Schreibwettbewerb November/Dezember 2013 - Thema: "Niveau"

  • Thema November 2013:


    "Niveau"


    Vom 01. bis 30. November 2013 - 18:00 Uhr könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb November 2013 zu o.g. Thema per Email an schreibwettbewerb@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 1. Dezember eingestellt. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!



    Achtung: Achtet bitte auf die Änderungen! Annahmeschluß ist ab sofort immer am Monatsletzten um 18:00 Uhr und die e-mail Adresse hat sich wie folgt geändert - schreibwettbewerb@buechereule.de

  • von Rumpelstilzchen



    „Älteste, erzähl uns was von früher“. Die kleinen Riesenhaie drängen sich um das alte Weibchen, das gemächlich durchs Wasser schwimmt und das gigantische Maul aufreißt, um das planktonhaltige Wasser zu filtern.


    Immer wollt ihr diese uralte Geschichte hören, dabei ist sie so traurig!“, murmelt die Alte, wackelt mit der großen Rückenflosse, stupst mit der langen spitzen Schnauze den vorwitzigsten Junghai ein Stück weiter weg (sie mag es gar nicht, wenn ihr etwas zu nahe kommt) und beginnt zu erzählen.


    „Vor vielen tausend Jahren war die Welt um uns herum viel bevölkerter als heute. Nicht nur die Meere waren von den unterschiedlichsten Geschöpfen bewohnt, es gab auch riesige Landmassen, Kontinente hießen die. Dort gab es Wesen, die konnten Luft atmen, manche hatten Beine und konnten laufen oder sogar springen. Einige lebten von Pflanzen, andere waren Jäger wie unsere Cousinen, die Schwertwale. Einige hatten Federn und schwammen durch die Luft, wie wir durchs Wasser, manche lebten unter der Erde und gruben Gänge und Höhlen. Es soll sogar welche gegeben haben, die im Wasser und an Land leben konnten.“


    „Und was ist aus ihnen allen geworden?“, fragt der vorwitzige kleine Hai.


    „Es gab da ein Tier, das lief auf zwei Beinen, gab sich und allem auf der Erde Namen und nannte sich selbst Homo sapiens. Diese Tiere glaubten von sich selbst, sie seien die klügsten und wertvollsten Wesen überhaupt und stünden hoch über allen anderen Geschöpfen. Wahr ist, sie konnten viele Dinge tun, die kein anderes Wesen konnte. Sie veränderten Berge, gruben Kanäle und holten aus der Erde Stoffe, aus denen sie gigantische Gebilde bauten. Manche Dinge verbrannten sie und verpesteten damit die Luft und das Wasser. Sie fingen Tiere in großer Zahl und töteten sie.


    Am Schlimmsten aber war, sie brachten riesige Eismassen, die damals noch den Norden und Süden des Planeten bedeckten, zum Schmelzen. Als das Land immer weniger wurde, weil der Meeresspiegel unaufhaltsam immer höher stieg, begannen sie, sich im Kampf um das übriggebliebene Land gegenseitig zu vernichten. Schließlich benutzten sie so schreckliche Waffen, dass kein Lebewesen auf dem Land übrig blieb und auch viele im Wasser nicht überlebten.“


    Danach schweigt die älteste der Riesenhaie, sperrt wieder ihr Maul auf und lässt das Wasser durch ihre Kiemen strömen.

  • von Inkslinger



    „Was zum Teufel soll das?“
    Harald Kempe starrte erschrocken auf die Kreatur, die ohne anzuklopfen in sein Büro gestürmt war. Sie trug einen grünen hautengen Lackanzug und die Füße steckten in übergroßen Moonboots. Auf dem Kopf thronte ein lavendelfarbener Motorradhelm mit geschlossenem Visier.


    Als der Eindringling nicht antwortete, färbte sich Kempes Gesicht purpurn.
    „So eine Unverschämtheit! Sofort raus hier, sonst rufe ich die Security!“
    „Die habe ich längst außer Gefecht gesetzt.“, erwiderte das bunte Wesen kühl. „Sie können sich Ihre Drohungen schenken, Kempe.“
    „Woher kennen Sie meinen Namen? Und wer zum Henker sind Sie?“
    „Ihr Name steht sowohl an Ihrer Bürotür, als auch auf dem Schildchen da auf Ihrem Schreibtisch. Außerdem heißt Ihre Firma Kempe Kosmetik, also war das nicht schwer zu erraten.“
    Das Wesen hob die linke Hand und zeigte auf das riesige I auf seiner Brust.
    „Ich bin I, der Idiotenjäger. Ich merze Dummheit aus, wo immer ich sie finde! Ich bin hier, um Ihre Blödheit aus der Welt zu schaffen!“


