'Doktor Schiwago' - 1. Buch - Anfang bis Ein Mädchen aus anderen Kreisen

  • 1. Teil: Von „Fünfuhr-Expres“ Kapitel 1 bis „Ein Mädchen aus anderen Kreisen“ Kapitel 21



    Fünfuhr-Express (Kap. 1 - 8)


    Das Buch beginnt mit der Beerdigung von Marja Nikolaejwna, der Mutter Schiwagos. Und gleich sind die Bilder aus dem Film vor Augen, dazu die Musik. Die Dunkelheit des geschlossenen Sargs.


    Während dieses ersten Großkapitels habe ich immer wieder beide Übersetzungen verglichen. Das erste, was mir auffiel war, daß Reschke (Fischer-Klassik) von „Maria Nikolajewna Schiwago“ schreibt (3. Absatz). Das erschien mir seltsam bzw. ungewohnt. von Walter schreibt an gleicher Stelle nur von „Marja Nikolajewna.“ Ein Vergleich mit dem Original zeigt, daß das so auch in der Vorlage zu lesen ist.


    Übrigens verwende ich für die Leserunde die Namensschreibweise, wie ich sie in meinem Buch vorfinde.


    Jedenfalls habe ich endgültig beschlossen, bei der (älteren?) Übersetzung von Reinhold von Walter zu bleiben. Eine (für mein Empfinden) moderne Sprache wie in der Übertragung von Reschke paßt für mich nicht zu dem Buch, das zeitlich gerade am Beginn des 20. Jahrhunderts beginnt, und nicht dem 21. Außerdem stört mich extrem die dort verwendete Schreibweise „Shiwago“. Würde ich auf Englisch lesen, würde das passen. Aber ich lese auf Deutsch.


    Seite 16: „Wer die Wahrheit sucht, muß allein bleiben und mit all denen brechen, die sie nicht genügend lieben.“
    Über diesen Satz bin ich gestolpert.


    Der Zug bleibt also wegen eines Selbstmordes stehen. Schiwago, der Vater Jurijs, hat sich umgebracht. Der Advokat ist mit Sicherheit Komarovskij. Ob es nun gut oder nicht ist, eine Verfilmung zuvor gesehen zu haben (abgesehen davon, daß ich weiß, das im Lean-Film bei weitem nicht alles aus dem Buch verarbeitet wurde), hier habe ich sofort Gesicht und Figur von Rod Steiger als Komarovskij vor Augen. Macht aber nix, paßt nämlich. Wie die Faust aufs Auge.


    Das Gespräch zwischen, die Gedanken von Nikoai Nikoláitsch und Iwan Iwanowitsch entsprechen ziemlich genau dem, wie ich es mir zu der Zeit in Rußland vorgestellt habe. Ich denke (und hoffe), solche Stellen kommen noch viele im Buch.


    Ansonsten bin ich bisher überraschend schnell im Buch „angekommen“. Ich hatte da doch einige Zweifel. „Doktor Schiwago“ habe ich vor ungefähr fünfunddreißig Jahren gelesen. Die einzige Erinnerung, wie im Anmeldethread erwähnt, daran ist, daß ich es nicht verstanden habe. Warum, was genau - keine Erinnerung.


    Auf jeden Fall „fließt“ bei mir im Hinterkopf irgendwo immer (noch) ein stiller Don vor sich hin, und ich bin - zumal teilweise die gleiche Zeit, nur aus anderer Sichtweise behandelt wird, mehr als gespannt auf den weiteren Verlauf hier im Buch.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Ein Mädchen aus anderen Kreisen (Kap. 1 - 21)


    Kapitel 10 (S. 53): „Er war einer jener Tolstoijünger, in deren Köpfen sich die Gedanken eines rastlosen Genies in aller Ruhe niederließen, um hoffnungslos seicht und flach zu werden.“


    S. 55: „Der moderne Mensch braucht das alles nicht. Wenn die Geheimnisse des Alls seinen Geist beschäftigen, sucht er die Lösung in der Physik und nicht in den Hexametern Hesiods.“
    Eine solche (bzw. ähnliche) Einstellung hat ja nun weithin Schule gemacht. Aber ob die Welt dadurch besser geworden ist?


    Dieses Großkapitel erscheint mir wie ein Flickenteppich, wie ein zusammengesetztes Puzzle. Wir lernen verschiedene Personen und Orte kennen, die alle irgendwie wichtig sind oder werden. So taucht hier Lara erstmals auf, und es kommt zur ersten Begegnung mit Jurij, wenngleich sie davon nichts mitbekommt.


    Komarovskij hat auch wieder seine Hand im Spiel (kein Wunder), am Ende des Abschnitts erfährt Jurij sogar, wer das ist. Aber ich habe das Gefühl, er hat nicht zugehört bzw. es interessiert ihn (noch?) nicht.



    Einige Unterschiede der Übersetzungen:


    Kap. 3, die Directrice, wird bei Reinhold von Walter (RvW) mit „Faina Ssilantjewna Fetissowa“ bezeichnet, Reschke (R) nennt sie „Faina Fetissowa“. Im Original findet sich die erstere Schreibweise.


