Das Haupt der Welt - Rebecca Gablé

  • Zitat

    Original von Josefa
    Mein ganz persönlicher Zahnschmerz sind Fantasy-Elemente wie der Wassergeist, der Tugomir im Buch gelegentlich die Zukunft vorhersagt. Vermutlich ist diese romantische Komponente nach Ansicht des Verlags der überwiegend weiblichen Leserschaft von historischen Romanen geschuldet.


    Genau das gefällt mir sehr gut und es ist für mich alles andere als ein "romantisches" Element. Ich bin eigentlich kein Fantasy Leser, liebe aber Guy Gavriel Kay. Er schreibt historische Fantasy und erklärt, dass für ihn diese fantastischen Elemente absolut dazu gehören, weil sie für die damalige Zeit Teil der Glaubenswelt der Menschen waren. Es ist unmögilch die Psychologie und die Handelsweisen der Menschen in ihrer Zeit zu verstehen ohne diese fantastischen Elemente einzubeziehen, an die sie damals fest geglaubt haben.


    Vielleicht auch deswegen ist letztlich Tugomir die Figur, die ich als Leser am besten verstehen kann.


    Kay hat übrigens einen sehr guten Roman "The Last Light of the Sun" über Alfred den Großen, Edithas Großvater, geschrieben, den ich sehr empfehlen kann. Fantasy Leser beschweren sich, dass nicht genug Fantasy drin ist, aber für mich war es genau die richtige Menge.
    Auf deutsch ist es "Die Fürsten des Nordens", aber wohl nur noch antiquarisch zu finden.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Da das Buch mittlerweile auch als Taschenbuch erschienen ist, bin ich nun endlich auch einmal dazu gekommen es zu lesen.


    Der slawische Fürstensohn Tugomir gerät bei dem Sturm der Brandenburg zusammen mit seiner Schwester Dragomira in sächsische Hände und fristet von nun an ein Leben als Sklave der Sachsen. Da die beiden Völker verfeindet sind und vor allem auch unterschiedliche Glaubensauffassungen haben wird Tugomir nur wenig Sympathie entgegen gebracht bis er schließlich Prinz Otto das Leben rettet.


    Ich persönlich habe mich etwas schwer mit diesem Buch getan. Ich kann noch nicht einmal genau sagen, woran es lag. Selten habe ich so lange gebraucht einen Gablé-Roman zu Ende zu lesen. Die hier schon angesprochenen Folter- und Sexszenen haben mich dabei eher weniger gestört, ich hatte eher Probleme mich mit den Protagonisten zu identifizieren. Dies mag daran liegen, dass in diesem Buch im Gegensatz zu ihren vorherigen Werken nicht nur aus der Perspektive von ein oder zwei Protagonisten geschrieben ist, sondern sich mehrere Erzähler immer wieder abwechseln. Ich habe schon bei anderen Büchern festgestellt, dass mir diese Vorgehensweise nicht unbedingt zusagt.
    Zudem war diesmal sogar der Hauptprotagonist eine historisch verbürgte Person. Auch wenn nicht allzu viel über Tugomir bekannt ist, so liefert doch das Wenige, das bekannt ist ein Handlungsgerüst, an dem man sich entlanghangeln muss und wodurch die Entwicklung der Personen vorgegeben ist.
    Auch die zwischenzeitlich recht ausschweifenden Diskussionen über Religion waren mir persönlich etwas viel. Natürlich spielen sie für die Handlung eine wichtige Rolle, denn die Invasion des Slawenlandes wird immerhin mit der Chrisitanisierung begründet, nichtsdestotrotz hätte es hier für mich etwas weniger sein dürfen. Die slawische Religion fand ich hingegen sehr interessant, wohl gerade weil ich bis dato noch nicht wirklich viel darüber gelesen habe.


    Alles in allem konnte mich das Buch leider nicht wie gewohnt mitreißen. Im Vergleich zu manch anderem historischem Roman ist dieses zwar immer noch gut, reicht für mich jedoch nicht an ihre bisherigen Werke heran.


