Doktor Schiwago (Doctor Zhivago)

  • It’s an awful time to be alive. / Es ist eine furchtbare Zeit zum Leben. (Lara)


    Originaltitel: Doctor Zhivago
    Regisseur: David Lean
    Drehbuch: Robert Bolt
    Darsteller: Omar Sharif, Julie Christie, Geraldine Chaplin, Rod Steiger, Alec Guiness, Tom Courtenay, Siobhan McKenna, Ralph Richardson, Rita Tushingham, u. v. a.
    Sprachen: Englisch, Deutsch
    Laufzeit: Hauptfilm ca. 192 Minuten, Bonus ca. 130 Minuten
    Altersfreigabe: FSK ab 16
    Erschienen: Film: 1965 / DVD: 2001 (2 DVDs, davon eine doppelseitig)
    EAN: 7321921655715


    Weitere Angaben im Internet:
    - < Klick > - die Seibe bei imdb. com mit komplettem Cast und Credit
    - < Klick > - die Wikipedia-Seite zum Film




    Zum Inhalt (Quelle: eigene Angabe)


    Jurij Schiwago wächst als Waise bei den Gromekos auf, deren Tochter Tonja er später heiratet. Durch die Wirren der Oktoberrevolution trifft er Lara, eine Krankenschwester, wieder, der früher in Moskau schon begegnet war. Lange wehren sie sich, doch am Ende werden sie ein Liebespaar. So gerät Schiwago auch privat zwischen die Fronten, denn er liebt seine Frau, aber auch Lara. Aber auf solche privaten Dinge nimmt die mit der Revolution angebrochene neue Zeit keine Rücksicht und unerbittlich geht das Schicksal seinen Lauf.




    Meine Meinung


    „Weiß du wohin...“. Wem fällt nicht gleich die Melodie zu diesen Worten ein. Laras Theme, die Schiwago-Melodie - gleich dem Film inzwischen ein Klassiker geworden. Dabei hatte gerade diese Melodie einen schwierigen Start. David Lean gefielen die ersten beiden Vorschläge von Maurice Jarre überhaupt nicht. So meinte er, daß er mit seiner Partnerin in die Berge fahren, alles vom Film und von Russland vergessen und nur für sie eine Melodie schreiben solle. Als Jarre zurück kehrte, hatte er Laras Theme dabei.


    Das Buch war in der damaligen Sowjetunion verboten, Dreharbeiten an Originalschauplätzen schieden also aus. David Lean, dem man das Projekt anvertraut hatte, reiste rund 10.000 Meilen, bevor der Drehort feststand: Rußland würde in Spanien erstehen. Und so kommt es, daß die russischen Weiten, die man im Film sieht, sich in Spanien befinden. Dort baute man minutiös das Moskau der Jahrhundertwende nach. An diesem riesigen Set entstand der größte Teil des Films. Einmal bekam man dann sogar Schwierigkeiten mit der Polizei, und zwar als die Demonstration gedreht wurde, und die Menschen die Internationale sangen. Es war Franco-Spanien, und die Polizei fürchtete einen Aufruhr. Es bedurfte wohl einiger Mühe, sie davon zu überzeugen, daß hier ein Film gedreht wurde. Sie blieben aber doch in Sichtweite - um zu sehen, wer von den spanischen Komparsen den Liedtext auswendig konnte.


    Aber auch mit dem Wissen, daß nicht in Rußland gedreht wurde, daß etliche der Winterszenen im nördlichen Finnland, rund 10 km von der sowjetischen Grenze entfernt, gedreht wurden, fühlte ich mich dennoch direkt ins alte und revolutionäre Rußland versetzt, so gute Arbeit leistete das Filmteam.


    Wenn man sich heute diesen Film ansieht, vermag man sich vermutlich überhaupt nicht so recht vorzustellen, was da alles dahintersteckt, welche Leistungen von jedem einzelnen erbracht wurden, um dieses Ergebnis zu erreichen. Denn es gab weder CGI (Computer Generated Imagery, am Computer erzeugte Bilder), keine digitalen Aufnahmetechniken, keine Special Effects, wie man sie heute als normal ansieht. Aber vielleicht gerade deshalb, weil hier wirkliche Könner ihres Fachs am Werke waren, ist das Ergebnis auch heute noch, knapp fünfzig Jahre nach Entstehung, sehenswert.


    Das Hauptaugenmerk der Geschichte liegt hier weniger auf den politischen Fragen, sondern der Liebesgeschichte zwischen Jurij und Tonja sowie Jurij und Lara. Diese ist so gut erzählt, daß seinerzeit, wie man dem Bonusmaterial entnehmen kann, niemand an der „Dreiecksbeziehung“ Anstoß nahm.


    Eingebettet ist die Geschichte jedoch in die historischen Ereignisse, in die Zeit vor, während und nach der russischen Oktoberrevolution, die wie ein Sturm über das Land fegt und keinen unberührt läßt. Lag in dem etwa zur gleichen Zeit spielenden „Der stille Don“ der Fokus auf dem Schicksal der Don Kosaken und dem Grauen des Krieges und der Revolution, so wird Letzteres hier zwar auch recht deutlich, ist aber nicht das Hauptthema. Schiwago ist ein Arzt, der sich eher auch als Poet sieht und tätig sein möchte, der aber in die Wirren des Krieges hineingezogen wird. Seine Poesie wird vom neuen Regime nicht geschätzt, er darf nicht veröffentlichen.


    Das ist nicht die einzige Parallele zum Leben des Autors Boris Pasternak. Auch die Beziehungen Schiwagos zu den beiden Frauen finden sich bei Pasternak; Olga Iwinskaja hieß Lara im „richtigen Leben“.