    Bei RvW finden sich im Text Anmerkungen sowie Hinweise auf Bezüge, die sich dem heutigen Leser nicht erschließen. Solche fehlen mir in der anderen Übersetzung.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Was mir nicht zum ersten Mal auffällt: Die Eingangsszene, die beschriebene Kälte, der Trauergesang, der Junge – das alles erscheint mir gewissermaßen trostlos, es ist keine Szene, die mich gleich lockt. Eher das Gegenteil tritt ein: Den „Doktor Schiwago“ lese ich jetzt zum vierten oder fünften Mal, aber jedes Mal muss ich nach der ersten Seite, der ersten Szene innehalten. Es lockt zwar nicht, aber es nimmt doch gefangen. Das Kind, die beschriebene Haltung („... so hebt ein Wolf den Kopf in die Höhe, bevor er zu heulen beginnt...“), da schwingt für mich weniger ein prosaischer, sondern vielmehr ein poetischer, ja lyrischer Moment mit, da ist in wenigen Worten und für einen Moment die Einsamkeit personifiziert. Dieses Bild trage ich wieder lange mit mir, und es ist ein Seltsames, einerseit möchte ich den Jungen am liebsten trösten, andererseits würde ich es fast Scheu nennen, die mich daran hindern würde, wenn es denn möglich wäre. Versteht man, was ich meine? Es spielt auch keine Rolle, dass ein Mann kommt und ihn fortführt, in diesem einen Moment ist das Kind vollkommen einsam. Die Spannung, die Frage, die mich nach der Eingangsszene wieder weiterlesen lässt: Wird etwas von dieser Einsamkeit bleiben? Und wird er sich daran erinnern, wird sein Schöpfer – Pasternak – dulden oder darauf aufbauen, dass dieser Moment im Leben des heranwachsenden Kindes und späteren Erwachsenen beeinflussende Wirkung haben wird, haben kann? Ach je, ich wünschte, mir stünden bessere als meine mageren Mittel zur Verfügung, um auszudrücken, was ich meine.


    Wir befinden uns zunächst 1903 (steht in IV) und es gibt Hinweise auf Unruhen, von Seiten der Bauern, von Seiten der Arbeiter, erwähnt wird ein Millionär, der Sympathien für die Arbeiter hat und Streiks in seinem eigenen Betrieb organisiert, es ist ein nicht sehr friedliches Hintergrundbild, aber eben doch ein Bild, das den Hintergrund abbildet. Mehr ist es für mich in dieser Phase des Romans nicht.


    Was mich ja ziemlich erstaunt hat, waren die Folgen, die die Rückversetzung in den Laienstand von Nikolai Nikoláitsch hatten: Keine Anstellung im Staatsdienst für lange Zeit, darf nicht in Moskau oder in Petersburg wohnen (wird in V erwähnt). Erstaunlich. Erstaunlich auch, wie viele Fragen sich gleich auf den ersten Seiten wieder für mich auftun: Die Vorgeschichte der Aufstände, was und wie viel wussten eigentlich die russischen Leser Ende der 1950er Jahre, so der Roman in Russland hätte erscheinen können, über diese ihre Geschichte, wie war eigentlich das Verhältnis von Kirche und Staat, welche Einflussmöglichkeiten hatte die Kirche, wenn solches, wie beschrieben, möglich resp. nicht möglich war?


    Juras Vater also ein Selbstmörder. Der Anwalt, ein „dicker und anmaßender Advokat“ (in VII), der offensichtlich auf eigene Rechnung „spielt“. So wird er einem von Anfang an unsympathisch. Man ahnt natürlich gleich, dass er noch eine Rolle spielen wird.


    Mir gefällt sehr, wie Lara beschrieben wird. Ja, gut, in IV sagt Pasternak, sie sei sei „außergewöhnlich hübsch“. Aber zwischen hübsch und schön besteht doch ein Unterschied, und nach der weiteren Beschreibung ab „Sie bewegte sich..“ bis „...alles schien wunderbar aufeinander abgestimmt zu sein“ erscheint sie mir schlicht als Schönheit.


    Die Beschreibungen über die Arbeiter bei der Eisenbahn etc. müssten den russischen Zensoren doch eigentlich gefallen haben, besonders dieser eine Satz in VI, der mit „Diese Welt der Lüge und Niedertracht...“ beginnt. Das war ja fast eine Aufforderung, etwas zu ändern, auf die Barrikaden zu gehen.


    Pasternak ist schon ein unglaublicher Beobachter und er findet Worte für den Gegenstand seiner Beobachtung, die mir mehr als Respekt abnötigen. In X gibt es eine Beschreibung zu einem Mann, die einfach nur wunderbar ist, man muss gar nicht erst viel Äußerliches beschrieben bekommen, nein, was da steht, reicht voll und ganz (ich meine den Satz, der mit „Er war einer jener Tolstoijünger...“ beginnt). Und erst seine Beschreibung des Hundes (in XIII - „Er war auf Lara eifersüchtig ...“ - den wichtigeren Teil des Satzes erwähne ich nicht). Oder diese Szene zwischen Mädchen und Mann in XXI, sie sitzt schlafenderweise am Eßtisch und wacht vom Schein der Lampe auf und dann …! Mischa hat den Mann jedenfalls erkannt und – wie ich vermute – mit ihm auch der Leser. Aber wie passt das zusammen, der „gutaussehende Mann ...“ aus XIV mit dem in VII beschriebenen Advokaten? Außer, wenn man als Erklärung akzeptiert, dass Lara einen anderen Blick auf ihn hat als die Fahrgäste in dem Zug. Einen intimeren, sozusagen?


