Autorin: Kristin Ganzwohl
Titel: Geliebter Mörder
Klappentext:
Es wird dunkel, eiskalt und sehr still:
der Mann, den ich liebe, ist ein Mörder
Kristin Ganzwohl lernt Claus bei einer Partnerbörse im Internet kennen. Ein Glücksfall, beide sind Anfang vierzig, und schon bald fühlt es sich an wie Liebe.
Bis er ihr nach vier Monaten ein Geständnis macht, das Kristin ins Bodenlose stürzen lässt: Claus hat elf Jahre zuvor seine Freundin umgebracht - er ist ein verurteilter Mörder…
Der packende Bericht einer Frau, die entscheiden muss, ob eine Liebesbeziehung mit einem Mörder möglich ist.
Wie ich zu dem Buch kam…
Die Journalistin Kristin Ganzwohl war vor einigen Wochen zu Gast bei einem Radiosender, wo sie in der täglich gesendeten zweistündigen Morgensendung ihre Geschichte erzählte, und dass sie ein Buch darüber geschrieben habe. Während der Arbeit hörte ich zufälliger-weise Ausschnitte dieses Radiointerviews und es machte mich neugierig.
Später recherchierte ich, ob unsere Stadtbibliothek dieses Buch hätte und ließ es für mich vormerken.
Nachdem ich es abholen konnte, habe ich auch direkt mit dem Lesen begonnen und habe es innerhalb von zwei Tagen gelesen.
Wahre Geschichte???
Das Radiointerview, der Klappentext und vor allem auch der Zusatz direkt unterhalb des Buchtitels „Eine wahre Geschichte“ ließen darauf schließen, dass es sich um einen Tatsachenbericht, eine realistische Biografie handeln würde. Etwas enttäuscht war ich daher, als ich gleich eingangs des Buches folgende Vorbemerkung lesen musste:
Vorbemerkung
Dieses Buch erhebt keine Faktizitätsanspruch. Es basiert zwar zum Teil auf wahren Begebenheiten und behandelt typisierte Personen, die es so oder so ähnlich gegeben haben könnte. Diese Urbilder wurden jedoch durch künstlerische Gestaltung des Stoffs und dessen Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus diess Kunstwerks gegenüberden im Text beschriebenen Abbildern so stark verselbständigt, dass das Individuelle, Persönlich-Intime zugunsten des Allgemeinen, Zeichenhaften der Figuren objektiviert ist. Für alle Leser erkennbar erschöpft sich der Text nicht in einer reportagehaften Schilderung von realen Personen und Ereignissen, sondern besitzt eine zweite Ebene hinter der realistischen Ebene. Es findet ein Spiel der Autorin mit der Verschränkung von Wahrheit und Fiktion statt. Sie lässt bewusst Grenzen verschwimmen.
Erstens finde ich die Ausdrucksweise dieser Vorbemerkung unglaublich hochtrabend und geschwollen, allein darüber könnte ich mich schon aufregen!
Und außerdem befindet sich diese „Vorbemerkung“ nicht etwa wie ein richtiges Vorwort am Anfang des Romans, sondern ganz kleingedruckt auf derselben Seite, wo Auflage, Copyright, Umschlaggestaltung usw. vermerkt sind.
Den meisten LeserInnen würde das wahrscheinlich gar nicht auffallen und wird wahrscheinlich oft einfach überblättert werden.
Es macht den Eindruck, als sei dies so beabsichtigt, damit die LeserInnen das möglichst gar nicht mitkriegen, weil sich so eine Geschichte als „wahre Geschichte“ natürlich viel besser verkaufen lässt!
Schreibstil / Ausdrucksweise / Lesefluss
Dazu muss ich sagen, dass es sich sehr gut liest. Es ist eine interessante Geschichte ohne Längen. Der Schreibstil ist okay.
Informationen / Fakten
Man erfährt ein paar Details über den Gefängnisalltag usw., aber nicht allzu viel. Wenn man bedenkt, dass es sich um eine „wahre Geschichte“ handeln soll, wundert es mich, dass nicht mehr Einzelheiten geschildert wurden (z.B. über den Prozess, Therapiesitzungen o.ä.).
Es geht wirklich hauptsächlich nur darum, wie die Autorin mit ihren Gefühlen klar zu kommen versucht, dass ihr Freund ein verurteilter Mörder ist. Wie sie damit umgehen soll, ob sie unter diesen Umständen mit ihm zusammen bleiben kann/will, wie das Umfeld darauf reagiert usw.
Von der Perspektive ihres Freundes, also dem Täter, erfährt man kaum etwas. Er hat an der Entstehung des Buches, an der Aufarbeitung des Themas offensichtlich in keinster Weise helfend mitgewirkt.
Dass er ihr aber auch generell nicht gerade sehr geholfen hat, mit der ganzen Situation klar zu kommen und sie nicht in ihren Bemühungen unterstützt hat, die Vergangenheit nachzuvollziehen, um ihn besser verstehen zu können, wird auch im Buch deutlich.