    Der Film ist auf eine Weise klassisch gemacht, wie man es heute nur noch selten bis überhaupt nicht findet. Ruhige Kameraführung, langsame Erzählweise. Mit einer richtigen Ouvertüre zu Beginn und nach der Pause, in die man mit dem Ruf „Strelnikoff“ und einem in rasendem Tempo vorbeifahrenden gepanzerten Zug entlassen wird.


    Über drei Stunden hat man in der Welt des Doktor Schiwago verbracht, wenn der Film sich dem Ende nähert, wenn ein letztes Mal jene Melodie erklingt, zu deren Aufnahme man sich bei einer orthodoxen Gemeinde in LA Balaleikaspieler suchen mußte, weil niemand im MGM-Orchester dieses Instrument beherrschte. Drei Stunden fernab der heutigen Realität hat man gelitten, sich gefreut, geweint, gelacht, und auf einen wie auch immer guten Ausgang gehofft. „It’s an awful time to be alive. / Es ist eine furchtbare Zeit zum Leben,“ sagt Lara in einer Szene zu Schiwago, der ihr widerspricht.


    Letztlich bleibt es jedem selbst überlassen, welcher Meinung er zustimmt. Nur trotz dieser schlimmen Zeiten zählt „Doktor Schiwago“ wohl zu den schönsten, vielleicht auch ergreifendsten Liebesgeschichten, die das Kino zu bieten hat.



    Kurzfassung


    In den Wirren der Oktoberrevolution finden, verlieren, suchen Jurij, Tonja und Lara nach so etwas die Liebe und Glück. Eine zeitlose Liebesgeschichte.
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Beim Suchen nach den Angaben für den Film bin ich darauf gestoßen, daß es noch eine Neuverfilmung aus dem Jahre 2002 gibt.
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    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich liebe diesen Film, die Musik die Landschaft auch wenn es jetzt Finnland ist.


    Die Menschen, die Dramen die sich aus politischen Gründen entfachen, natürlich auch die großartigen Darsteller, fantastisch.

  • Also meine Mutter schwärmte immer für den Film:" oh wie schööööööööööööööön..."Mußt du unbedingt sehen.
    Irgendwann habe ich den dann mal geschaut und muß sagen, hm nix besonderes. Gut gemacht allemal aber auch ziemlich lang und stellweise langatmig um nicht zu sagen langweilig...

  • Zitat

    Original von oemchenli
    Also meine Mutter schwärmte immer für den Film:" oh wie schööööööööööööööön..."Mußt du unbedingt sehen.


    :grin Im Interview (während der rund einstündigen Making-of-Doku) sagt Geraldine Chaplin (Tonja), daß zu der Zeit, als der Film herauskam, sie auf der Straße angesprochen wurde so etwa "Oh, Geraldine Chaplin - Doktor Schiwago - mein Lieblingsfilm". Wenn sie heute (Interview von etwa 1995) angesprochen würde, dann etwa "Oh, Geraldine Chaplin - Doktor Schiwago - der Lieblingsfilm meiner Mutter". :grin



    Zitat

    Original von oemchenli
    Irgendwann habe ich den dann mal geschaut und muß sagen, hm nix besonderes. Gut gemacht allemal aber auch ziemlich lang und stellweise langatmig um nicht zu sagen langweilig...


    Da haben wir offensichtlich einen recht verschiedenen Geschmack. Ich fand ihn (trotz über drei Stunden Laufzeit) weder lang noch langatmig, und überhaupt nicht langweilig. Im Gegenteil, ich hätte noch länger zuschauen können ...

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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    Ich hab' das Buch bislang nicht gelesen. Boris Pasternak steht auf meiner Warteliste unter russischen Autoren und Werken aus dem 19. und 20. Jahrhundert aktuell auf Rang 23 - hinter Paustowskij, Leskow, Zamjatin, Saltykov, Remizov, Gogol, Lermontov, Bulgakov, Gontscharow, Bunin, Tschechow und einigen anderen. Vor 2025 wird dies also bei mir wohl nichts werden mit der Lektüre von Doktor Schiwago.




    Zum Regisseur David Lean:



    Ich schätze insbesondere seine britischen Frühwerke: 'Brief Encounter' (1946), nach einer Vorlage von Bühnenautor Noel Coward, plus Leans Romanverfilmungen von Charles Dickens: 'Great Expectations' (1946) & 'Oliver Twist' (1948).



    Seine glatt gebügelten Hollywood-Epen fallen meiner Ansicht nach dagegen ab, werden weithin überschätzt und machen oft allerlei kommerzielle Zugeständnisse an den Massengeschmack.


    'The Bridge on the River Kwai' (1957) hat mich nicht sonderlich beeindruckt; 'Lawrence of Arabia' (1962) finde ich passabel. Doch Doctor Zhivago, der 1965 in die Kinos kam, ist in meinen Augen ein Tiefpunkt in der Karriere des Regisseurs. Zu viel Pathos und aufgesetzte Sentimentalität, leicht kitschig, langatmig, ohne Tiefgang.....



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    Siehe dazu auch die renommierten Kritiker & Filmhistoriker Enno Patalas und Ulrich Gregor in ihrem Standardwerk 'Geschichte des Modernen Films':


    >>....wie auch Carol Reed wurde David Lean in den weiteren Jahren zum Imitator seiner frühen Erfolge und schloss immer verhängnisvollere Kompromisse mit der Industrie. Spätestens ab 1955 triumphierte in Lean vollends der Apologet britischer Lebensart über den vormals brillanten Sitten- und Menschenschilderer....<<





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