Bienensterben - Lisa O'Donnell

  • Kurzbeschreibung
    Erscheinungstermin: 8. Oktober 2013
    Heiligabend in Glasgow: Die fünfzehnjährige Marnie und ihre kleine Schwester Nelly haben gerade ihre toten Eltern im Garten vergraben. Niemand sonst weiß, dass sie da liegen und wie sie dahin gekommen sind. Und die Geschwister werden es niemandem sagen. Irgendwie müssen sie jetzt allein über die Runden kommen, doch allzu viel Geld verdient Marnie als Gelegenheits-Dealerin nicht. So ist es ihnen ganz recht, als ihr alter Nachbar Lennie, stadtbekannter (vermeintlicher) Perversling, sich plötzlich für sie interessiert. Lennie merkt bald, dass die Mädchen seine Hilfe brauchen. Er nimmt sich ihrer an und gibt ihnen so etwas wie ein Zuhause. Als die Leute jedoch beginnen, Fragen zu stellen, zeigen sich erste Risse in Marnies und Nellys Lügengebäude, und es kommen erschütternde Details aus ihrem Familienleben zum Vorschein, was ihre Lage nur noch komplizierter macht.
    Mit schnörkelloser Präzision, großem Einfühlungsvermögen und finsterem Humor erzählt Lisa O Donnell die verstörend komische Geschichte dreier verlorener Seelen, die für sich selbst keine Verantwortung tragen können, aber füreinander bedingungslos einstehen.


    Über den Autor
    Lisa O’Donnell wurde mit dem Orange Screenwriting Prize für ihr Drehbuch ›The Wedding Gift‹ ausgezeichnet. Sie lebt mit ihren zwei Kindern in Los Angeles. ›Bienensterben‹ ist ihr erster Roman.


    Meine Meinung:
    Vor wenigen Minuten habe ich die letzte Seite dieses Buches gelesen und obwohl ich bei Büchern dieser Art sonst immer hemmungslos heule, ist mir das hier nicht passiert. Was aber keineswegs heißen soll, daß der Text mich nicht berührt oder angerührt hätte. Nein, im Gegenteil, diese Geschichte hat mich so betroffen gemacht, daß heulen hier die falsche Reaktion gewesen wäre. Marnie und Nelly und Lennie leben ein solch trauriges und bedrückendes Leben, daß man sich über jeden kleinen Fortschritt und jede kleine positive Errungenschaft mit ihnen freut. Dabei hat es mir unheimlich gut gefallen, die Geschehnisse immer aus Sicht jeder der drei Personen geschildert zu bekommen. Ich fand diese Art des Erzählens wirklich sehr reizvoll und gekonnt umgesetzt. Auch die teilweise sehr kurzen Kapitel haben mir das Lesen dieser eigentlich tieftraurigen und dennoch an so vielen Stellen witzigen Geschichte erleichtert.
    Ich habe mich in dieser Geschichte, die sich dazu eigentlich gar nicht eignet wohl gefühlt. Ich habe jede Seite mit Nellys verschrobener altertümlicher Ausdrucksweise geliebt, Marnies Flucherei hat mich begeistert und Lennies Schuldgefühle haben mich betroffen gemacht.
    Dieses Buch ist sicherlich keine Lektüre, die man mal eben so am Strand wegliest und über die man nicht mehr nachdenkt, dazu ist der Text und die Charaktere denkbar schlecht geeignet, alles ist zu plastisch geschildert, als das man einfach so zum Tagesgeschehen zurückkehren könnte.
    Gerade deshalb finde ich aber, daß dies ein unheimlich gutes Buch war. Sprachlich, inhaltlich und emotional.

  • Vorallen Dingen ist es gänzlich anders, als alles, was ich bisher gelesen habe. :-]


    Es ist allerdings nichts für Menschen mit schwachem Magen, die zwei Ladies entsorgen ihre Eltern im Garten und dabei geht es ziemlich widerlich zu... ich fand es fantastisch und sehr realistisch geschildert... :lache