    Edit: ISBN der TB-Ausgabe ergänzt

    :lesend Jay Kristoff; Nevernight - Die Rache

    :lesend Laura Imai Messina; Die Telefonzelle am Ende der Welt (eBook)

    :lesend Rebecca Gablé; Teufelskrone (Hörbuch: Detlef Bierstedt)

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  • Wiedermal schaffte es die Autorin eine Epoche bildhaft und lebendig dazustellen. Zur Spannung im Buch trägt natürlich die Beziehungen zwischen Otto I., Tugomir, Thankmar u. a. bei. Das Spektrum dieses Buch reicht von grausamen Szenen bis zu sehr poetischen Momenten. Besonders gut dargestellt, war die Beschreibung des Lebens der slawischen Stämme und die Einflüsse der Christianisierung auf diese alte und traditionelle Lebensweise. Allerdings hat mich das Buch am Ende etwas ratlos zurückgelassen, weil ich das Gefühl hatte, dass irgendetwas fehlt.

  • Ein Gable Roman- ein Garant für unterhaltsame Lektüre, bei der ich auch noch etwas lerne. Wunderbar!


    Das frühe Mittelalter ist mir allerdings sehr wenig zugänglich. Etwas später, mit etwas mehr Zivilisation liegt mir anscheinend mehr.


    Trotzdem ein gutes Buch, 9 Punkte.

  • Rebecca Gablé ist für mich eine Autorin, die mir immer wieder neu zeigt, warum ich „Historische Romane“ so liebe. Sie schaffte es von der ersten Zeile an uns Leser in vergangene Zeit zu entführen und lässt uns Teil haben am Leben ihrer Figuren.
    Das Cover ist wie ich es mag klassisch, stilvoll, schlicht und sehr ausdrucksvoll. Die Farbgebung gefällt mir besonders gut. Der Klappentext bietet eine sehr kurze und knappe Zusammenfassung des Romans, dennoch machen diese wenigen Worte neugierig und umreißen den Plot sehr gut.
    Der Roman hat den Aufstieg Ottos I zum Thema, sein Weg vom Prinzen bis hin zu den ersten Jahren seiner Regentschaft. „Die fremde Königin“ Teil 2 dieser Reihe erscheint am 27. April 2017.
    Im Mittelpunkt neben Otto steht vor allen Dingen Tugomir, der slawische Fürstensohn, den Otto sowohl als Geisel, wie auch als Freund betrachtet. Die Leben der beiden werden durch die politischen Machtkämpfe für immer miteinander verwoben sein. Aber auch Tugomirs Schwester Dragomira und Ottos Frau Editha sind sehr beeindruckende Persönlichkeiten, die sich trotz ihrer Rolle als Frau eine Stimme in dieser Zeit verschaffen. Was mich an diesen Personen besonders begeistert hat ist die Entwicklung, die diese Figuren im Laufe des Romans erleben. Aber auch viele Nebenfiguren zeichnet die Autorin mit einer ungeheureren Liebe zur Detailverliebtheit. Alle Figuren wirken echt, lebensnah und überzeugend in ihrem Handeln und Sprechen. Die Vermischung von fiktiven und historischen Persönlichkeiten schafft die Autorin exzellent, sodass man während des Lesens keine Unterschiede merkt.
    Der Roman wird chronologisch erzählt, zu Beginn geben die Orts- und Zeitangaben dem Leser einen guten Orientierungspunkt. Die vielen verschiedenen Erzählperspektiven tragen zur sehr lebendigen Erzählweise bei, hinzu kommt dass auch die Eigenheiten der verschiedenen Völker in den Perspektiven sehr gut herausgearbeitet wurden.
    Der Schreibstil ist wie von Rebecca Gablé gewohnt, sehr süffig und angenehm zu lesen. Die Seiten fliegen nur so dahin und man merkt gar nicht, wann man eine Seite umblättert. Erzählende Passagen wechseln sich mit Dialogen ab, sodass keine Langeweile auftaucht.
    Ein Personenregister, eine Karte und die historischen Anmerkungen runden diesen Roman ab.
    Diesen Roman kann ich jedem Leser nur an Herz legen, für mich ist Rebecca Gablé die „Königin des historischen Romans“ in Deutschland. Keine schafft es so wie sie, den Leser über 800 Seiten so zu fesseln und in vergangene Zeiten zu entführen. Nach Waringham ist dies nur ihre Hommage an die Deutsche Geschichte!
    Absolute Lese- und Kaufempfehlung für alle!

  • Zitat

    Original von hollyhollunder


    Wie gesagt, ich rate von vorbereitender Lektüre die das Leben von Otto und den Seinen behandelt ab. Es passiert so einiges geschichtlich korrektes im Buch und man nimmt sich wirklich die Überraschung, wenn man weiß, wie es in der Wirklichkeit so weiterging. Ich habe erst danach recherchiert.
    Und im Nachwort wird ziemlich genau beschrieben, wo die Autorin künstlerische Freiheit walten ließ, ihre eigene Phantasie die Feder führte oder einfach das historische Material fehlte.