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    Habt ihr euch eigentlich auch schon einmal gefragt, was das eigentlich im Klartext heißt, dieses „ideologisch unhaltbar“, dessentwegen der Schiwago in der UdSSR nicht erscheinen durfte? In dieser Beziehung war ich mehr als neugierig und habe zwei Herren befragt, die mir auch in ihren Büchern bereitwillig Auskunft gaben:
    Reinhard Lauer hat in seiner – wie ich finde – großartigen „Geschichte der russischen Literatur“ darüber einiges zu sagen. Der Roman wurde vom Redaktionskollegium der Zeitschrift Novyj mir, der Pasternak sein Werk angeboten hatte, abgelehnt, die Namen der Herren lauten übrigens Fedin, Lavrenev und Simonov. Neid vermutet Lauer als einen der Gründe, auch die Tatsache, dass Pasternak die Wertigkeit vom Leben an sich, von den Verhältnissen, seien es die politischen, gesellschaftlichen, ideologischen, anders einordnet als von den Instanzen gewünscht.
    (Im Buch Seiten 795 – 798). In der Beziehung unterscheidet er sich meiner Meinung nach deutlich von Scholochow.
    Wikipedia erzählt zu Fedin und Simonov Interessantes.


    Übrigens nennt Lauer drei Werke als die eindringlichsten Bürgerkriegsromane: „Der stille Don“ - den haben wir gelesen; „Doktor Schiwago“ - den lesen wir jetzt; dazu zählt er auch die Trilogie „Der Leidensweg“ von Akesej Tolstoj. Nicht, dass ich jetzt irgendetwas andeuten wollte … :grin


    Noch deutlicher als Lauer wird übrigens Orlando Figes in seinem – für mich – grandiosen Buch „Die Flüsterer“ (Berlin Verlag, ich besitze ein Exemplar der 4. Auflage 2008). Dort erwähnt er unter anderem zu diesem Thema, dass Simonov der Meinung war, Pasternak habe die russische Intelligenzija in einer Art dargestellt, nach der sie sich der Pflichtverletzung gegenüber Volk, Kultur und außerdem der Humanität schuldig gemacht hätten. Das sei, so Simonov, „antisowjetisch“ und noch manches mehr. Diese Worte, dieses Urteil ist wahrlich ein tödliches. Der arme Pasternak – und dennoch ein kleines Wunder, dass er nicht mit dem Schlimmsten konfrontiert wurde.


    ---

  • Zitat

    Original von SiCollier


    Kapitel 10 (S. 53): „Er war einer jener Tolstoijünger, in deren Köpfen sich die Gedanken eines rastlosen Genies in aller Ruhe niederließen, um hoffnungslos seicht und flach zu werden.“


    Der Satz ist mir förmlich wieder ins Auge gesprungen - und ich habe eine vollständige und vollkommene Vorstellung von dem Herrn. :grin

  • Ich hatte heute kaum Zeit zu lesen und bin erst durch den "Fünfuhr-Express" durch.
    das Wochenende ist für mich zum Lesen immer ziemlich ungünstig, denn die Familie verlangt Aufmerksamkeit, die ihr zusteht.
    Nun zum Buch:


    Zitat

    Original von SiCollier
    Fünfuhr-Express (Kap. 1 - 8)


    Das Buch beginnt mit der Beerdigung von Marja Nikolaejwna, der Mutter Schiwagos. Und gleich sind die Bilder aus dem Film vor Augen, dazu die Musik. Die Dunkelheit des geschlossenen Sargs.


    Schon mit dieser ersten Szenen hat Pasternak mich eingefangen. Ich bin im Roman, bin in diesen atmosphärischen Beschreibungen, der Gemächlichkeit und bei den Figuren, die sich nicht scheuen große Gefühle zu zeigen oder auch große Kälte.
    Ich bin froh, dass ich keine Verfilmung kenne. Obwohl ich das Buch vor 20 Jahren gelesen habe, sind alle Eindrücke und die Bilder, die in meinem Kopf entstehen neu und unverbraucht und auch nicht von denen aus einem Film besetzt.


    Zitat

    Jedenfalls habe ich endgültig beschlossen, bei der (älteren?) Übersetzung von Reinhold von Walter zu bleiben. Eine (für mein Empfinden) moderne Sprache wie in der Übertragung von Reschke paßt für mich nicht zu dem Buch, das zeitlich gerade am Beginn des 20. Jahrhunderts beginnt, und nicht dem 21. Außerdem stört mich extrem die dort verwendete Schreibweise „Shiwago“. Würde ich auf Englisch lesen, würde das passen. Aber ich lese auf Deutsch.


    Ich lese die Übersetzung von von Walter.


    Zitat

    Das Gespräch zwischen, die Gedanken von Nikoai Nikoláitsch und Iwan Iwanowitsch entsprechen ziemlich genau dem, wie ich es mir zu der Zeit in Rußland vorgestellt habe. Ich denke (und hoffe), solche Stellen kommen noch viele im Buch.