    Kempe lachte lauthals und kringelte sich in seinem Chefsessel.
    „Und wie willst du das anstellen, du Penner? Hast du irgendwelche 'Geniestrahlen' oder so einen Mist?“
    I schüttelte den Kopf.
    „Die sind noch in Arbeit. Bis dahin muss ich zu anderen Mitteln greifen.“
    Langsam öffnete er den Reißverschluss seines Anzugs und holte etwas hervor.
    „Hast du mich eben etwa blöd genannt, du hässlicher Kackvogel?!“
    I hielt in der Bewegung inne und legte den Kopf schief.
    „Diese Frage ist bereits die Antwort, Kempe. Nur ein Idiot erkennt erst Minuten später, dass er ein Idiot genannt wurde.“


    In seiner Hand hielt I einen kleinen Karton, den er auf den Schreibtisch stellte. Neugierig zog Harald den Kasten zu sich und hob den Deckel an. Seine Augen weiteten sich.
    „Bist du irre? Was soll ich mit dem Zeug?“
    Er holte den Inhalt hervor und verteilte alles auf dem Tisch. I zeigte auf die verschiedenen Utensilien, während er dem ratlosen Kempe deren Funktion im Kampf gegen die Blödheit erklärte.
    „Das Buch, das da vor dir liegt, ist der Duden. Dort findest du viele schöne Wörter und wie man sie richtig benutzt. Die Schachtel dort enthält die aktuellste Ausgabe von Trivial Pursuit. Ich werde jede Woche unangemeldet in deinem Büro oder bei dir zu Hause auftauchen und mit dir spielen. Solange, bis du mich besiegst. Und ich habe noch nie verloren...“
    „Und was, wenn ich nicht tue, was du von mir verlangst?“
    I lachte und ging auf ihn zu.
    „Dann wirst du der erste Mensch sein, an dem ich meinen selbstgebastelten Bestrafungsstrahl testen werde. Bis bald, Kempe.“


    Mit einem großen Schritt war I am Fenster. Er kletterte auf den Sims, sprang ins Blumenbeet und schon war er verschwunden. Nur der Duft von Eukalyptus und die Mitbringsel auf dem Tisch erinnerten an seinen Besuch.
    Harald ließ das Geschehene noch einmal Revue passieren und grübelte. Nach langer Zeit zuckte er mit den Schultern und murmelte:
    „Wieso sollte ich ihm nicht gehorchen? Schließlich kann er fliegen.“

  • von Marlowe



    (ein Akt in 310 Worten)


    Vorhang auf


    Tomasius: Freunde, lasst und doch über Histonius neuestes Pamphlet, die unheimliche Begegnung mit einer drittklassigen Art, reden. Voltarius, deine Meinung bitte.


    Voltarius: Eigentlich möchte ich mich zu diesem Auswurf kleingeistiger Beutungslosigkeiten nicht äußern.


    Histonius: Hört, hört!


    Churcilius: Votarius, wieso lehnst du immer gleich alles ab, war dir umsonst geboten wird?


    Voltarius: Habe ich nicht das Recht, eine mir umsonst angebotene verfaulte Frucht auszuschlagen?


    Beatrippia: Womit Voltarius noch vor dem Ende der Unterhaltung sein Fazit präsentiert hat. Bravo.


    Batcania: Selbst im schlechtesten Text könnte ein Körnchen Wahrheit zu finden sein.


    Voltarius: Na dann los, suche, finde und berichte dann.


    Batcania: Die war eine allgemeine Bemerkung zu schlechten Texten und nicht explizit zu Tomasius vorgeschlagenen von Histonius.


    Churcilius: Nun, vielleicht befruchtet unser Diskurs unseren Histonius, sich intensiver um mehr Inhalt und nicht um mehr Worte zu bemühen.


    Histonius: Ihr Schwätzer, was wisst ihr denn schon.


    Jassania: Mein lieber Histonius, was wolltest du denn eigentlich mit diesem Text ausdrücken?


    Votarius: Lasst ihm Zeit zum Nachdenken, das einzige was ich von ihm mag ist seine Mimik bei diesem erfolglosen Versuch sich mit uns auf eine Stufe zu stellen.