  • Marnie und Nelly haben ihren toten Vater im Garten vergraben und die Leiche ihrer Mutter versteckt. Damit das Jugendamt nicht auf die beiden allein lebenden Jugendlichen aufmerksam wird, müssen sie den Tod der Eltern verheimlichen und nach außen ein möglichst normales Leben inszenieren. Beide Mädchen waren schon einmal im Heim. Vor einer Wiederholung dieser Erfahrung will Marnie die jüngere Nelly dringend schützen. Marnie musste schon als kleines Mädchen die Hausarbeit erledigen und ihre jüngere Schwester betreuen. Da die Mädchen schon immer von den Eltern vernachlässigt wurden, wird es kaum auffallen, wenn die "Totalausfälle" von Eltern angeblich verreist sind. Izzy und Gene haben gesoffen, gekifft, das Haus vermüllt. Mindestens eine der Töchter wurde sexuell missbraucht. Vermutlich würde die Scheinwelt der Schwestern schon bald entdeckt, wenn nicht der Nachbar Lennie die Mädchen versorgen würde. Lennie ist alt und nach dem Tod seines Lebenspartners einsam. Er geht darin auf, für die Mädchen zu kochen und ihnen ein schönes Zuhause zu schaffen.


    Die Zweckgemeinschaft mit Lennie kann nur so lange gutgehen, wie der Sozialhilfescheck regelmäßig kommt, Marnie und Nelly sich nicht verraten und niemand ernsthaft nach Gene und Izzy sucht. Marnie, für ihr Alter deprimierend erfahren in den Abgründen von psychischer Krankheit, Sucht und Drogenhandel, mimt die fürsorgliche ältere Schwester. Nelly nimmt im Team der beiden die Rolle des Sonderlings ein. Sie spielt Geige, sorgt sich um den Zustand der Welt und das Bienensterben und drückt sich so geschraubt aus, als hätte sie ein Wörterbuch verspeist. Falls diese Rollenverteilung aus dem Takt geraten sollte, wäre das Arrangement mit Lennie bedroht. Kurz nacheinander taucht zuerst Mick bei den Schwestern auf, der mit Gene Geschäfte gemacht hat, sowie ein Mann, der behauptet, der Großvater der Kinder zu sein. Marnie misstraut dem angeblichen Opa zutiefst; sie ist überzeugt, dass man ihn besser nicht mit Nelly allein lassen sollte. Die groteske Ausgangssituation mit zwei Leichen war offenbar noch nicht der Tiefpunkt im Leben der vernachlässigten Schwestern, sondern erst der Anfang vom Ende.


    Lisa O'Donnell lässt Marnie, Nelly und Lennie jeweils aus ihrer Sicht die mehr als krassen Ereignisse beschreiben. Alle drei beschönigen dabei die Tatsachen und klammern sich an ihre Sicht der Dinge. Vernachlässigte Kinder können aufgrund ihrer Erfahrung die Welt nur durch die Brille von Kiffen, Saufen und Vernachlässigung beurteilen, muss der Leser ziemlich schnell einsehen. Bei den Figuren des Buches und auch beim Leser macht es mehrmals deutlich "Klick", wenn Schein und Realität sich voneinander trennen und wieder eine Hoffnung auf ein Happy End für die Mädchen den Bach runtergeht. Fiktion sind deprimierende Schicksale wie die von Marnie und Nelly leider keine. Die individuelle Sprache der unterschiedlichen Schwestern macht Bienensterben zu einem beeindruckenden Leseerlebnis.


    9 von 10 Punkten

  • Ein Buch bei dem der Leser selbst die Geschichte im eigenen Kopf entwickelt. Konsequent subjektiv werden die Geschehnisse aus der Perspektive der drei Hauptfiguren erzählt und erst die eigene Addition der Schilderungen ergibt die Geschichte. Eigentlich eine furchtbare Geschichte von Kinder die vernachlässigt werden, von versagenden Eltern und feindlichen Behörden, von Drogen und Sex, von Intoleranz und Diskriminierung. Aber auch eine wunderschöne Geschichte von der Solidarität unter Außenseitern, über Freundschaft und Liebe.


    Ein Buch, das nachhalt.