    Das ist für mich auch so einen typische Szene: zwei Männer philosophieren während sie darauf warten, dass der Tee im Samowar fertig wird. Ich bekomme sofort Lust, russisch Tee zu trinken, aber ich habe ja keinen Samowar. :-(
    Über den Satt muss ich noch mal nachdenken(von SiCollier auch zitiert, nur kürzer):
    "Der Herdentrieb ist letzte Zuflucht für Unbegabte, ob es sich nun um die Anhänger von Ssolowjow, Kant oder Marx handelt.Wer die Wahrheit sucht, muss allen bleiben und mit all denen brechen,die nicht genügend lieben. Wie viele Dinge in dieser Welt verdienen wirklich unsere Treue? Es sind wenig genug, wie mir scheint."


    Zitat

    Auf jeden Fall „fließt“ bei mir im Hinterkopf irgendwo immer (noch) ein stiller Don vor sich hin, und ich bin - zumal teilweise die gleiche Zeit, nur aus anderer Sichtweise behandelt wird, mehr als gespannt auf den weiteren Verlauf hier im Buch.


    In der genannten Szene kommt auch ein Fluss vor, der sich wie ein Band aus Silber durch die Landschaft schlängelt. Ich musste auch gleich daran denken.

  • Zitat

    Original von Lipperin
    Was mir nicht zum ersten Mal auffällt: Die Eingangsszene, die beschriebene Kälte, der Trauergesang, der Junge – das alles erscheint mir gewissermaßen trostlos, es ist keine Szene, die mich gleich lockt. Eher das Gegenteil tritt ein: Den „Doktor Schiwago“ lese ich jetzt zum vierten oder fünften Mal, aber jedes Mal muss ich nach der ersten Seite, der ersten Szene innehalten. Es lockt zwar nicht, aber es nimmt doch gefangen. Das Kind, die beschriebene Haltung („... so hebt ein Wolf den Kopf in die Höhe, bevor er zu heulen beginnt...“), da schwingt für mich weniger ein prosaischer, sondern vielmehr ein poetischer, ja lyrischer Moment mit, da ist in wenigen Worten und für einen Moment die Einsamkeit personifiziert.


    Ich habe diesen ganzen Abschnitt hindurch überlegt, ob es nun gut war oder nicht, daß ich die Lean-Verfilmung erst kürzlich gesehen und die Bilder noch recht deutlich im Kopf habe. Gerade diese Eingangsszene des Buches ist für mich im Film (wo sie erst nach einiger Zeit kommt) eine der eindrucksvollsten, eben in Verbindung mit der Musik, dann dem Gesang - und plötzlich fällt der Sargdeckel zu. Dunkelheit.


    „Lyrischer Moment“ hätte Pasternak, der sich mW vor allem auch als Lyriker verstand, sicherlich gefallen.


    Den geschichtlichen Hintergrund (Aufstand von 1905) müßte ich eigentlich viel deutlicher präsent haben, da ich vor einiger Zeit erst ein Buch über die Russische Revolution gelesen habe. Aber es war wohl zu sachbuchmäßig, es ist (leider) nur wenig hängen geblieben, so daß ich da noch mehr zu lesen muß (oder fange ich jetzt schon an zu verkalken? :alter )



    Zitat

    Original von Lipperin
    Was mich ja ziemlich erstaunt hat, waren die Folgen, die die Rückversetzung in den Laienstand von Nikolai Nikoláitsch hatten:


    Das fand ich zwar interessant so direkt zu lesen, aber richtig erstaunt hat es mich nicht. Das paßt zu dem, was ich über die Russisch Orthodoxe Kirche weiß, von der zumindest Teile wohl während der Zeit der UdSSR recht enge Verbindungen zum Staat hatten, was vorher sicherlich auch schon so war.



    Zitat

    Original von Lipperin
    Habt ihr euch eigentlich auch schon einmal gefragt, was das eigentlich im Klartext heißt, dieses „ideologisch unhaltbar“, dessentwegen der Schiwago in der UdSSR nicht erscheinen durfte?


    Oh ja, das frage ich mich die ganze Zeit über, bisher konnte ich noch nichts entdecken, was den Zensor gestört haben könnte. Aber ich habe natürlich eine „sehr westliche“ Sichtweise. Dennoch, wenn ich an den „Stillen Don“ denke - noch verstehe ich es nicht.


    Vor Lesebeginn habe ich im Anhang der Fischer-Klassik Ausgabe den Artikel aus „Kindlers Literaturlexikon“ gelesen. Dort heißt es sinngemäß, daß das Problem dadurch entstand, daß der Roman parallel zur Einsendung an sowjetische Zeitschriften an Feltrinelli ging und der Roman im Westen veröffentlicht wurde. Damit drehte sich der Wind und das Buch war in der UdSSR nicht mehr publizierbar.



    Zitat

    Original von Lipperin
    (...) dass Pasternak die Wertigkeit vom Leben an sich, (...)


    Das entspricht etwa dem, was dem Poeten Schiwago in der Verfilmung von den Sowjets vorgeworfen wird, weshalb seine Werke nicht mehr erscheinen dürfen. Wie gesagt, ich kenne bisher nur die Verfilmung, von der ich weiß, daß sie vor allem den Aspekt der Liebesgeschichte zwischen Schiwago und Tonja sowie Schiwago und Lara in den Mittelpunkt stellt und viele gesellschaftliche und politische Bezüge außer Acht läßt. Auch deswegen bin ich so gespannt auf das Buch.



