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'Doktor Schiwago' - 1. Buch - Weihnachten bei Sventizkijs bis Herangereifte Unvermeidlichkeiten
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2. Teil: Von „Weihnachten bei Sventizkijs“ Kapitel 1 bis „Herangereifte Unvermeidlichkeiten“ Kapitel 14
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„Weihnachten bei Sventizkijs“
Laras Bruder hat als praktisch alles verspielt, was sie sich in mühevoller Arbeit aufgebaut hatte. Aber zu glauben, daß Komarovskij sich geändert haben könnte, finde ich doch ziemlich naiv.
S. 107 (Ende Kap. 15): „In seinem Zugehörigkeitsgefühl zu den höheren Mächten von Himmel und Erde lag nun keine Spur von Frömmigkeit mehr. Er verneigte sich vor ihnen wie vor seinen großen Vorläufern.“
Darüber bin ich gestolpert und immer noch nicht so ganz im Klaren damit.Laras Selbstzweifel bei den Kologriwovs konnte ich nicht immer nachvollziehen, auch daß sie so dringend weg wollte. Sie war doch wirklich gut aufgenommen worden.
Herangereifte Unvermeidlichkeiten
Kap. 10 (S. 140): „(...) eine Folge der modernen Kriegstechnik“.
An dieser Stelle (das Zitieren der Verwundungen spare ich mir) sind mir zwei Dinge aufgefallen. Zum einen werden - zumindest bisher - deutlich weniger Kriegshandlungen und -schrecken beschrieben als im „Stillen Don“. Und zum anderen stimmt das mit der „modernen Kriegstechnik“ mit dem überein, was ich über den 1. Weltkrieg und seine Folgen gelesen habe.Sehr interessant fand ich den letzten Absatz von Kapitel 10, in dem der Erzähler berichtet, daß sie alle hier beisammen sind, sich aber nicht erkennen. Das Schicksal verbindet diese Menschen, bewußt und unbewußt. Man könnte sich fragen, ob es solche Konstellationen auch im richtigen Leben gibt.
Immer wieder sind zwischen den Kapiteln ein paar Wochen, Monate oder Jahre, so daß ich manchmal gut aufpassen mußte, weil es so unstimmig schien.
Tonjas Mutter stirbt also und will, daß Tonja und Jurij heiraten, was sie später auch tun. Lara schießt auf Komarovskij und der hat dann Mühe, einen Skandal, der ihm schaden könnte, niederzuschlagen. Schon dort sind mehrer Personen, deren Schicksal zusammenhängt, in einem Raum, ohne sich zu kennen / erkennen. Komarovskij war ja auch in irgendeiner Form am Tod von Jurijs Vater beteiligt.
Weshalb sie Pascha von ihrem Vorleben erst in der Hochzeitsnacht erzählte, habe ich auch nicht so ganz verstanden. Entweder hätte sie das früher tun sollen, oder jetzt schweigen. Pascha scheint sich durch das Gehörte innerlich sehr zu verändern
Mehr zu meinem Empfinden des Buches im nächsten Abschnitt. Da ich schon deutlich in demselben bin, weiß ich nicht mehr genau, was hier gespoilert wäre.
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Entschuldigung, ich fürchte, ich muss meine Gedanken in zwei Beiträgen unterbringen:
Weihnachten bei Swentizkijs
Anna Iwanowna liegt offensichtlich im Sterben, sie wünscht Beruhigung – wer wohl nicht. Und Jura hält sozusagen eine kleine Privatvorlesung. Ein höchst interessante, nebenbei bemerkt. Ein Satz darin hat mich doch sehr nachdenklich gemacht: Er steht in meinem Exemplar auf Seite 81 (in III): „... sagt der Evangelist Johannes...: ¹Es wird keinen Tod geben, weil das Vergangene vergangen ist.¹ Das ist fast so, als hätte man gesagt, es gibt keinen Tod, weil wir das alles schon gesehen haben, es ist veraltet, und es langweilt uns.“ Ich habe mehr als einmal geschluckt, als ich diese „Interpretation“ Juras des Johannes-Wortes gelesen habe. Sie macht im Grunde nur Sinn, wenn man den nächsten Satz: „Uns verlangt nach Neuem, das Neue aber ist das ewige Leben.“ hinzunimmt. Ich habe den im Text eingefügten Absatz zwischen den beiden Sätzen als quasi Kunstpause Juras angesehen, denn eigentlich ist das, was er da (der erste Satz) sagt, ja eine Zumutung. Zwar haben wir schon „alles“ gesehen und langweilen soll es uns auch, also gibt es keinen Tod; aber das Sterben lässt sich nun eben doch nicht aus der Welt schaffen. Aber welch anderer Blickwinkel, wenn ich den Tod nicht als Tod, sondern als Übergang in ein anderes Leben, ein ewiges, verstehe. So jung an Jahren, und weiß schon genau, wessen die Patienten bedürfen. Mit Scharlatanerie hat das wohl wenig zu tun, auch wenn er diesen Schluss zieht, sondern mit einem bemerkenswerten Einfühlungsvermögen.
Tonja und Jura werden verlobt. Ein bisschen lächeln musste ich ja doch bei der Beschreibung, wie sie sich nun mit neuen Augen sehen. Tja, daran wird man sich gewöhnen müssen, die Gefährtin, den Gefährten der Jugend als die Person präsentiert zu bekommen, mit der man den Rest des Lebens verbringen muss/soll. Aber gleichwohl könnte ich mir vorstellen, dass es die schlechteste Ehe nicht würde. Sie scheinen sich gut zu ergänzen, kennen sich ziemlich genau. Wenn denn das Schicksal gnädig sein würde und Frieden etwas wäre, was es tatsächlich auf Erden gibt … Aber dann würden wir auf einen der ganz großen Romane zu verzichten haben, denn schließlich, ohne in irgendeiner Richtung vorgreifen zu wollen, wird uns ja die Liebesgeschichte von Jura und Lara avisiert.
