'Robinson Crusoe' - Seiten 075 - 152

  • Da die meisten Crusoe-Ausgaben keine Kapiteleinteilungen haben, schreibe ich hier mal die ersten Sätze der Abschnitte hinein:


    Der vorherige Abschnitt endet mit der letzten Fahrt zum Schiff und Robinson entdeckt dort nun in einer Schublade Geld und sinniert darüber, dass er mit diesem Plunder nichts anfangen kann.


    Beginn S. 75:
    "Bei diesem letzten Augenblick konnte ich mich eines ironischen Lächelns nicht erwehren."
    "Oh elender Plunder" rief ich. "Wozu taugst Du mir nun...?"


    Penguin-Ausgabe S. 47:
    "I smiled to myself at the sight of this money. "Oh drug!" said I aloud, "what art thou good for? Thou art not worth to me, no, not the taking off of the ground; one of those knives is worth all this heap; ..."

  • Der zweite Abschnitt der dtv-Ausgabe endet auf Seite 136 und umfasst die ersten drei Jahre auf der Insel.


    Es müssen gigantische Massen von Material gewesen sein, die er von Bord geholt hat: Waffen, Werkzeuge und allein 240 Pfund Pulver. Als Kind hielt ich Herrn Robinson für einen Tausendsassa, der jedes mögliche Problem lösen konnte. Nun habe ich eher den Eindruck eines sehr engstirnigen, unflexiblen Menschen, der um jeden Preis alles so haben möchte "wie in England" und dafür unglaublich viel Arbeitskraft verschwendet. Die Sätze mit Negativaussagen, was unter diesen Bedingungen alles nicht möglich ist, würden eine lange Liste füllen. Der Gedanke, dass in einem anderen Klima auch anders gearbeitet werden muss, kommt Robinson nicht. Allein schon die zwanghafte Vorstellung, er müsste ganze Bäume fällen, um Bretter zu erzeugen, anstatt sich zu überlegen, dass in einem feuchten Klima ein großer Teil seins Besitzes sowieso verschimmeln, verroten oder von Würmern gefressen werden wird. Anstatt das Fehlen von Angelhaken zu bejammern, überlegt er sich nicht, Fische in flachem Wasser mit anderen Mitteln zu fangen. Aber Robinson kann Korbflechten, das hat er sich als Kind einmal abgeguckt.


    Prüde geht es zu bei Robinsons, außer während seiner Krankheit ist sein Körper für ihn kein Thema. Er schreibt über keine Latrine - gewaschen hat er sich in den ersten drei Jahren auch noch nicht.

  • Zitat

    Original von Buchdoktor
    Der zweite Abschnitt der dtv-Ausgabe endet auf Seite 136 und umfasst die ersten drei Jahre auf der Insel.


    Es müssen gigantische Massen von Material gewesen sein, die er von Bord geholt hat: Waffen, Werkzeuge und allein 240 Pfund Pulver. Als Kind hielt ich Herrn Robinson für einen Tausendsassa, der jedes mögliche Problem lösen konnte. Nun habe ich eher den Eindruck eines sehr engstirnigen, unflexiblen Menschen, der um jeden Preis alles so haben möchte "wie in England" und dafür unglaublich viel Arbeitskraft verschwendet.


    Vielleicht ist dieses Festhalten an unpraktischen Gewohnheiten sein einziger Rettungsanker. Es stellt seine "Verbindung" zum früheren Leben dar und hat ihm, gerade wohl zu Anfang, geholfen nicht verrückt zu werden, weil immer noch irgendwie eine gewisse Aussicht auf Rettung da war.


    Zitat

    Prüde geht es zu bei Robinsons, außer während seiner Krankheit ist sein Körper für ihn kein Thema. Er schreibt über keine Latrine - gewaschen hat er sich in den ersten drei Jahren auch noch nicht.


    In der Zeit sprach man über Belange des Körpers nicht, vielleicht mal abgesehen von Hunger und Schlafbedürfnis. Das hätte wohl nicht dem guten Ton entsprochen und wäre sehr unfein gewesen.

  • Dieses Arbeitsethos - es muss unbedingt malocht werden - stiehlt ihm aber die Zeit, Wetter, Natur und Tiere zu beobachten und lässt ihm keine Muße, über andere Lösungswege nachzudenken. Muss man überhaupt Pflügen, Eggen und Backen - oder gibt es auch andere Möglichkeiten?


    Vielleicht "musste" dieser Text genau so geschrieben werden, damit das zu belehrende Publikum die christliche Botschaft dahinter verstehen würde, die immer stärker am tropischen Himmel dräut.

  • Diese ganze, christliche Lehrbotschaft fehlte in der Ausgabe, die ich als Kind in der Schule lesen durfte, komplett. Da war die einzige Botschaft, die zu lesen war, der Mut zum Abenteuer und das Nicht-Aufgeben, dass Sich-zu-helfen-wissen und Durchhalten.

  • Die Liste dient ganz sicher seiner Aufmunterung. Ich finde sie bisher noch sehr einseitig, weil auf der Habenseite Dinge stehen, die ihm "gegeben" wurden. Hängt das Überleben nicht stärker von den handwerklichen Fertigkeiten ab und ob man in so einer Situation gesund bleibt? Würde man, in den Tropen auf sich allein gestellt, nicht zuerst aus Schaden klug werden und erkennen, dass man sich sorgfältig um seine Gesundheit kümmern muss? Mir kommt die Geschichte ziemlich theoretisch und am Schreibtisch entstanden vor.

