Es brodelt in Berlin. Migranten bevölkern die Stadt, werden von den Einheimischen vielfach verachtet oder gar gehaßt, weil sie auf deren Kosten leben, man aber gleichzeitig zu verhindern sucht, daß sie selbst einer Beschäftigung nachgehen können. Die “Ungläubigen” werden in der Kirche nicht gerne gesehen, ein eigenes Gotteshaus wird ihnen allerdings auch nicht gegönnt. Man meidet die Migranten, wo es nur geht, beschwert sich aber, daß diese unter sich bleiben. Und sobald irgendwo etwas passiert, sind natürlich die Zugewanderten schuld...
Das ist nicht etwa ein Buch zur Asylproblematik 2013, sondern der Hintergrund zu einem Roman, der im Jahre 1700 spielt. Diese offensichtliche Parallele ist allerdings der einzige Verweis auf die Gegenwart, ansonsten fühlte ich mich komplett in die Vergangenheit versetzt. Der Autor schafft es mit einer detailreichen, aber keineswegs ausschweifenden Beschreibung, ein gelungenes Bild von Berlin im Jahre 1700 zu zeichnen.
“Das Kreuz der Hugenotten” handelt in erster Linie vom Handschuhmacher Paul Deschamps, der als Flüchtling (im Buch wird dafür ausschließlich das französische “Réfugies” verwendet) in seiner neuen Heimat Berlin immer wieder vor Probleme gestellt wird, von denen die richtige Aussprache seines Nachnamens noch das kleinste ist. In der Kirche ist es zu voll für Lutheraner und Reformierte zusammen, als Handschuhmacher ist er auf gutes Leder angewiesen, daß er in Berlin nicht bekommt, er wird des Mordes an einem Einheimischen verdächtigt und ein anderer scheint ein Auge auf seine hübsche Frau geworfen zu haben.
Nebenbei wird auch noch auf die große Politik eingegangen, schließlich möchte der Kurfürst für seine Untertanen gerade König werden. Hier nimmt sich der Autor allerdings einige erzählerische Freiheiten heraus, ohne sie in einem Nachwort oder ähnlichem kenntlich zu machen. Z.B. wird der Premierminister Danckelmann real bereits 1697 abgesetzt und verhaftet und Friedrichs Krönung zum König in Preußen findet real bereits ein halbes Jahr früher statt als im Buch. Insgesamt sind das allerdings alles Kleinigkeiten, die dem sehr guten Gesamteindruck des Buches nicht wirklich schmälern.
Für mich war “Das Kreuz der Hugenotten” auf jeden Fall ein Geschichtserlebnis der besonderen Art und eines der Highlights, wenn nicht sogar DAS Highlight in diesem Jahr.