    Histonius: Wolkania, ich flehe dich an, sag doch auch was zu diesem neuen Text von mir.


    Wolkania, nach langem Schweigen: Die ehrlichste Art der Kritiker sich über einen nicht kritikwürdigen Text zu äußern ist ihn nicht zu erwähnen.


    Tomasius: Danke, Wolkania, sprechen wir nun also über.....


    Wolkania: Ich war noch nicht fertig, Tomasius, ich werde über die Tontafel der Mitschrift dieses Treffens Wasser gießen und die Worte löschen. Euch allen aber empfehle ich dringend den Beitrag von Adifuzis zu lesen, Kritik als Kunst oder die Kunst der Kritik. Ich bereite jetzt schon mal eine neue Tontafel über eure Unterhaltung darüber vor.
    Vorhang geht zu

  • von Kirsten S.



    Da stand er, der Sarg. Theo straffte seine Schultern und trat langsam vor. Dann zog er ein Blatt aus der Tasche seines Sakkos und glättete es, wobei seine vom Alter gezeichneten Hände leicht zitterten.
    „Liebe Anwesende“, begann er mit brüchiger Stimme.
    „Heute tragen wir Karl-Gustav zu Grabe. Seit meiner Geburt haben wir Tür an Tür gelebt, fast 85 Jahre lang.
    Karl-Gustav, lange Jahre hindurch habe ich deine Familie und dich begleitet. Aber dass du einmal vor mir zu Gott gehst, hätte ich nie gedacht, obwohl du ein paar Jahre älter warst.“ Er hielt kurz inne, um sich zu sammeln.
    „Unsere Kindheit war schön, doch dann kam dieser unselige Krieg, der uns unsere Jugend gestohlen hat. Auch diese Zeit ging zum Glück vorüber. Ich war lebensfroh, du jedoch hattest dich verändert. Und leider nicht zu deinem Besten. In den vergangenen Jahren hoffte ich mehrmals, dass du vor den Herrn trittst, um endlich Buße zu tun, aber irgendwann kam ich zu dem Schluss, dass der dort oben dich auch nicht will.“ Theo vernahm ein leises Raunen.
    „Karl-Gustav, du warst der größte Tyrann und Egoist auf Erden. Keinem, außer dir selbst, hast du Spaß oder Freude gegönnt. Ein selbstgefälliger Schönling und Blender warst du, der niemanden neben sich gleichgestellt hat. Auch ich habe eine ganze Weile zu dir aufgesehen. Doch dann hast du mir die Frau vor der Nase weggeschnappt, in die ich mich verliebt hatte. Nur um mich zu ärgern, weil ich mich nicht so verhalten habe, wie du das wolltest. Es hat lange gedauert, bis ich dich durchschaut hatte. Ich dachte wirklich, dass du Evi ehrlich zugetan warst.


    Dass du meine Evi geheiratet hast, hätte ich dir verziehen, denn sie liebte dich, damals. Aber nicht, wie du sie behandelt hast. DAS verzeihe ich dir nie. Oft genug habe ich sie schluchzen gehört, nachdem du mit ihr fertig warst.“
    Theo hatte sich in Rage geredet. Mit fester Stimme sprach er in dem totenstillen Raum weiter.


    „Und dann hast du mich auch noch überall verleumdet und schlecht gemacht. DU, der du überall angesehen warst und überall den großen Max markiert hast, nur weil du deines Vaters Geschäft geerbt hast. Ha. Nur weil ich es wagte, Evi, und später ihre Kinder, in Schutz zu nehmen. Das ginge mich nichts an, meintest du. Aber du hattest Unrecht. Evi ist die Liebe meines Lebens. Doch eine Scheidung kam nie in Frage. Eher hättest du sie umgebracht.


    Seit einigen Jahren will niemand mehr etwas mit dir zu tun haben. Auch nicht deine Kinder, denen ich eher ein Vater war, als du. Am Ende deines erbärmlichen Lebens haben dich alle durchschaut!
    Jetzt musst du hoffentlich Rechenschaft ablegen, und ich werde meine verbleibende Zeit auf Erden nutzen, um sie mit der Liebe meines Lebens zu verbringen.“


    Nach diesen Worten ging er zu Evi, die allein in der vordersten Bank saß und ihn anlächelte. Sich gegenseitig stützend verließen sie langsam die leere Friedhofskapelle, ohne sich ein einziges Mal umzublicken.