Laras Bruder präsentiert sich ein wenig wie ein verwöhntes Adelssöhnchen. Es ist ihm egal, was und wie Lara Geld herschafft, Hauptsache, seine Ehre wird nicht angekratzt. Dass sie sich dafür unter Umständen zu prostituieren hat, was kümmert es ihn. Aus seinem Gestammel Seite 87 oben (in VI) darf man wohl schließen, dass er vollauf im Bilde ist über das „Verhältnis“ des Advokaten zu Lara.
Interessant finde ich ja das Verhalten Laras gegenüber Pawel, freundschaftlich, mütterlich, ja gut, vermutlich auch liebevoll. Sie spricht ja selber einmal von dem „mütterlichen Gefühl“, „das ihrer Zärtlichkeit zu ihm beigemischt war“ (Seite126, in VII). Ich habe den Eindruck, dass sie sich für ihn verantwortlicher fühlt als letztlich er für sie. Aber insgesamt eine äußerst komplizierte Gemengelage. Und während ich bei Tonja und Jura das Gefühl hatte, diese Ehe sei „richtig“, habe ich hier das entgegengesetzte Gefühl.
Das „Wiedersehen“ von Jura und Lara ist schon besonders. Das schießt sie auf einen Mann, trifft aber einen anderen. Bei ihrer Treffsicherheit nur mit der Auf- und Erregung zu erklären. Aber nur keinen Skandal, alles wird vertuscht. Mir schwirrten wieder so einige Fragen durchs Hirn, hauptsächlich die gesellschaftlichen Gepflogenheiten betreffend. Aus den bisherigen Bemerkungen bisher hätte ich nicht so unbedingt vermutet, dass Lara als „adelig“ durchgeht (sh. Seite 122, in VI, in Bezug dazu Seite 29), ich hatte sie eher als gutbürgerlich angesehen. Jedenfalls: Lara hat Jura sicherlich schon beeindruckt, betrachtet man seine Wortwahl (Seite 100), darf man wohl feststellen, dass sein Mitgefühl eher der stolzen und schönen Frau gilt als dem Opfer.
Die nächste Beerdigung, an der wir teilnehmen müssen, diesmal wird Anna Iwanowna beigesetzt. Und wieder staune ich über Jura, Seite 102 in XV heißt es: „Jetzt fürchtete er sich vor nichts mehr, weder vor dem Leben noch vor dem Tode. Alle Dinge dieser Welt waren zu Vokabeln in seinem Wörterbuch geworden.“ Abgesehen davon, dass ich ihm das nicht so wirklich abnehme, sondern als eine Art Zustandsbeschreibung ansehe, würde ich diesen Zustand für einen überaus langweiligen halten. Keine Angst mehr zu haben, d. h. doch auch, eines der grundlegendsten, elementarsten Gefühle nicht mehr zu kennen. Man muss sich ja sorgen, ob er der anderen denn noch fähig ist.
In Bezug auf die Trauerfeierlichkeiten steht auch der für mich schönste Satz dieses Abschnittes: „Der Gesang durchweht wie ein sanfter Windhauch die Gasse und bleibt zwischen den Dächern hängen, so als habe man die Luft mit einer weichen Straußenfeder gestreichelt.“ So möchte ich auch einmal empfinden können. Aber nein, unsereins bleibt ganz prosaisch auf dem Boden der Tatsachen und würde vermutlich sagen, dass der Gesang leise bis in die Gasse zu hören war. Angesichts solcher Sätze, solchen Könnens, wobei ich dem Übersetzer meinen großen Respekt zolle, gleichwohl aber nicht weiß, wie wörtlich das übersetzt ist, fühle ich mich jedenfalls fast demütig. -
Herangereifte Unvermeidlichkeiten
Das über den reich gedeckten Tisch huschende Mäuschen hat mich ja doch fasziniert. Seltsam eigentlich, diese Gegensätze, einerseits dieser große, auch zur Schau gestellte Reichtum, andererseits so ein Tierchen, das ziemlich allgemein unter die Kategorie „Ungeziefer“ fällt, und dass sich der Weihnachtstafel annimmt. Als wäre es nicht das erste Mal, dass es solches tut. Ob die Damen, hätten sie es gesehen, auch kreischenderweise auf Stühle geklettert wären? (Seite 106 wird das Mäuschen erwähnt.)
Der Herr Advokat wird mir jedenfalls immer unsympathischer. Nun geriert er sich als edler Ritter, nimmt sich völlig zurück, und dass alles, weil er nicht Gegenstand eines Skandals sein will. Nun gut, das ist nichts Neues und wird es auch in Zukunft geben, trotzdem muss ich mir doch Mühe geben, nicht meinen Stab über ihn zu brechen. Im Gegensatz dazu ihr ehemaliger Arbeitgeber. Tja, gut, dass es auch solche gibt und sie auch in diesem Buch vorkommen, man würde ja langsam verzweifeln, gäbe es sie nicht. Andererseits würden die „schlechten Menschen“ unsereiner dann nicht mehr so auffallen. Licht und Schatten, Schatten und Licht. Wer behält die Oberhand?
Ein bisschen frage ich mich, ob ich mir Sorgen über Juras Gemütszustand machen muss. Da hat er einen Sohn, was, wie ich mir sagen ließ, jeden Vater erfreut, und empfindet nichts dabei. Aber es ist das, was ich befürchtet habe (sh. weiter oben). Wenigstens sorgt er sich um Tonja. Allerdings frage ich mich, wem dieses „sie ist gerettet“ eigentlich gilt – nur seiner Frau oder der Patientin? Dieses Bild übrigens, wie Tonja gesehen wird, als ein Schiff (Seite 121, in V), empfinde ich als ziemlich ungewöhnlich, aber bei näherer Betrachtung: Hat er nicht recht?