    Zitat

    Original von Lipperin
    (...) dazu zählt er auch die Trilogie „Der Leidensweg“ von Akesej Tolstoj. Nicht, dass ich jetzt irgendetwas andeuten wollte … :grin


    Zu spät. Ich geh mal suchen ... :grin



    Und danke für die Buchhinweise, sind notiert. :-)




    Zitat

    Original von Clare
    (...) das Wochenende ist für mich zum Lesen immer ziemlich ungünstig, denn die Familie verlangt Aufmerksamkeit, die ihr zusteht.


    Das ist bei mir genau anders: am Samstag und Sonntag kann ich meist am leichtesten ein, zwei oder sogar drei Stunden (am Stück) fürs Lesen aufbringen. Während der Woche manchmal zwei Tage in Folge überhaupt keine.


    Samowar habe ich auch leider keinen, obwohl ich seit Jahren davon träume. Man soll die Hoffnung nie aufgeben. Mal sehen, nach dem Umzug nächstes Jahr, was sich dann ergibt.



    Wie gesagt, ich bin mir nicht sicher, ob es für mich gut oder schlecht ist, daß ich die Lean-Verfilmung kenne. Die Schauspieler wurden jedenfalls sehr gut gewählt. Aber z. B. die Szene mit dem Selbstmordversuch der Mutter Laras ist im Film anders und (was Schiwago betrifft) einige Jahre später angesiedelt.




    Ich habe jetzt nochmals nachgelesen. Der Satz:
    „Wer die Wahrheit sucht, muß allein bleiben und mit all denen brechen, die sie nicht genügend lieben.“
    heißt bei Reschke:
    „Nach der Wahrheit suchen nur Einzelgänger, und die brechen mit all denen, die sie nicht genug lieben.“ (Fischer Klassik S. 16)

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Guten Morgen!
    Ich oute mich hier mal als äußerst gespannte Zaungästin, die eure Beiträge sehr interessiert verfolgt. Vielen Dank. Allerdings habe ich nur die Verfilmung im Kopf, das - nie zu Ende gelesene - Buchexemplar weilt bei meiner Mutter.
    Jetzt fürchte ich ein wenig, wenn ihr euch erst einmal über die verschiedenen threads verteilt, dass man nicht mehr so gut erkennen kann, in welcher Reihenfolge diese angesiedelt sind. Ob man die mit Zahlen versehen könnte?
    Schönen Sonntag!
    :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von SiCollierDieses Großkapitel erscheint mir wie ein Flickenteppich, wie ein zusammengesetztes Puzzle. Wir lernen verschiedene Personen und Orte kennen, die alle irgendwie wichtig sind oder werden.


    So geht es mir auch und ich muss sagen, ich habe schon wieder Mühe, mit den Namen und Orten mitzukommen und nicht alles durcheinanderzuwerfen. Am besten, ich drucke mir das Personenverzeichnis nochmal aus und lege es neben das Buch...


    Bisher bin ich nur mäßig begeistert, was vermutlich daran liegt, dass mir irgendwie (noch) der rote Faden fehlt :gruebel


    Die Liaison zwischen Lara und dem Rechtsanwalt macht mir beide Personen unsympathisch. Mal schauen, wie das weitergeht, ich kenne weder Buch noch Film und bin daher völlig unvoreingenommen.


    Manche Dialoge erscheinen mir so dermaßen "russisch", dass ich mich immer wieder frage, worauf genau dieser Eindruck eigentlich beruht? Erklären kann ich das nicht, aber beispielhaft ist dieses:
    "Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß der Umgang zwischen Sterblichen unsterblich ist und das Leben symbolisch, weil voller Bedeutung." "Ich verstehe kein Wort. Sie sollten ein Buch darüber schreiben." (Wywolotschnow und Wedenjapin)
    Letzterem kann ich mich nur anschließen :grin

  • Gesteern habe ich pünktlich mit dem Buch begonnen, bin allerdings nur bis zu Seite 62 gekommen.


    Wie auch Lipperin schon schrieb, hielt auch ich nach dem 1 Kapitel inne. Es liegt wohl an der russischen Seele, dass die Romane so oft schwermütig beginnen (eigentlich fällt mir keiner ein, der anders beginnt).


    Danke auch für Buchtipps. Der Leidensweg steht auch in meinem Regal. Schon seit Jahren plane ich eine Lektüre ein. "Lara. Meine Zeit mit Pasternak" und die russische Literaturgeschichte sind auf den Wunschzettel gewandert.


    Ich lese noch ein wenig parallel die Übersetzung von Reschke und die von Walther.


    Zitat

    Original von Clare


    Ich lese die Übersetzung von von Walter.


    Das "Shiwago" stört mich auch. Die Übersetzung von Walther wirkt russischer, stimmiger. Aber wenn ich dann wieder einmal schaue wie es in der Fischer Klassik Ausgabe übersetzt ist, bleibe ich auch schon mal hängen. Außerdem ist das Fischer TB handlicher und passt besser in die Tasche. Das wird wohl ab morgen dann ein Argument für das TB sein.


    Auch meine Gedanken gehen immer wieder an den Don. Ich glaube, wenn wir beide Romane gelesen haben, haben wir einen guten Überblick über das Leben in Stadt und Land im damaligen Russland.


    Den Schiwago habe ich bisher noch nicht gelesen, ich habe vor Jahren den Film gesehen, aber präsent ist in erster Linie die Musik davon.