    Ich habe das Nachwort direkt am Anfang gelesen, weil mich der Anfang schon neugierig gemacht hat. Diese Nachwort ist herrlich, ehrlich und sehr humorvoll und hat mich dann doch animiert gleich mal geschichtliches nachzuschlagen. Was mir aber das Lesevergnügen keineswegs schmälert.

  • Brandenburg im Jahr 929: Sachsenkönig Heinrich I. greift mit seinen Söhnen Thankmar und Otto die Slawen an und tötet Fürst Vaclavic. Seinen Sohn Tugomir und dessen Schwester Dragomira verschleppt er nach Magdeburg. Mit den Jahren macht sich Tugomir zwar einen Namen als Heiler und rettet auch Otto das Leben, aber er bleibt eine Geisel am Hof von König Heinrich. Nach wie vor lebt er als Heide in der christlichen Welt und ist nicht bereit, seinen Göttern abzuschwören und den Gott der Sachsen als "wahren Glauben" zu akzeptieren. Dragomira wird Ottos Geliebte und schenkt ihm einen Sohn. Als Heinrich Otto als seinen Nachfolger benennt und außerdem die Ehe mit der angelsächsischen Prinzessin Editha für ihn arrangiert, wird Dragomira in ein Kanonissenstift geschickt.
    Otto wird nach Heinrichs Tod König und Tugomir der Lehrer seiner Kinder. Aber nicht alle sind mit dem zweitältesten Sohn Heinrichs auf dem Thron einverstanden und immer wieder gibt es Widersacher in den adeligen Kreisen, um Otto zu stürzen. Allen voran intrigiert sein jüngerer Bruder Henning gegen Otto, denn er sieht sich selbst als rechtmäßigen Thronfolger, der "im Purpur geboren" wurde, da sein Vater zu der Zeit bereits König war. Ottos älterer Bruder Thankmar dagegen ist ganz zufrieden mit Heinrichs Entscheidung, da er selbst nie das Verlangen nach der Krone hatte.
    Otto stehen schwere Zeiten bevor und eines Tages wendet er sich mit einem ungewöhnlichen Plan an Tugomir, der mit den Jahren Freund und Feind zugleich geworden ist.


    "Das Haupt der Welt" erzählt über einen Zeitraum von zehn Jahren die Anfänge von König Otto, später auch Otto der Große.
    Wie immer gelingt es Rebecca Gablé Geschichte so zu erzählen, dass man glaubt, man wäre selbst dabei gewesen. Beim Lesen wird das 10. Jahrhundert lebendig, man sieht die Pfalzen und Burgen, die slawischen Tempel, die Flüsse und Wälder vor sich.
    Historische Fakten werden wunderbar mit Fiktion verknüpft und die Autorin füllt die "leeren Flecken" so, dass man denkt: Ja, so könnte es gewesen sein.
    Auch die Charaktere sind authentisch dargestellt. Tugomir als slawischer Priester, der ständig zwischen zwei Welten hin und her gerissen ist und Otto, der als späterer König schwere Entscheidungen treffen muss, sind sich ähnlicher, als beiden lieb ist.
    Dann Thankmar, der leider ein trauriges Ende nimmt. Dragomira, die eigentlich nur geliebt werden möchte und natürlich das Beste für ihren Sohn will.
    Ich denke, jeder Leser hat hier seine Favoriten, die er entweder liebt oder hasst.


    Von Anfang bis Ende fühlte ich mich gut unterhalten und es war sehr interessant für mich, auch mal etwas über die frühe deutsche Geschichte zu erfahren. Und wenn sie dann noch erzählerisch so gut verpackt ist, da bleiben beim historisch interessierten Leser eigentlich keine Wünsche offen.
    Am Anfang ist dargestellt, welche Personen tatsächlich gelebt haben und welche erfunden sind. Und auch im Nachwort der Autorin erfährt man noch einige interessante Dinge.


    "Das Haupt der Welt" war für mich spannend, auch mit witzigen und emotionalen Momenten. Deswegen gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung.


    Und für mich ist jetzt klar, dass ich die Fortsetzung von Ottos Geschichte in "Die fremde Königin" auch lesen werde.