Jura muss zum Militär, Pawel geht freiwillig. Bei ihm habe ich das Gefühl, er läuft weg, und was für ein „Glück“ für ihn, dass Krieg ist, da kann er sich vor der komplizierten Gefühlslage in seiner Ehe quasi „drücken“. Macht er sich eigentlich wirklich bewusst, was das heißt: „Krieg“?
Diese ganzen Beobachtungen von der Front (Seite 127 ff.), aus den Lazaretten erinnern mich teilweise an ein erst kürzlich gelesenes Buch, nämlich „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque. Dazu gab es auch eine Leserunde, mich hatte das Buch dermaßen fertig gemacht, dass ich kaum etwas dazu sagen konnte. Es war dort und es ist auch hier: Dass, was von einem männlichen Vorfahren erzählt wurde, en detail und gewissermaßen erzählerisch verdichtet präsentiert zu bekommen, hat mich mitgenommen, anders kann und will ich dazu nichts sagen. Dazu passt im Grunde auch, dass man nicht genau weiß, was aus Antipov wurde. Verschüttet? Tot? Gefangen? Und noch eine Parallele zu Remarques Werk findet sich auf Seite 131: Peiniger und Gepeinigter aus „Friedenszeiten“ resp. dem zivilen Leben stehen sich unter umgekehrten Vorzeichen „im Feld“ gegenüber, man kann Rechnungen aufstellen und muss sie begleichen, man kann sich edelmütig zeigen oder – zwar menschlich gesehen nachvollziehbar, aber dennoch – sein Mütchen kühlen, Frust abbauen.
Und eine Parallele zum „Stillen Don“: Die Erwähnung, dass die Juden Angriffen der widerlichsten Art ausgesetzt sind. Juras Statement dazu (Seite 138, in XI) nötigt mir angesichts der gesellschaftlichen Bedingungen und Denkart Respekt ab. Während ich über Gordons Worte aus dem Kopfschütteln nicht herauskomme.
Mir ist noch so einiges aufgefallen, worüber etwas zu sagen wäre, Laras Bemerkungen über Juras Stupsnase zum Beispiel. Oder dieser Absatz auf Seite 146 in XIV, in dem es heißt: „Es ist, als wärst du dein Lebtag wie ein kleines Kind an der Hand geführt worden, und plötzlich lässt man dich los...“. Zustandsbeschreibung, nicht nur für Laras Situation. Sondern für viele Menschen, in vielen Ländern, in denen Diktaturen, egal, wie man sie nun nennt, überwunden werden konnten.
ZitatOriginal von SiCollier
Zum einen werden - zumindest bisher - deutlich weniger Kriegshandlungen und -schrecken beschrieben als im „Stillen Don“.Das ist mir nicht nur in Bezug auf die Kriegshandlungen aufgefallen, im Grunde gilt das für alle Gegebenheiten. Wie eine Leinwand im Hintergrund, vor der sich die Geschehnisse abspielen, ob nun in Moskau, bei Kriegshandlungen oder wo auch immer.
Entschuldigung, wenn ich so viel sabbele, aber das Buch bewegt mich doch immer wieder. Anfangs hatte ich die Befürchtung, es sei zu wenig Zeit vergangen, seit ich es das letzte Mal gelesen habe, aber der Eindruck hat sich verflüchtigt.
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Zitat
Original von SiCollier
„Weihnachten bei Sventizkijs“Laras Bruder hat als praktisch alles verspielt, was sie sich in mühevoller Arbeit aufgebaut hatte. Aber zu glauben, daß Komarovskij sich geändert haben könnte, finde ich doch ziemlich naiv.
Ihr Bruder ist der typische Bruder Leichtsinn, wie es ihn in vielen russischen Klassikern gibt. Meist ist es ein Bruder, ein Freund bei der Garnison oder so. Lara würde sich quasi opfern, denn damit, dass sich Komarovskij sich geändert hat, kann sie nicht rechnen. Da stimme ich dir zu.
Darüber war sie sich auch klar. Sie erhält das Geld dann zwar von ihrem Arbeitgeber, aber mit ihrer Ruhe ist es vorbei.ZitatS. 107 (Ende Kap. 15): „In seinem Zugehörigkeitsgefühl zu den höheren Mächten von Himmel und Erde lag nun keine Spur von Frömmigkeit mehr. Er verneigte sich vor ihnen wie vor seinen großen Vorläufern.“
Darüber bin ich gestolpert und immer noch nicht so ganz im Klaren damit.So verstehe ich das:
Es geht ja hier um Jurij, der schon in früher Kindheit Verlust kennenlernte und, wie mir scheint, auf seinem weiteren Weg durch's Leben seinen Glauben oder seine, wie er meint, Abhängigkeit von Gottes Gnade verloren hat. Er ist nur noch aus sich selbst stark, erfolgreich und so weiter. Vermeintlich von der Mutter und seinem Schöpfer allein gelassen arbeitete er sich selbst aus der Unwirklichkeit und dem Nebel heraus zu einer gewissen Klarheit. So scheint er sich nach meinem Empfinden jedenfalls zu sehen. Gott hat für ihn nicht mehr Stellenwert als z.B. ein brillanter Wissenschaftler oder Mediziner oder ein anderer großer Denker, der Bedeutung für ihn und seine Entwicklung erlangt hat. Daher hat GOTT für ihn auch keine tiefere Verbeugung verdient als Platon, Parkcelsius oder sonst wer.
So verstehe ich dieses Zitat.ZitatHerangereifte Unvermeidlichkeiten
...Tonjas Mutter stirbt also und will, daß Tonja und Jurij heiraten, was sie später auch tun. Lara schießt auf Komarovskij und der hat dann Mühe, einen Skandal, der ihm schaden könnte, niederzuschlagen. Schon dort sind mehrer Personen, deren Schicksal zusammenhängt, in einem Raum, ohne sich zu kennen / erkennen. Komarovskij war ja auch in irgendeiner Form am Tod von Jurijs Vater beteiligt.Diese Ehe steht für mich unter keinem guten Stern. Das ist aber nur so ein Gefühl.