    So, nun koche ich mir einnen Kaffee und dann wird gelesen.

  • Den ersten Abschnitt habe ich gelesen und mit dem nächsten bereits angefangen und meine Befürchtungen, dass mich die Lektüre eher langweilen könnte, haben sich nicht bestätigt.


    Tatsächlich empfinde ich einen Lesesog, selbst auf diesen ersten siebzig Seiten, in denen viele Personen vorgestellt werden, von denen man zunächst nicht weiß, wie sie zusammengehören und ob es jemals eine Verbindung zwischen ihnen geben wird. Natürlich gibt es sie, das kristallisiert sich nach und nach bereits in diesem Abschnitt heraus und das macht es spannend.


    Pasternaks Erzählweise empfinde ich als spröde, sehr zurückgenommen, mehr im Stil eines Berichts als eines Romans. Sie erlaubt für mich zunächst keine Annäherung an die Personen, doch dann gibt er ein kleines Detail einer Person preis (wie ihr oben schon erwähnt habt mit dem Tolstojjünger) oder die Art und Weise in der er beschreibt, was Komarovskij empfindet, als er Lara schlafend im Arm hält und auf ihr offenes Haar blickt. Diese Szenen bringen mir die Protagonisten sehr nah und machen sie ohne große Personenbeschreibung greifbar. Das gefällt mir sehr gut.


    Interessant auch Pasternaks Exkurse in die Philiosophie, insbesondere wenn er Nikoai Nikoláitsch sinnieren lässt.


    Bezüglich der politischen Zustände um den Beginn des 20. Jahrhunderts in Russland musste ich auch erst einmal das Geschichtslexikon zu Rate ziehen, um zumindest einen groben Überblick über den Rahmen zu bekommen, in den die Handlung eingebetet ist. Und mir wurde wieder einmal klar: Lesen bildet :grin.


    Den Film habe ich vor Ewigkeiten einmal gesehen, die Erinnerung daran ist so vage, dass ich das Buch völlig unbelastet lesen kann und bislang kann ich sagen, dass ich mich freue, mich darauf eingelassen zu haben.


    edit Rechtschreibung

  • Zitat

    Original von Karthause
    Auch meine Gedanken gehen immer wieder an den Don. Ich glaube, wenn wir beide Romane gelesen haben, haben wir einen guten Überblick über das Leben in Stadt und Land im damaligen Russland.


    Die Leserunde zum stillen Don habe ich auszugsweise verfolgt und hatte das Buch danach auf meine Wunschliste gesetzt, es aber völlig aus dem Fokus verloren. Das wird mir wohl nicht noch einmal passieren.

  • Zitat

    Original von maikaefer
    Ob man die mit Zahlen versehen könnte?


    Daran hätte ich wohl bei der Anmeldung denken müssen (was ich aber nicht habe). Es war schon schwierig, überhaupt eine Einteilung, die für jeden verständlich ist bzw. in jedes Buch paßt, zu erstellen, weil es seitenzahlmäßig nicht geht, da in jeder Ausgabe andere Seiten gelten.


    Ich habe jetzt in jeden Abschnitt einen Beitrag geschrieben. Der enthält eine laufende Nummer (wodurch sich die Reihenfolge ergibt) sowie nochmals genauere Angaben zu den Kapiteln. Da allerdings jedes Großkapitel mit 1 beginnend durchnummeriert ist, sind diese Angaben wohl nur für die interessant bzw. aufschlußreich, die auch mitlesen.


    Sorry für die Verwirrung, aber Pasternak hat beim Schreiben des Buches offensichtlich nicht an die Probleme, die eine Leserundeneinteilung mit sich bringt, gedacht. ;-) :wave



    Edit: verlinktes Buch, siehe mein gleich kommendes Post hier.
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von SiCollier ()

  • Hallo und guten Abend!


    Ich habe auch gestern mit dem Lesen begonnen, bin aber mangels Lesezeit gestern und heute erst auf S. 42.


    Bisher habe ich zwei Dinge festgestellt. Erstens, das Buch entwickelt eine Atmosphäre, die mich neugierig macht weiterzulesen, worüber ich schonmal froh bin, denn Bücher über 400 Seiten machen mir zunehmend Schwierigkeiten aufgrund der langen Zeit, die ich mich damit beschäftigen muss.


    Zweitens, die Sprache in meiner Übersetzung von Thomas Reschke erscheint mir teilweise holperig und mißverständlich. Zumindest zum Teil scheint dies an der Übersetzung zu liegen, wie mir der Vergleich oben zu dem Satz "Nach der Wahrheit suchen nur Einzelgänger, und die brechen mit all denen, die sie nicht genug lieben." sehr schön verdeutlicht.


    Mit der Thematik Qualität bzw. Moderne von Übersetzungen habe ich mich bislang noch nicht ausführlich beschäftigt, aber in letzter Zeit begegenet es mir öfter. Ich finde es eure Kommentare dazu interessant.


    So, jetzt will ich mal weiterlesen!

  • Zitat

    Original von SiCollier
    ...
    Samowar habe ich auch leider keinen, obwohl ich seit Jahren davon träume. Man soll die Hoffnung nie aufgeben. Mal sehen, nach dem Umzug nächstes Jahr, was sich dann ergibt.


