich, daß Tom sich dermaßen ereifert? Eine Dreiparteienkoalition gab es ja schon einige Male. Diesmal wäre es eine Zweiparteienkoalition mit gleichzeitiger Duldung durch eine dritte Partei gewesen. Damit wären zumindest klare Mehrheiten da gewesen, wenn auch knapp.
    Die CDU kann es drehen und wenden wie sie will, mit der FDP zusammen hat sie einfach keine Mehrheit im Landtag. Es wäre also auch eine Minderheitsregierung.
    Der Wählerwille geht aus dem Wahlergebnis eben nicht klar hervor. Ich kann mir aber vorstellen, daß eine große Koalition so ziemlich das letzte ist, was ein Wähler haben will. Somit ist eine Konstellation, wie sie Frau Simonis eigentlich die einzige Alternative, die dem Wählerwillen vielleicht am nächsten käme.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

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  • "an der Macht kleben" oder (schöner ausgedrückt) "nähme die Verantwortung der Regierungsbildung auf sich"?



    Das ist ja wieder mal so ein schöner Satz,


    liebe Iris ,er könnte glatt von Joschka sein,


    der hat aber nicht mehr lange, ich werde mir heute abend Report rein ziehen und da schaut es ziemlich schlecht aus für Rot/Grün ,


    ich hoffe die Fliegen haben dir nicht den Hals verstochen :-] auf deiner Seite des Teiches :knuddel

    Ich interessiere mich deshalb so sehr für dir Zukunft,weil ich den Rest meines Lebens in ihr verbringe. (Lansky ist ein Fan von Wikileaks)