ZitatWeshalb sie Pascha von ihrem Vorleben erst in der Hochzeitsnacht erzählte, habe ich auch nicht so ganz verstanden. Entweder hätte sie das früher tun sollen, oder jetzt schweigen. Pascha scheint sich durch das Gehörte innerlich sehr zu verändern
Da habe ich auch gestutzt. Ich musste zurückblättern, weil ich meinte, dass sie es ihm schon erzählt hat. Aber nein. Erzählt hatte sie noch nicht alles.
Vielleicht wollte sie ihm schnell noch erklären, warum sie nicht mehr unberührt ist.
Dass sie es nicht früher gesagt hat, kann man heute vielleicht auch wirklich nicht nachvollziehen. Aber damals...
Immerhin hat sie nicht nur einen schwachen Moment der Verführung hinter sich, sondern eine Affäre über einen längeren Zeitraum. -
@ Lipperin: Du sabbelst überhaupt nicht! Im Gegenteil!
Ich glaube, Laras Bruder wurde im Film unterschlagen, jedenfalls kann ich mich nicht an ihn erinnern. Und Tonjas Mutter stirbt meiner Erinnerung nach erst, während Jurij im Krieg ist. Mir fällt da eine Szene ein, in der Tonja und ihr Vater einen Brief lesen, in dem Jurij nach seiner Schwiegermutter fragt und da sagt Tonja irgendetwas wie "Er hat wohl unseren Brfief noch nicht bekommen, er weiß es noch nicht!"
Interessant fand ich hier Lipperins Bemerkung über das an der Hand führen und Loslassen. In Bezug zu der Rahmenhandlung im Film. Aber um jetzt nichts zu spoilern, sage ich hier nichts weiter dazu. -
Zitat
Original von Lipperin
Das ist mir nicht nur in Bezug auf die Kriegshandlungen aufgefallen, im Grunde gilt das für alle Gegebenheiten. Wie eine Leinwand im Hintergrund, vor der sich die Geschehnisse abspielen, ob nun in Moskau, bei Kriegshandlungen oder wo auch immer.
Sehr schön ausgedrückt - so empfinde ich das auch.ZitatOriginal von Lipperin
Entschuldigung, wenn ich so viel sabbele, aber das Buch bewegt mich doch immer wieder. Anfangs hatte ich die Befürchtung, es sei zu wenig Zeit vergangen, seit ich es das letzte Mal gelesen habe, aber der Eindruck hat sich verflüchtigt.
Kein Problem, im Gegenteil. Ich bin froh drum, denn mir sind bisher irgendwie noch nicht die richtigen Worte gekommen. Ich brauche wohl einen Anstoß. Irgendwann morgen schreibe ich dann mehr dazu, im Moment bin ich schon zu müde dazu.@ maikaefer
Es gibt, teilweise deutliche, Unterschiede zwischen (Daivd Lean-) Film und Buch. Das betrifft das "Personal" (was man in der Anzahl in einem Film gar nicht unterbringen könnte, alleine schon aus Kostengründen), geht über den Schwerpunkt (der im Film auf der bzw. den Liebesgeschichten liegt) bis hin zu Veränderungen im Handlungsablauf; so gibt es z. B. die Sterbeszene Anna Iwanownas im Film nicht, wie manches andere auch.Man sollte beides getrennt für sich sehen, ein Vergleich funktioniert mE nur bedingt.
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An den Film habe ich nur noch rudimentäre Erinnerungen, vielleicht zum Glück. Ich weiß auch nicht, ob ich mir diesen nach der Lektüre des Buches ansehen werde.
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Irgendwo habe ich in einem eurer Beiträge gelesen, dass Lean oder Sharif gesagt haben soll, dass der Roman nach den ersten einhundert Seiten Fahrt aufnimmt. Das kann ich nach meinem Leseeindruck durchaus bestätigen. Ich denke, es liegt zum einen daran, dass die handelnden Personen weitestgehend eingeführt sind und man sich allmählich auch mehr mit ihnen verbinden kann, zum anderen empfinde ich Pasternaks Erzählstil zunehmend als geschmeidiger - oder habe ich mich nur daran gewöhnt? Wie geht es euch damit?
Die Handlungen und Gedanken der Protagonisten sehe ich vor dem Hintergrund der Zeit und ihrer Konventionen und empfinde sie als durchaus plausibel. Pasternak macht keine tiefen Exkurse in das Seelenleben seiner Personen, weshalb manche Handlung unerklärt bleibt, aber gerade das lässt Raum für Spekualtion. Es muss nicht immer alles erklärt werden, oder?
Die Kriegsgeschehnisse stehen sehr lebhaft vor meinem inneren Auge. "Im Westen nichts Neues" habe ich nicht gelesen, aber es gibt einen fantastischen Film dazu mit Ernest Borgnine und Richard Thomas, der das Thema wirklich sehr gut und berühernd umsetzt. Zudem habe ich vor Kurzem erst die Serie "Band of Brothers" gesehen und mich in den Beschreibungen Pasternaks sofort daran erinnert gefühlt. BoB spielt im zweiten Weltkrieg, aber das ist in dieser Hinsicht völlig irrelevant, da es vordergründig um das Erleben des Krieges aus Soldatensicht geht, um die Verzweiflung, den Dreck, die Angst und den Tod.
Aus Gordons Beitrag zu dem Vorfall mit dem alten Juden spricht meinem Empfinden nach eine fast verzweifelte Resignation hinsichtlich der Möglichkeiten eines Volkes, die dieses seiner Meinung nach nicht zu nutzen weiß.
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Zitat
Original von SiCollier
@ maikaefer
Es gibt, teilweise deutliche, Unterschiede zwischen (Daivd Lean-) Film und Buch. Das betrifft das "Personal" (was man in der Anzahl in einem Film gar nicht unterbringen könnte, alleine schon aus Kostengründen), geht über den Schwerpunkt (der im Film auf der bzw. den Liebesgeschichten liegt) bis hin zu Veränderungen im Handlungsablauf; so gibt es z. B. die Sterbeszene Anna Iwanownas im Film nicht, wie manches andere auch.Man sollte beides getrennt für sich sehen, ein Vergleich funktioniert mE nur bedingt.