    Ich kenne Tee aus dem Samowar auch nur von einer Reise nach Moskau vor vielen Jahren(1987). Ich würde ihn jetzt, wo mir starker, schwarzer Tee auch schmeckt, gerne noch einmal probieren, wobei Marmelade im Tee, wie sie dazu gereicht wurde, schon recht gewöhnungsbedürftig ist.

  • Den zweiten Abschnitt habe ich zwar schon fertig, weiß aber nicht, ob ich heute noch dazu komme, meinen Kommentar zu schreiben.


    Ein Personenverzeichnis befindet sich zu Beginn meiner Ausgabe. Das habe ich schon des Öfteren benutzt, nur um immer wieder festzustellen, daß das eher unvollständig ist. Einige Nebenfiguren, die öfter auftauchen, fehlen in demselben. Allerdings entsinne ich mich, zu dem Buch gelesen zu haben, daß zu Beginn ein sehr zahlreiches Personal auftaucht, was sich im späteren Verlauf des Buches reduziert. Nun, man wird sehen.



    Zitat

    Original von Hallorin
    Manche Dialoge erscheinen mir so dermaßen "russisch", dass ich mich immer wieder frage, worauf genau dieser Eindruck eigentlich beruht?


    Geht mir ähnlich, und ich habe mir die gleiche Frage auch schon gestellt.



    Zitat

    Original von Hallorin
    Bisher bin ich nur mäßig begeistert, was vermutlich daran liegt, dass mir irgendwie (noch) der rote Faden fehlt


    Hm, ich bin schon ziemlich begeistert, auch vor der in meinem ursprünglichen Eröffnungspost genannten 100-Seiten-Grenze. In manchen Dingen habe ich das Gefühl, als ob Pasternak erst mal - um ein Bild zu benutzen - die einzelnen Garnrollen beschreibt und vorstellt, ehe er beginnt, diese auf den Webstuhl zu spannen und miteinander zu verweben. Eine sehr deutliche - auch verbal ausgedrückte - „Verwebung“ findet sich gegen Ende des nächstes Abschnitts.



    Zitat

    Original von Karthause
    Es liegt wohl an der russischen Seele, dass die Romane so oft schwermütig beginnen (eigentlich fällt mir keiner ein, der anders beginnt).


    Tja die vielgerühmte russische Seele. Ich kenne die ja nur aus Büchern und Filmen, und daß ich die jemals „live“ erleben werde, ist auch eher unwahrscheinlich. Aber irgendetwas muß dran sein. Ich habe heute (wieder mal) eine Tschaikowskij-Sinfonie gehört, und selbst das klingt für mich „russisch“ (wobei Tschaikowskij in seiner Orchestration meist sehr typisch klingt).



    Zitat

    Original von Karthause
    Ich glaube, wenn wir beide Romane gelesen haben, haben wir einen guten Überblick über das Leben in Stadt und Land im damaligen Russland.


    Ja, das denke ich auch. Zumal einer von einem linientreuen Schriftsteller geschrieben wurde, während der andere nicht erscheinen durfte.



    Zitat

    Original von AlexBerg
    Pasternaks Erzählweise empfinde ich als spröde, sehr zurückgenommen, mehr im Stil eines Berichts als eines Romans.


    ich bin mir noch nicht im Klaren darüber, wie ich seinen Stil, seine Erzählweise empfinde. Nüchtern und doch beseelt - klingt konfus, aber genauer geht es momentan (noch?) nicht.



    Zitat

    Original von AlexBerg
    Bezüglich der politischen Zustände um den Beginn des 20. Jahrhunderts in Russland (...)


    Als Folge des „Stillen Don“ letztes Jahr habe ich vor einiger Zeit über den 1. Weltkrieg sowie die Russische Revolution gelesen. Aber leider ist weniger hängen geblieben, als erhofft. Ich habe noch zwei Bücher zum Thema hier (die letzten waren aus der Stadtbücherei ausgeliehen), die ich wohl bald nach dieser Leserunde angehen werde. (Das zweite Buch habe ich jetzt in meinem vorigen Post verlinkt.)



    Zitat

    Original von Buchfink
    Mit der Thematik Qualität bzw. Moderne von Übersetzungen habe ich mich bislang noch nicht ausführlich beschäftigt, aber in letzter Zeit begegenet es mir öfter.


    Ich habe bisher für drei Bücher ausführlich Übersetzungen verglichen:
    -J. R. R. Tolkien „Der Herr der Ringe“
    -Fjodor M. Dostojewskij „Schuld und Sühne“ (= „Rodion Raskolnikoff“ = Verbrechen und Strafe“)
    - Selma Lagerlöf „Gösta Berling“ (siehe hier diesen Beitrag)
    In allen drei Fällen ging es für mich eindeutig zugunsten der jeweils älteren Übersetzung aus. Ich habe schon ein paar Zettel im Buch stecken, weil ich hoffe, auch für „Doktor Schiwago“ die beiden Übersetzungen etwas vergleichen zu können.
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von Hallorin
    ...
    Die Liaison zwischen Lara und dem Rechtsanwalt macht mir beide Personen unsympathisch. Mal schauen, wie das weitergeht, ich kenne weder Buch noch Film und bin daher völlig unvoreingenommen.