  • Ein sehr berührendes Buch, das mich unglaublich begeistert hat. Es war so anders, irgendwie neu und dabei so bedrückend und traurig. Die Charaktere waren so klar und authentisch gezeichnet, dass ich mit ihnen gehofft, gefühlt und gelitten hab. Ja, Marnie, Nelly und Lennie sind mir richtig ans Herz gewachsen. Alle drei waren so besonders auf ihre eigene Art und Weise und ich konnte mich super einfühlen.
    Die kurzen Kapitel und der rasche Perspektivwechsel hat den Lesefluss ziemlich beschleunigt und ich empfand es als angenehm passend für die Geschichte. Für mich jetzt schon ein Jahreshighlight, da es mich auch nach dem Lesen noch so lange und intensiv beschäftigt hat. 10 Eulenpunkte von mir. :anbet
    Freue mich schon auf Lisa O'Donnell neuen Roman, der im Sommer erscheint.

  • Wow! Was für ein beeindruckender Debütroman den die Schriftstellerin Lisa O’Donnell geschrieben hat. Ein Buch über zwei Schwestern im teenageralter die bei einem Schicksalsschlag komplett anders reagieren als man gemeinhin erwarten dürfte und eine ungewöhnliche oder viel mehr eine verhängnisvolle Entscheidung treffen. Den eingeschlagenen Weg müssen sie konsequent weiter gehen und gegen alle Widerstände ankämpfen. Unterstützung erfahren sie einzig von ihrem als Perversling verrufenen aber unwissenden Nachbarn der sich, froh endlich wieder eine Aufgabe im Leben zu haben, rührend um die beiden Mädchen kümmert und sich alles andere als der garstige Mensch herausstellt den sie befürchtet haben.


    Es ist eine makabere Geschichte die in der gesellschaftlichen Unterschicht der schottischen Stadt Glasgow spielt. Die Schwestern Marnie und Nelly erfahren von ihren Eltern nie die Liebe und Zuneigung die Kinder erfahren sollten. Als die beiden die Eltern tot im Haus und Schuppen auffinden, alarmieren die beiden Mädchen nicht die Polizei sondern begraben die Eltern nachts im Garten und im Kohlekasten. Dieses Vorgehen ging mir während der ganzen Lektüre nicht aus dem Kopf. Es kann doch nicht sein, dass zwei Teenager eine solch unlogische Entscheidung treffen. Das ist absurd. Das ist töricht. Die Autorin kann doch nicht ernsthaft die Geschichte nicht auf einer solch widersinnigen Tat aufbauen. Ich musste lernen, dass sie es doch kann.


    Nach der Lektüre frage ich mich, wie eine so bittere Geschichte mich derart fesseln konnte. Der Schreibstil ist einfach, fokussiert sich auf das Wesentliche und ist damit sehr präzise. Die Protagonisten sind scharf umrissen und vermögen mit ihren Gedankengängen und Handlungen zu überzeugen. Im Prinzip ist es eine stille Tragödie die mit einer Prise schwarzem Humor unterlegt ist. Das ist das Paradoxe der Literatur. Manchmal funktioniert gerade das Ungewöhnliche, das was man als Leser nie im Leben erwartet hat.


    Fazit: Eine traurige und zugleich spannende Geschichte über zwei Mädchen die versuchen ein Lügenkonstrukt aufrecht zu erhalten und den Alltag zu meistern. Dabei stehen sie schwindelfrei am Abgrund und sind sich ihres Tuns aber nicht den Folgen bewusst. Sehr empfehlenswert! Wertung: 9 Eulenpunkte

  • Bienensterben - Lisa O'Donnell

    • ISBN-10: 3832162925
    • ISBN-13: 978-3832162924
    • Originaltitel: The Death of Bees
    • Taschenbuch: 320 Seiten
    • Verlag: DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG; Auflage: 1 (5. November 2014)

    Klappentext

    Heiligabend in Glasgow: Die fünfzehnjährige Marnie und ihre kleine Schwester Nelly haben gerade ihre toten Eltern im Garten vergraben. Niemand sonst weiß, dass sie da liegen und wie sie dahin gekommen sind. Und die Geschwister werden es niemandem sagen. Irgendwie müssen sie jetzt allein über die Runden kommen, doch allzu viel Geld verdient Marnie als Gelegenheits-Dealerin nicht. So ist es ihnen ganz recht, als ihr alter Nachbar Lennie, stadtbekannter (vermeintlicher) Perversling, sich plötzlich für sie interessiert. Lennie merkt bald, dass die Mädchen seine Hilfe brauchen. Er nimmt sich ihrer an und gibt ihnen so etwas wie ein Zuhause. Als die Leute jedoch beginnen, Fragen zu stellen, zeigen sich erste Risse in Marnies und Nellys Lügengebäude, und es kommen erschütternde Details aus ihrem Familienleben zum Vorschein, was ihre Lage nur noch komplizierter macht.