Romane sind nun einmal umfassender in ihrer Aussage und Darstellung als ein Film. Daher muss sich der Drehbuchautor auf einen Erzählstrang oder einen Schwerpunkt fokussieren, was den Vergleich Buch/Film immer nur mit Einschränkungen funktionieren lässt, wenn man nicht gerade Peter Jackson heißt und den Herrn der Ringe in einem Mega-Dreiteiler verfilmt.
Einer meiner Romane musste mal als Grundlage für ein Drehbuchseminar im Rahmen der Norddeutschen FIlmtage herhalten. In Arbeitsgruppen haben die Autoren ihn verarbeitet und es war hochspannend zu sehen, was sie letztlich rausgezogen haben. Jede Gruppe hat einen anderen Schwerpunkt gesetzt von Spannung über Mystik bis hin zur Liebe, wobei ich es interessant fand, dass letzeres von der einzigen durchweg aus Männern bestehenden Arbeitsgruppe gewähhlt worden war.
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Zu Lipperin
Weihnachten bei Swentizkijs
Die Sache mit dem Tod. Ich entsinne mich, als vor Jahren mein Vater starb, machte mir das ziemlich zu schaffen. Ich habe u. a. ein Buch des Theologen Klaus Berger gelesen, der argumentierte in eine ähnliche Richtung, die mich mehr verwirrte denn tröstete. (Das Buch habe ich übrigens abgebrochen.)
Kürzlich gab es in einem anderen Forum mehrere Diskussionen zur „christl. Wiedergeburt“, die ich ebenfalls eher als verwirrend denn hilfreich empfunden habe.
Wissend, daß ich deutlich mehr als die Hälfte meiner Lebensspanne hinter mir habe, gelange ich mehr und mehr dahin, das Thema eher auf mich zukommen zu lassen, als zu sehr darüber nachzudenken. Wenn die Schwelle überschritten ist, werde ich wissen, wie es wird.
ZitatOriginal von Lipperin
Und während ich bei Tonja und Jura das Gefühl hatte, diese Ehe sei „richtig“, habe ich hier das entgegengesetzte Gefühl.
Ja, geht mir auch so. Ich denke, Lara wollte in einen „sicheren Hafen“ fliehen. Nur daß der Hafen sich nicht als sicher herausgestellt hat.ZitatOriginal von Lipperin
Keine Angst mehr zu haben, d. h. doch auch, eines der grundlegendsten, elementarsten Gefühle nicht mehr zu kennen.
Na ja, so in mancher Hinsicht wäre ich ganz froh, dieses „elementare, grundlegende“ Gefühl einmal loszubekommen. Und ich meine jetzt nicht den für heute Nachmittag anstehenden Zahnarztbesuch.Herangereifte Unvermeidlichkeiten
Ja, über Juras Gedanken/Handlungsweise zur Zeit der Geburt seines Sohnes habe ich mich auch ein bißchen gewundert.
Der Vergleich mit dem Schiff, da könnte man sich möglicherweise später im Buch fragen, ob das eine Metapher, oder eine versteckte Andeutung für die Zukunft sein soll.
Ob die damals wußten, was „Krieg“ bedeutet? Nachdem ich gelernt habe, in welcher Weise der 1. Weltkrieg ein Einschnitt (auch im Bereich der Kriegstechnik) war, denke ich, daß man zumindest keine Ahnung hatte, was auf einen zukommen würde. Neben Maschinengewehren kamen immer noch Säbel zum Einsatz!
Die Remarque-Leserunde lief zu einer Zeit, da es mir mental nicht so gut ging. Da habe ich die ausgelassen; das Buch habe ich vor ähnlich vielen Jahren wie den „Doktor Schiwago“ schon mal gelesen. Aber den Folgeband „Der Weg zurück“ (mental) als viel schlimmer empfunden.
Zur Bemerkung Juras über die Juden: in einem Buch, es ist mir entfallen, in welchem, habe ich sinngemäß gelesen, daß man Judenverfolgung (im 20. Jhdt.) eigentlich eher iun Rußland oder Frankreich erwartet hätte, nicht aber in Deutschland. Das fiel mir hier wieder ein, als Jura sagte, daß die Juden „beim Feind alle Rechte genießen, aber von uns nichts als Verfolgung zu erwarten haben.“
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@ Clare
Danke für Deine Interpretation zu dem von mir zitierten Satz über Jurij. Das stimmt so ziemlich mit dem überein, was ich wohl empfand, aber nicht in Worte fassen konnte.ZitatOriginal von Clare
Immerhin hat sie nicht nur einen schwachen Moment der Verführung hinter sich, sondern eine Affäre über einen längeren Zeitraum.
Ja eben, das mußte doch irgendwann herauskommen. Würde dann nicht schlimmer, wenn sie ihm erst nach der Hochzeit davon erzählte als vorher? (Nun, wurde es ja auch.)ZitatOriginal von Karthause
Ich weiß auch nicht, ob ich mir diesen nach der Lektüre des Buches ansehen werde.
Doch, ich schon. Bisher kann ich - seltsamerweise? - recht gut zwischen Film- und Buchhandlung unterscheiden.ZitatOriginal von AlexBerg
Irgendwo habe ich in einem eurer Beiträge gelesen, dass Lean oder Sharif gesagt haben soll, dass der Roman nach den ersten einhundert Seiten Fahrt aufnimmt.