    Ich weiß nicht so recht, wie ich speziell Lara in diesem Fall einschätzen soll. Erst schien sie mir kurz das naive Ding, das sich verführen lässt. Andererseits merkt sie schnell, dass er, also Komarovskij, sich in Abhängigkeit zu ihr begeben hat und sie Macht über ihn hat.
    Unsympathisch macht ihr heimliches Verhältnis sie mir momentan nicht.


    Zitat

    Manche Dialoge erscheinen mir so dermaßen "russisch", dass ich mich immer wieder frage, worauf genau dieser Eindruck eigentlich beruht? Erklären kann ich das nicht, aber beispielhaft ist dieses:
    "Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß der Umgang zwischen Sterblichen unsterblich ist und das Leben symbolisch, weil voller Bedeutung." "Ich verstehe kein Wort. Sie sollten ein Buch darüber schreiben." (Wywolotschnow und Wedenjapin)
    Letzterem kann ich mich nur anschließen :grin


    Ich weiß, was du meinst. :-]
    Allerdings muss ich sagen, dass ich diesen speziellen Charakter russischer Klassiker, den ich so liebe, noch nicht im Übermaß in diesem Roman finde.
    Vielleicht liegt es auch am Wetter. Ich lese die Russen am Liebsten im Winter. Draußen ist es einfach zu warm. ;-)

  • Zitat

    Original von SiCollier


    Oh ja, das frage ich mich die ganze Zeit über, bisher konnte ich noch nichts entdecken, was den Zensor gestört haben könnte. Aber ich habe natürlich eine „sehr westliche“ Sichtweise. Dennoch, wenn ich an den „Stillen Don“ denke - noch verstehe ich es nicht.


    Vor Lesebeginn habe ich im Anhang der Fischer-Klassik Ausgabe den Artikel aus „Kindlers Literaturlexikon“ gelesen. Dort heißt es sinngemäß, daß das Problem dadurch entstand, daß der Roman parallel zur Einsendung an sowjetische Zeitschriften an Feltrinelli ging und der Roman im Westen veröffentlicht wurde. Damit drehte sich der Wind und das Buch war in der UdSSR nicht mehr publizierbar.


    Die Weitergabe des Manuskriptes nach Italien (wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass eine gleichzeitige Veröffentlichung in der UdSSR und in Italien geplant war ursprünglich) und die dortige zunächst alleine Herausgabe des Romans spielte, so wie ich es gelesen habe, die vordergründige, besonders im westlichen Europa verbreitete Ansicht.
    Etwas interessantes habe ich noch gefunden: Falls jemand von euch die Zeitschrift Sinn und Form liest, in der Ausgabe 2/1988 gibt es einen Beitrag von Wenjamin Kawerin über Pasternak, in dem er auch auf den Schiwago und das Veröffentlichungselend darum eingeht. Er sagt dort, dass die Beschuldigung letztlich darauf hinauslief, dass "Pasternak in der Meinung, die Revolution sei misslungen, das Volk verleumdet und verraten und den Marxismus der "Unwissenschaftlichkeit" bezichtigt" habe (Zitat aus der genannten Ausgabe, Seite 270). Das deckt sich mit dem von Figes Erwähnten und ist, so meine ich, für einen Autor in der damaligen Lage fatal, hätte tödlich enden können. Kawerin bemerkt im Weiteren übrigens, dass der Schriftstellerverband nicht nur Pasternak ausschloss, sondern sogar forderte, man möge ihm die Staatsbürgerschaft aberkennen.
    Wenn man es so bedenkt, ist es ja doch ein Wunder, was er angesichts dessen geschaffen hat. Und wenn man außerdem bedenkt, dass auch er anfangs Stalin - ob nun freudig, weiß ich nicht, aber immer - begrüßte. Aber geschützt wurde er ja doch, von wem oder was auch immer.

  • Ich habe bisher auch noch nichts offen verfängliches gefunden, aber das kommt vielleicht noch.
    Danke für die Informationen!
    Ich wusste bisher eigentlich nichts über Pasternaks Leben.


    Ich muss schon sagen, ich genieße die Leserunden mit euch wirklich!
    Ich erfahre so viel Neues! :wave

  • Zitat

    Original von SiCollier


    Geht mir ähnlich, und ich habe mir die gleiche Frage auch schon gestellt.



    Das geht, glaube ich, vielen so. Selbst wenn man nicht weiß, von wem etwas ist, aus irgendeinem Grund erkennt man einen russischen - oder muss man sagen slawischen? - Autoren. In der Regel jedenfalls.



    Den Film habe ich übrigens nie gesehen. Ich glaube auch nicht, dass ich ihn mir anschauen würde, ich habe ein Bild von den handelnden Personen, das mag ich mir nicht wegnehmen bzw. überlagern lassen. Die Musik habe ich mir allerdings jetzt angehört, es ist ja ... nun ja ... ziemlich eingängig. Ich würde nicht sagen wollen, dass ich diese Melodie mit dem Roman in Verbindung bringen würde, eher ... da ich schon im zweiten Abschnitt bin ... ich musste hin und wieder an Strawinskys Sacre denken.


    Edit macht mich darauf aufmerksam, dass ich verstärkt darauf achte, mal Skrjabin-Anklänge zu "hören", fühlen. Jener war für Pasternak Vorbild, er begann seinetwegen Musik zu studieren. Daran muss ich immer wieder denken, wenn ich Bilder von Pasternak sehe, er hat wirklich Pianistenhände.