    Mit schnörkelloser Präzision, großem Einfühlungsvermögen und finsterem Humor erzählt Lisa O’Donnell die verstörend komische Geschichte dreier verlorener Seelen, die für sich selbst keine Verantwortung tragen können, aber füreinander bedingungslos einstehen.


    Die Autorin

    Lisa O'Donnell wurde mit dem Orange Screenwriting Prize für ihr Drehbuch >The Wedding Gift< ausgezeichnet. Sie lebt mit ihren zwei Kindern in Los Angeles. >Bienensterben< ist ihr erster Roman, "Die Geheimnisse der Welt" ihr zweiter.


    Meine Meinung

    Das Buch liest sich wie die Tagebücher dreier Menschen, die chronologisch gemischt wurden. Aus deren unterschiedlichen Perspektiven ergibt sich die Geschichte. Die Kapitel sind konsequent in der Ich-Perspektive und können extrem kurz sein, was zunächst ungewohnt ist, aber mir grundsätzlich ganz gut gefallen hat. Über jedem Eintrag steht der Name der Person, die "redet". Eine größere Unterteilung gibt es nach Jahreszeiten.


    Die handelnden Personen sind:

    Marnie - die ältere Schwester, 15, sehr intelligent, praktisch veranlagt, ziemlich abgebrüht und vom Leben abgehärtet. Sie sorgt sich um ihre jüngere Schwester und sehnt sich immer wieder nach Liebe.

    Nelly - die jüngere Schwester, 12, eine begnadete Violinistin, die sich nach heiler Welt und Familie sehnt. Sie zeigt leichte autistische Züge und mag außer ihrer Schwester kaum Menschen.

    Lenny - der homosexuelle alte Nachbar, Ü70, der seinen Lebenspartner verloren hat und jetzt unter seiner Einsamkeit leidet.


    Als Marnies und Nellys Eltern sterben, haben die Mädchen Angst, im Heim zu landen oder für den Tod der Eltern verantwortlich gemacht zu werden, deshalb vergraben sie die Leichen im Garten (hier wird's ekelhaft). Die Trauer hält sich in Grenzen, da die Eltern mehr für Drogen und Alkohol übrig hatten als für ihre Kinder. Ihrem Nachbarn fällt bald auf, dass die Mädchen mehr als sonst vernachlässigt werden, und er beginnt, sich um sie zu kümmern. Selbst als er an der Geschichte von den verreisten Eltern zu Zweifeln beginnt, deckt er die Mädchen, da sie wieder Wärme in sein Leben bringen, welches nur noch aus Zwiegesprächen mit seinem verstorbenen Partner bestand.

    Marnie versucht, durch Drogenhandel etwas Geld zu verdienen, da das Konto der Eltern leer ist. Sie hängt an ihren Freundinnen und hält Sex für Liebe, hat aber sonst wenig Illusionen. Durchhalten bis sie 16 ist ist ihr Ziel. Da passt ihr das Auftauchen ihres Großvaters gar nicht in den Plan. Nelly freut sich darüber, wieder Familie zu haben, auch wenn sie von der Alkohol und Schläge Vergangenheit des Opas weiß. Doch es wird immer schwieriger, die Augen vor den Tatsachen zu verschließen. Für Lennie ist der strenggläubige Großvater der Mädchen eine Bedrohung seines kleinen Glücks, aber das ist nicht sein einziges Problem. seine Gesundheit lässt immer mehr nach, und sein Hund buddelt ständig in den Beeten auf dem Nachbargrundstück ...


    Mir hat das Buch gut gefallen, es ist mal so etwas ganz anderes. Die ungeschönte Kindheit der Kinder von arbeitslosen, alkoholabhängigen Eltern aus der englischen Unterschicht wird lebendig und mit einem Funken Hoffnung erzählt. Es wird nichts geschönt, aber vor allem Marnie lässt sich nicht unterkriegen. Sie ist eine starke Hauptfigur, ebenso wie ihre Schwester, und Lennie muss man einfach mögen.


    Von mir 7 von 10 Eulenpunkten.

    “You can find magic wherever you look. Sit back and relax all you need is a book." ― Dr. Seuss