Ich habe das im Einladungspost geschrieben. Das stammt aus dem Bonusmaterial zum Film. Da Omar Sharif da als Moderator hindurchführt, vermute ich, daß es sich auf ihn bezieht, bin mir aber nicht mehr ganz sicher, ob er oder David Lean das gesagt hat.ZitatOriginal von AlexBerg
(...) zum anderen empfinde ich Pasternaks Erzählstil zunehmend als geschmeidiger - oder habe ich mich nur daran gewöhnt? Wie geht es euch damit?
Das ist etwas, worüber ich auch schon die ganze Zeit nachdenke. Es ist (stilistisch) kein Vergleich zu Scholochow, der mir - ich gebe es zu - stilistisch besser gefiel. Bei Pasternak fehlt mir irgendwie so das I-Tüpfelchen, das Scholochow hatte. Aber vielleicht ist es auch nur eine andere Sichtweise auf die Welt der Autoren - was dann für mich umso irritierender wäre. Bei Pasternak mischt sich für mein persönliches Empfinden „gefühlvolle“ mit „nüchterner“ Erzählweise und zwar auf eine Weise, die mir durchaus zusagt. Aber der „letzte Rest“, um meine Seele zu erreichen fehlt (noch?).ZitatOriginal von AlexBerg
Es muss nicht immer alles erklärt werden, oder?
Kommt für mich auf den jeweiligen Zusammenhang an. Hier (also bis jetzt im Buch) würde ich da zustimmen.ZitatOriginal von AlexBerg
Aus Gordons Beitrag zu dem Vorfall mit dem alten Juden spricht meinem Empfinden nach eine fast verzweifelte Resignation hinsichtlich der Möglichkeiten eines Volkes, die dieses seiner Meinung nach nicht zu nutzen weiß.
Schwieriges Thema. Ich habe vor einiger Zeit ein paar Bücher gelesen, die im jüdischen Milieu der USA heute (also die letzten paar Jahrzehnte) spielen. Da ist mir manches klar bzw. verständlich geworden, weshalb die Juden durch die Jahrhunderte hinweg so - um es mal so auszudrücken - schief angesehen wurden. Ich habe die Stelle jetzt nochmals nachgelesen. Das klingt schon in die von Dir beschriebene Richtung.ZitatOriginal von AlexBerg
Romane sind nun einmal umfassender in ihrer Aussage und Darstellung als ein Film. Daher muss sich der Drehbuchautor auf einen Erzählstrang oder einen Schwerpunkt fokussieren, was den Vergleich Buch/Film immer nur mit Einschränkungen funktionieren lässt, wenn man nicht gerade Peter Jackson heißt und den Herrn der Ringe in einem Mega-Dreiteiler verfilmt.
Ja, das habe ich inzwischen auch kapiert und akzeptiert; früher dachte ich da anders. Ich entsinne mich, vor vielen Jahren habe ich die „novelization“ zur alten Galactica-Serie (mit Ben Cartwright - äh, Lorne Greene natürlich ) als Commander Adama gelesen. Ich entsinne mich, wie erstaunt ich war, daß selbst solche Trivial - Science Fiction Romane tiefgründiger als die (Vorlagen-) Serie waren.Inzwischen erwarte ich von einer Verfilmung, daß die wesentlichen Handlungsstränge vorkommen, und das richtig. Manches kann man filmisch nicht darstellen (oder würde genau verfilmt zu teuer), wie umgekehrt etwa die Beerdigung der Mutter Jurijs, wie sie im Film ist (Verbindung von Bild und Musik), sich in einem Buch nur schwer beschreiben läßt.
Hier ist es so, daß im Film der Schwerpunkt auf der/den Liebesgeschichte/n liegt, dafür das andere etwas zurücktreten mußte. Unter dem Gesichtspunkt finde ich (bisher) das Buch recht gut für den Film umgesetzt.
Absolutes Negativbeispiel ist für mich die Verfilmung von Norman Mailers „Die Nackten und die Toten“ (spielt im 2. Weltkrieg). Die im Buch Guten sind im Film die Bösen und umgekehrt. Die im Buch überleben, sterben im Film - und umgekehrt.
Eine der besten Literaturverfilmungen, die ich gesehen habe, gibt es nicht auf Deutsch: es ist die Verfilmung von Selma Lagerlöfs „Gösta Berling“ durch das Schwedische Fernsehen als Fünfteiler.
ZitatOriginal von AlexBerg
(...) bis hin zur Liebe, wobei ich es interessant fand, dass letzeres von der einzigen durchweg aus Männern bestehenden Arbeitsgruppe gewähhlt worden war.
Das wundert mich jetzt nicht so übermäßig. Die brutalsten Kämpfe und Kampfszenen habe ich bisher übrigens durchweg von Autorinnen (also Frauen) geschrieben gefunden; was etwas ist, was mich bis zu einem gewissen Grade immer wieder verwundert.
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Zitat
Original von Clare
So verstehe ich das:
Es geht ja hier um Jurij, der schon in früher Kindheit Verlust kennenlernte und, wie mir scheint, auf seinem weiteren Weg durch's Leben seinen Glauben oder seine, wie er meint, Abhängigkeit von Gottes Gnade verloren hat. Er ist nur noch aus sich selbst stark, erfolgreich und so weiter. Vermeintlich von der Mutter und seinem Schöpfer allein gelassen arbeitete er sich selbst aus der Unwirklichkeit und dem Nebel heraus zu einer gewissen Klarheit. So scheint er sich nach meinem Empfinden jedenfalls zu sehen. Gott hat für ihn nicht mehr Stellenwert als z.B. ein brillanter Wissenschaftler oder Mediziner oder ein anderer großer Denker, der Bedeutung für ihn und seine Entwicklung erlangt hat. Daher hat GOTT für ihn auch keine tiefere Verbeugung verdient als Platon, Parkcelsius oder sonst wer.
So verstehe ich dieses Zitat.Clare, auch von mir vielen Dank für deine Gedanken. Diese Stelle hatte ich mehrfach gelesen und konnte sie auch nicht richtig einordnen. Allerdings habe ich gerade auch festgestellt, dass ich recht unkonzentriert lese. Jetzt mit deiner Hilfestellung bekommt das natürlich einen Sinn.