Davon abgesehen finde ich aber dennoch, dass ein paar mehr Fakten in das Buch hätten einfließen dürfen, zumal die Autorin schließlich Journalistin ist! Da habe ich ja beispielsweise in dem rein fiktiven Roman „Das Herz meiner Tochter“ (??) von Jodie Picoult mehr über Gefängnisalltag erfahren!
Meine Meinung
Teilweise hat mich das Verhalten der Autorin total genervt, z.B. hat sie sich selbst freimütig als jemanden bezeichnet, der bei Streits oft und gerne laut wird, als ob das halt dazu gehören würde, und hat auch zugegeben, dass sie ihren Freund schon des öfteren einfach irgendwo hat stehen lassen, oder einfach türenknallend abgezischt ist, wenn es Streit gab.
So sehr ich diese Impulsivität nachempfinden kann - aber diese Frau ist über vierzig und führt sich so pubertär auf?? Also bitte!!
Oder wie sie beispielsweise kaum erwarten konnte, allen ihren Freundinnen die neueste schockierende Nachricht zu übermitteln, dass ihr Freund ein Mörder ist!!! Und wie sie kaum erwarten konnte, was ihre Freundinnen dazu sagen würden und was sie ihr raten würden!
Sie ging richtig hausieren mit dieser Nachricht und holte sich sämtliche Meinungen ein, anstatt erst einmal alles sacken zu lassen und sich mit sich selbst auseinander zu setzen.
Es kommt auch ganz klar zum Ausdruck, wie beeinflussbar und abhängig von der Meinung ihrer Freunde sie ist, denn seitenweise werden dann die Dialoge geschildert, und auch wie sie automatisch in die Defensive geht, und ihren Freund verteidigt und auf Teufelkommraus bei ihren Freunden um Verständnis heischt und die Bestätigung sucht, dass es die richtige Entscheidung sei, bei ihm zu bleiben und ihm eine Chance zu geben - obwohl sie selbst da so ihre Zweifel hat!
Sympathisch waren mir dagegen ihr Bestreben, mit ihrem Freund darüber reden zu wollen, alles erfahren zu wollen, wie es zu der Tat kam, wie seine Beziehung zum Opfer gewesen war, wie ihn das alles verändert hatte usw.
Außerdem imponierte mir auch, dass sie auch ganz offen zugab, dass er in vielen Punkten überhaupt nicht zu ihr passte, dass er sich keine große Mühe gab, diese Dinge mit ihr zusammen aufzuarbeiten (z.B. in einer Paartherapie) usw.
Nachdem sie ihn vor ihren Freundinnen immer in Schutz nahm, ihn zum Traumprinzen verklärte usw., verdient es Anerkennung, dass sie seine negativen Seiten schildert und nicht versucht, diese zu vertuschen und schön zu reden.
Aber wenn er ihr auch brav Rede und Antwort steht - viel mehr kommt von seiner Seite nicht. Er gibt sich keine Mühe, sich in sie hineinzufühlen und ihr zu helfen, mit dieser Situation klar zu kommen.
Auch ansonsten führt er sich in Alltagssituationen oft wie ein arroganter Snob auf und nicht wie jemand, der frisch verliebt ist und diese Frau dafür liebt und schätzt, dass sie ihm eine zweite Chance im Leben gibt.
Viel mehr scheint er ein sportversessener Egoist zu sein, und ich hab das Gefühl, dass er seine Freundin eigentlich nur verar…t.
Was ihr tatsächlich wichtig ist, ist ihm doch egal!
Und genauso hat er sich auch früher seiner Exfreundin gegenüber benommen! Die Autorin selbst schildert eine Situation, die er ihr berichtet hat, und zwar hatte er sich damals über das Heiraten lustig gemacht und damit seine damalige Freundin bloßgestellt und ihre Gefühle verletzt! Was für ein arrogantes A…loch tut so etwas?! Als die Beziehung dann aber den Bach runterging, gab es für ihn nichts Wichtigeres mehr, als sie unbedingt zurück zu gewinnen (mein Eindruck ist, dass es ihm da mehr um sein Ego ging, als um wahre Liebe!), bis hin zum heimtückischen Mord!!!
Mein Fazit
Ich kann überhaupt nicht erkennen, warum die Autorin ihre Beziehung zu diesem Mann als eine „große Liebe“ ansieht. Er ist ein egoistischer, sportfanatischer Kontrollfreak, wenig einfühlsam, eitel und hat in nahezu jeder Hinsicht gegenteilige Ansichten als sie. Was verbindet dieses Paar?! Ich an ihrer Stelle hätte längst Schluss gemacht! Aber nicht deswegen, weil er ein verurteilter Mörder ist, sondern weil dieses Paar überhaupt nicht zusammen passt und nicht mal besonders sympathisch ist. Ich wette, die bleiben nicht zusammen!
Interessant und lesenswert finde ich das Buch auf jeden Fall!
Ich würde aber jedem raten, es sich nach Möglichkeit auszuleihen.
17,99 € (gebundene Ausgabe) auszugeben, ist es meiner Meinung nach nicht wert, und außerdem habe ich stellenweise das Gefühl, die Autorin führt diese Beziehung nur, weil sie durch diese Story ein Buch herausbringen konnte.