314 Seiten
gebundene Ausgabe
Aus dem Italienischen von Esther Hansen
Originaltitel: La collina del vento
Deutsche Erstausgabe: 19. August 2013
Zum Autor
Carmine Abate, geb. 1954 in Carfizzi, Kalabrien, emigrierte in seiner Jugend nach Deutschland und lebt heute als Lehrer im Trentin. Seit 1984 schreibt er Erzählungen, Gedichte und Romane. Vielfach ausgezeichnet, von der Kritik hoch gelobt und beim Publikum beliebt, gilt er als einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Italiens. Für La collina del vento, das sich in kürzester Zeit über 100 000 mal verkaufte, erhielt er 2012 den bedeutenden Premio Campiello.
Zur Übersetzerin
Esther Hansen, diplomierte Übersetzerin, übertrug unter anderen Daria Bignardi, Nino Filastò, Marcello Fois, Diana Lama, Goliarda Sapienza und Susanna Tamaro ins Deutsche. 2008 wurde sie mit dem Förderpreis des Deutsch-Italienischen Übersetzerpreises ausgezeichnet.
Zum Inhalt
Weithin leuchten die roten Matten des Rossarco, wenn im Frühling der Süßklee blüht und der Wind seinen Duft bis hinunter zum Meer trägt. Ein Paradies auf Erden, Schicksalsort der Bauernfamilie Arcuri, den sie mutig und stur verteidigen: Albertos Sohn Arturo gegen den Großgrundbesitzer Don Lico, der ihn später als faschistischer Podestà in die Verbannung schickt. Seine Frau Lina, die, allein mit zwei Kindern, das Land weiter bewirtschaftet und getreu dem Familienschwur keine Handbreit davon preisgibt. (...)
Meine Meinung
"Die Wahrheit ist, dass Orte absolute Treue fordern, ähnlich wie eifersüchtige Liebhaber. Wenn du sie verlässt, tauchen sie früher oder später wieder auf, um dich mit der geheimen Geschichte zurückzuholen, die dich an sie bindet; wenn du sie verrätst, übergeben sie die Geschichte dem Wind, in dem Wissen, dass sie dich überall erreichen wird, selbst am Ende der Welt."
In "Der Hügel des Windes" erzählt Carmine Abate eine bewegende Familiengeschichte und auf den nur 312 Seiten wird viel über das Leben auf dem Lande in Süditalien im 20. Jahrhundert vermittelt.
Schauplatz ist der fiktive Ort Spillace in Kalabrien, wo die Familie Arcuri seit Generationen auf dem Hügel Rossarco lebt. Mit viel Mühe wird das karge Land bestellt und die Leser begleiten die Familie dabei, wie sie gegen die unterschiedlichsten Widerstände kämpft, um den Hügel nicht an andere zu verlieren. Egal ob es ein korrupter Großgrundbesitzer ist, der in den 1930er und 40er Jahren als Parteibonze das Volk in Angst und Schrecken versetzt oder der bekannte Archäologe Paolo Orsi, der gerne den ganzen Hügel nach der antiken Stadt Krimisa durchsuchen würde...
Als ob das Leben auf dem Lande nicht hart genug wäre, kommen der erste und zweite Weltkrieg, die zusätzliche Schicksalsschläge mit sich bringen. Doch die Familie Arcuri hält zusammen, fühlt sich eng verbunden mit ihrem Hügel. Während andere nach La Merika auswandern, bleiben die Arcuris beharrlich in ihrer Heimat. Carmine Abate versteht es, diese kleine und oft ganz und gar nicht heile Welt so lebendig zu zeichnen, dass ich den Duft des Rossarco fast riechen konnte, den Wind auf dem Hügel zu hören meinte.
Der jüngste Spross der Familie, Arturo Arcuri, ist der Ich-Erzähler, der geschickt zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her wechselt. Scheinbar spielerisch leicht gelingt es Carmine Abate, Land und Leute knapp und gleichzeitig so treffend realistisch zu schildern, dass er in 312 Seiten unaufdringlich mehr verpackt, als manch andere Autoren in die doppelte Seitenzahl. Die Nöte und Sorgen der einzelnen Familienmitglieder werden so greifbar, wie ihre große Freude, wenn das Schicksal es gut mit ihnen meint oder sie sich ein großes Ziel erkämpft haben. In meinem Kopf entstanden Bilder einer wunderschönen Landschaft und vom Leben in längst vergangenen Zeiten.
All dies erzählt in poetischer Sprache, wundervoll übersetzt von Esther Hansen und durchzogen von (völlig unaufdringlichen) philosophischen Andeutungen über das Leben und dessen Veränderungen.
Fazit
"Der Hügel des Windes" ist eine wundervoll erzählte Familiengeschichte, bei der die Leser vier Generationen der Familie Arcuri begleiten und ganz nebenbei erstaunlich viel über die italienische Geschichte des 20. Jahrhunderts erfahren, sowie das Leben der Bauern in Süditalien.
Ein bemerkenswertes Buch, ruhig und in poetischer Sprache verfasst, ausgezeichnet von Esther Hansen übersetzt.
P.S. Carmine Abate widmete das Buch seinem Vater und das Nachwort lässt vermuten, dass "Der Hügel des Windes" die Geschichte seiner eigenen Familie ist.