Als Anna Iwanowna im Sterben liegt bestimmt sie, Tonja und Jura sollten heiraten. So werden sie kurzerhand miteinander verlobt. Mit solchen Dingen tue ich mich immer schwer. Ja, sie kennen sich gut, mögen sich und so ein kleines Pflänzchen namens Liebe könnte sich zwischen ihnen ihnen entwickeln, so scheint es jedenfalls auf dem Ball - ich meine die Taschentuchszene.
Mir gefallen die sehr bildhaften Beschreibungen von Pasternak sehr gut. Im 3. Teil, 9. Kapitel wird Pawel beschrieben als er sich mächtig anstrengt, davon im Gesicht ganz rot wird und er die Zunge in eine Wange schiebt. Ich könnte noch viele solche Stellen aufführen, die mich beim Lesen lächeln lassen.
Ich denke, heute habe ich ein wenig mehr Zeit und versuche etwas aufzuholen, damit nicht den Anschluss verliere. Inzwischen bin ich nämlich auch von dem Buch in den Bann gezogen worden.
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Zitat
Original von AlexBerg
Irgendwo habe ich in einem eurer Beiträge gelesen, dass Lean oder Sharif gesagt haben soll, dass der Roman nach den ersten einhundert Seiten Fahrt aufnimmt. Das kann ich nach meinem Leseeindruck durchaus bestätigen. Ich denke, es liegt zum einen daran, dass die handelnden Personen weitestgehend eingeführt sind und man sich allmählich auch mehr mit ihnen verbinden kann, zum anderen empfinde ich Pasternaks Erzählstil zunehmend als geschmeidiger - oder habe ich mich nur daran gewöhnt? Wie geht es euch damit?
Mir geht es ganz genau so! Mit dem ersten Leseabschnitt habe ich mich ein bißchen gequält, es schien mir so zusammenhanglos und die Personen wirkten auf mich auch nicht sympathisch. Aber jetzt kommt Fahrt auf oder ich habe mittlerweile einfach mitgekriegt, wer wer ist...Die Handlungen und Gedankengänge der noch jungen Protagonisten kommen mir teilweise immer noch ziemlich pathetisch oder überspannt ("russisch"?) vor, vor allem Lara mit ihrem Schuss auf Komarovski. Da frage ich mich unwillkürlich "Geht's nicht auch 'ne Nummer kleiner?" Dass man mit einem Anschlag auf wen auch immer kein Problem welcher Art auch immer lösen kann, sollte doch mit ein klein bißchen Nachdenken auch vor hundert Jahren schon klar gewesen sein... Also, das erschließt sich mir nicht. Dass sie es nicht wagt, Pawel von der Affäre zu erzählen, dann schon eher. Das war ja damals schon eine gewaltige Schande.
Dass Euch Juris Reaktion auf die Geburt des Sohnes so wundert, wundert mich jetzt. Was genau ist daran eigenartig? Dass er "nur" an seine Frau denkt oder etwas anderes?
Übrigens habe ich diesen Leseabschnitt unabsichtlich um 30 Seiten überlesen, weil ich mit der Einteilung der Leseabschnitte gar nicht zurechtkomme. Finde es sehr unübersichtlich
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Zitat
Original von Hallorin
Die Handlungen und Gedankengänge der noch jungen Protagonisten kommen mir teilweise immer noch ziemlich pathetisch oder überspannt ("russisch"?) vor, vor allem Lara mit ihrem Schuss auf Komarovski.
Ob das objektiv „typisch russich“ ist, vermag ich nicht zu beurteilen, subjektiv für mich schon.ZitatOriginal von Hallorin
Dass Euch Juris Reaktion auf die Geburt des Sohnes so wundert, wundert mich jetzt. Was genau ist daran eigenartig?
Ich habe nur ein Mal die Geburt eines meiner Kinder miterlebt, und das auch nur kurz, bevor meine Frau in den OP kam. An Kleinigkeiten habe ich gemerkt, daß ich doch nicht so „cool“ war, wie ich dachte zu sein. Und ich habe mich sicherlich nicht nur für den Zustand meiner Frau, sondern auch den unseres Kindes interessiert.
„Er empfand nicht das geringste bei dem Gedanken, daß er auf einmal einen Sohn bekommen hatte.“ (S. 126)
Es war vor allem dieser Satz, über den ich gestolpert bin.ZitatOriginal von Hallorin
Übrigens habe ich diesen Leseabschnitt unabsichtlich um 30 Seiten überlesen, weil ich mit der Einteilung der Leseabschnitte gar nicht zurechtkomme. Finde es sehr unübersichtlich
Tut mir leid. Das geht dann wohl auf meine Kappe, denn für die Einteilung bin ich verantwortlich. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie man die hätte sonst erstellen sollen:- Nach Kapitel geht nicht, weil jedes „Großkapitel“ (Überschrift) immer mit „1“ beginnt.
- Nach „Buch“ und „Teil“ (wie letztes Jahr beim „Stillen Don“) geht nicht, weil nicht vorhanden.
- Nach Seiten geht nicht, weil jede Ausgabe andere Seitenzahlen hat. Lipperin und ich lesen die selbe Übersetzung, haben aber verschiedene Seitenzahlen.So, wie ich es gemacht habe, erschien es mir einzig möglich. Ich mache es übrigens so, daß ich mir in ein Leserundenbuch an den Abschnittsenden Markerzettel einstecke, so daß das für mich immer schön übersichtlich ist. Ich habe inzwischen in jeden Abschnitt in den ersten Beitrag nochmals genauer die Einteilung geschrieben; vielleicht hilft das weiter?
