OT: De dwergjes van Tuil 1976
Die Tullezwerge leben auf der Heide. Es gibt einhundert von ihnen und sie sind winzig klein. Um ohne Hunger über den Winter zu kommen, reichen ihnen sieben Kartoffeln und zwölf Möhren. In den schönen Jahreszeiten leben sie von Nektar. Für den haben sie eine ausgesprochene Vorliebe, aber genau damit beginnt ihr erstes Abenteuer. Eines Tages kommt nämlich ein Bienenschwarm und siedelt sich an der nächstgelegenen Tanne an. Von nun an haben die Zwerge Konkurrenz beim Nektarsammeln und noch dazu eine, die schneller ist als sie. Was nun? Rückzug? Krieg? Gut, daß es Klein Pier gibt, den kleinsten der Tullezwerge. Er macht nämlich eine überraschende Entdeckung. Dabei hatte er eigentlich nur seine Mütze auf einer Blüte vergessen …
Schon die einführende Geschichte gibt die Stimmung vor, die in diesem Kinderbuch herrscht. Spannung, Pfiffigkeit, Sprachwitz und schiere Erzähllust bestimmen den Handlungsablauf. Auch wenn Zwerge und sprechende Tiere vorkommen, wird an keiner Stelle süßlich verniedlicht. Die Zwerge sind oft laut und tolpatschig, gedankenlos, faul, aber zugleich lernfähig und bereit, Erfahrungen umzusetzen
Ihre Gruppe ist ihnen wichtig, wesentlich ist, gut über den Winter zu kommen. In dieses Gemeinschaftsprojekt fließen alle Kräfte der Einzelnen ein. Es gibt einen Helden, Klein Pier, der sich als einfallsreich und mutig erweist. Die anderen um ihn herum, Buckeldieter und Zwirn, Ate, Klotz und viele mehr, sind aber wichtig, um seine Ideen umzusetzen. Das wird unaufdringlich lehrreich präsentiert. Nur wenn man zusammenhält, klappt, was man vorhat.
Die Schwierigkeiten, die die Tulle-Zwerge bewältigen müssen, sind lebensbedrohend, etwa, wenn der Bauer, dem das Ferne Feld gehört, einen Zaun um seinen Acker aufstellt, dessen Maschen so eng sind, daß keine Kartoffel mehr durchpaßt. Oder wenn die Zwerge mit den gefürchteten Bienen Kontakt aufnehmen müssen. Oder ein Kaninchen retten und das in den dunklen verwinkelten Gängen des Kaninchenbaus. Huh!
Die Geschichte mit Klein Pier und dem Schmetterling Daphne ist dann wieder etwas für RomantikerInnen, Spannung und Humor sind aber richtig verteilt, so wird auch sie nicht sentimental. Am Ende gibt es dann noch eine zusätzliche Überraschung für die Zwerge, wie für die LeserInnen.
Das Buch macht gleichermaßen Sapß beim Lesen und Vorlesen, die Handlung ist nicht eindimensional, erheitert und begeistert daher durchaus auch Erwachsene. Der einzige Einwand, den man heute erheben könnte, ist der, daß die Tullezwerge eine arg frauenlose Gesellschaft sind. Es treten ausschließlich Männer auf.
Die Kinderbücher von Paul Biegel (1925 – 2006) werden seit kurzem vom Verlag Urachhaus neu heraugegeben. Die Ausgaben stützen sich auf niederländischen Neuauflagen, die zum Teil mit neuen Illustrationen versehen wurden. Deckfarben, Aquarell, Buntstifte kommen zum Einsatz, das die Ausstattung wunderschön bunt macht, aber Knalleffekte wie kitschig Pastelliges vermeidet. Den Tullezwergen in dieser Ausgabe hat Mies van Hout wunderbar drollige Gesichter mit entsprechender Mimik gegeben, die Bienen sind für einmal korrekt braungetönt und keine gelb-schwarze Wespen. Schon dafür verdiente die Illustratorin einen Preis. Dieses Buch ist auch zum Anschauen ein Genuß.