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Zitat
Original von Karthause
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Als Anna Iwanowna im Sterben liegt bestimmt sie, Tonja und Jura sollten heiraten. So werden sie kurzerhand miteinander verlobt. Mit solchen Dingen tue ich mich immer schwer. Ja, sie kennen sich gut, mögen sich und so ein kleines Pflänzchen namens Liebe könnte sich zwischen ihnen ihnen entwickeln, so scheint es jedenfalls auf dem Ball - ich meine die Taschentuchszene.Diese Taschentuchszene habe ich aus ganz anderem Blickwinkel gelesen. Tonja tanzt den ganzen Abend, immer an Jurij vorbei. Ihn stört das auch gar nicht. Er ist mit ihr aufgewachsen, und sie ist fast wie eine Schwester für ihn. Sie dreht sich also mit verschiedenen Herren, und dann reicht sie ihm das Tüchlein, das ihm fast den Atem nimmt. Er ist der Beschenkte, sie die Geberin. Aber es ist und bleibt ein Almosen. So empfinde ich es wenigstens.
ZitatIch denke, heute habe ich ein wenig mehr Zeit und versuche etwas aufzuholen, damit nicht den Anschluss verliere. Inzwischen bin ich nämlich auch von dem Buch in den Bann gezogen worden.
Leider muss ich für mich sagen, dass sich bei mir die Lust auf den Roman gerade etwas verliert. Vielleicht das falsche Buch zur falschen Zeit? Ich weiß es nicht. Woran es liegt, kann ich auch nicht sagen, denn das Buch entspricht durchaus meinen Erwartungen. Mal schauen!
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Zitat
Original von SiCollier
Ob das objektiv „typisch russich“ ist, vermag ich nicht zu beurteilen, subjektiv für mich schon.Für mich auch. Gerade dieses teilweise fast Überspannte finde ich so typisch. In den russischen Klassikern sind es oft die jungen Figuren mit den großen, unverbrauchten Gefühlen, die sich noch nicht verstecken und verstellen, die so verzweifelte Liebes- oder Hasstaten vollbringen.
ZitatOriginal von Hallorin
Dass Euch Juris Reaktion auf die Geburt des Sohnes so wundert, wundert mich jetzt. Was genau ist daran eigenartig?
Ich habe nur ein Mal die Geburt eines meiner Kinder miterlebt, und das auch nur kurz, bevor meine Frau in den OP kam. An Kleinigkeiten habe ich gemerkt, daß ich doch nicht so „cool“ war, wie ich dachte zu sein. Und ich habe mich sicherlich nicht nur für den Zustand meiner Frau, sondern auch den unseres Kindes interessiert.
„Er empfand nicht das geringste bei dem Gedanken, daß er auf einmal einen Sohn bekommen hatte.“ (S. 126)
Es war vor allem dieser Satz, über den ich gestolpert bin.[/quote]Vielleicht liegt das einfach daran, dass er Tonja nicht wirklich liebt. Ihre ganze Beziehung ist für mich eher nüchtern. Aber so waren wohl die meisten Ehen dieser Zeit in diesen Kreisen. Wahrscheinlich habe ich von Jurij einfach mehr Gefühl erwartet, da er mir so starken Emotionsäußerungen angefangen hat (gleich zu Anfang des Romans).
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Zitat
Original von Clare
Diese Taschentuchszene habe ich aus ganz anderem Blickwinkel gelesen. Tonja tanzt den ganzen Abend, immer an Jurij vorbei. Ihn stört das auch gar nicht. Er ist mit ihr aufgewachsen, und sie ist fast wie eine Schwester für ihn. Sie dreht sich also mit verschiedenen Herren, und dann reicht sie ihm das Tüchlein, das ihm fast den Atem nimmt. Er ist der Beschenkte, sie die Geberin. Aber es ist und bleibt ein Almosen. So empfinde ich es wenigstens.
Ich sehe das nicht grundsätzlich anders als du. Sie tanzt und flirtet mit den anderen Männern, Jura reiht sie mit da mit ein. Mir hat das lediglich gezeigt, dass da ein bisschen mehr als geschwisterliche Liebe zwischen ihnen entstehen könnte. Die beiden werden heiraten, das ist sicher. Diesen Flirt sah ich als einen Ausgangspunkt für eventuell später aufkeimende tiefere Gefühle.
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Zitat
Original von SiCollier
... Bei Pasternak mischt sich für mein persönliches Empfinden „gefühlvolle“ mit „nüchterner“ Erzählweise und zwar auf eine Weise, die mir durchaus zusagt. Aber der „letzte Rest“, um meine Seele zu erreichen fehlt (noch?).Das kann ich genauso unterschreiben. Ich bin gespannt wie sich der Roman in dieser Hinsicht weiterentwickelt.
ZitatOriginal von SiCollier
Schwieriges Thema. Ich habe vor einiger Zeit ein paar Bücher gelesen, die im jüdischen Milieu der USA heute (also die letzten paar Jahrzehnte) spielen. Da ist mir manches klar bzw. verständlich geworden, weshalb die Juden durch die Jahrhunderte hinweg so - um es mal so auszudrücken - schief angesehen wurden. Ich habe die Stelle jetzt nochmals nachgelesen. Das klingt schon in die von Dir beschriebene Richtung.Ein Volk, das doch irgendwie ständig auf der Suche nach seiner Identität ist, oder?
ZitatOriginal von SiCollierEine der besten Literaturverfilmungen, die ich gesehen habe, gibt es nicht auf Deutsch: es ist die Verfilmung von Selma Lagerlöfs „Gösta Berling“ durch das Schwedische Fernsehen als Fünfteiler.
Also muss ich doch endlich richtig Schwedisch lernen
ZitatOriginal von SiCollier
Das wundert mich jetzt nicht so übermäßig. Die brutalsten Kämpfe und Kampfszenen habe ich bisher übrigens durchweg von Autorinnen (also Frauen) geschrieben gefunden; was etwas ist, was mich bis zu einem gewissen Grade immer wieder verwundert.
.Hm, ja ... da hast du nicht unrecht ...
Und vielen Dank für die Erinnerung an Norman Mailer! Ein Roman, den ich auch dringend noch lesen möchte.