  • Zitat

    Original von Buchdoktor
    Die Liste dient ganz sicher seiner Aufmunterung. Ich finde sie bisher noch sehr einseitig, weil auf der Habenseite Dinge stehen, die ihm "gegeben" wurden. Hängt das Überleben nicht stärker von den handwerklichen Fertigkeiten ab und ob man in so einer Situation gesund bleibt? Würde man, in den Tropen auf sich allein gestellt, nicht zuerst aus Schaden klug werden und erkennen, dass man sich sorgfältig um seine Gesundheit kümmern muss? Mir kommt die Geschichte ziemlich theoretisch und am Schreibtisch entstanden vor.


    In diese Phase seines Inseldaseins kommt es ja zu seiner religiösen Läuterung. Dieser Aspekt, gewinnt mehr Raum in der Geschichte; freie Bahn für den erhobenen Zeigefinger der Moral. Sein Überleben hängt nicht mehr von Vorräten und Werkzeugen ab für ihn, sondern von gewährter oder entzogener Gnade.


    Ich lese hier beim ReRead ein völlig anderes Buch. In der DDR-Schulausgabe gab es keine Glaubenskrise Robinsons.

  • Die christliche Botschaft ist nur ein Teil dessen, was Defoe hier belehren will, ich glaube kaum, dass es ihm in erster Linie um die Religion ging. Es geht mir viel über die Besinnung auch zur Verantwortung für das eigene Eben und die Auseinandersetzung mit den eigenen Entscheidungen. So ein alles hat Gott gemacht und ich setzte mich hin und warte auf seine Hilfe ist das ja nicht.

  • Nein, natürlich nicht. Immerhin ist Defoe presbyterianisch erzogen worden. Wenn ich mich an meinen gefühlt Jahrhunderte zurückliegenden Englischunterricht richtig erinnere, wollte sein Vater sogar, dass er Geistlicher wird - übrigens eine Parallele zu Robinson Crusoe, fällt mir gerade auf - auch Defoe hat sich den Vorstellungen seines Vaters über seine Zukunft widersetzt.


    Auf jeden Fall gehören Fleiß und Arbeitseifer zum Weltbild, in dem er erzogen wurde. Hinsetzen und auf Gottes Hilfe warten dagegen nicht.

  • Wenn hier schon von göttlicher Fügung die Rede ist: Robinson kam an einem 30. September auf diese Insel. Und wann begann unsere Leserunde? :grin


    Mich störte ein wenig, dass er die Insel so verdammt. Dauernd nennt er sie schrecklich. Dabei nimmt er die Schönheit der Natur dort doch war. Allerdings ist es natürlich nur auf der anderen Inselseite schön. Ein wenig viel Brotbacken war das eben. Schön ist, dass es ihm am Ende doch irgendwie immer gelingt, irgendwas herzustellen. Er macht instinktiv immer das richtige, wenn es auch oft etwas braucht.

  • Zitat

    Original von xexos
    Wenn hier schon von göttlicher Fügung die Rede ist: Robinson kam an einem 30. September auf diese Insel. Und wann begann unsere Leserunde? :grin


    Wenn das kein Zeichen ist...


    Zitat

    Mich störte ein wenig, dass er die Insel so verdammt. Dauernd nennt er sie schrecklich. Dabei nimmt er die Schönheit der Natur dort doch war. Allerdings ist es natürlich nur auf der anderen Inselseite schön. Ein wenig viel Brotbacken war das eben. Schön ist, dass es ihm am Ende doch irgendwie immer gelingt, irgendwas herzustellen. Er macht instinktiv immer das richtige, wenn es auch oft etwas braucht.


    Den Blick für die Schönheit hat er wohl im Zuge der Not verloren. Verständlich.
    Allerdings hat er schon Glück gehabt. Die Insel ist fruchtbar, hat eine reiche Tier- und Pflanzenwelt und ein angenehmes Klima. Er hätte es schlimmer treffen können.
    Beim Lesen vergisst man beim Verfolgen seiner Fortschritte bei der Eigenversorgung, dass er für alle seine Fortschritte lange Zeit brauchte, Monate und Jahre. Er hat ja auch, in seiner Einsamkeit, alle Zeit der Welt, wie er vermutet vielleicht sogar den Rest seines Lebens,

  • Also er sagt das eigentlich deutlich- die Fehlversuche beim Säen, das Tischlern- wie er ein Brett herstellt. Das Boot, dass er nicht bewegen kann, was er hätte vorher erkennen müssen, aber er nimmt seine Beschäftigung durchaus auch als Beschäftigungstherapie gegen Depressionen wahr.

  • Ich glaube, dass es uns, die wir theoretsich alles online ordern können, schwer fällt, uns wirklich in die Psyche eines Schiffbrüchigen von damals zu versetzen.
    Mir erscheint jedenfalls Robinsons Verhalten/Handlungsweise nachvollziehbar.

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Mich stört auch nur, dass Robinson die Insel so verdammt. Selbst wenn man die Schönheit der Natur außer acht lässt und es ganz praktisch betrachtet, hätte er doch keine bessere Insel treffen können. Frischwasser immer vorhanden, fruchtbarer Boden mit Obstbäumen, keine großen Raubtiere aber Ziegen zum Jagen, bis auf die fehlende Gesellschaft doch ein gutes Fleckchen.


    Dass er versucht sich wie in England einzurichten kann ich verstehen, wahrscheinlich gibt ihm das den notwendigen Halt, neben dem neu entdeckten Glauben, die Einsamkeit zu verkraften.

  • Mir kommt Robinson langsam wie der McGywer seiner Zeit vor. :lache
    Fehlendes Werkzeug "bastelt" er sich aus anderem Material zusammen. Kann ich nicht, gibts bei ihm nicht. Alles wird probiert und bei nicht gelingen eben weiter und auf andere Weise probiert.


    Also ich würde gnadenlos auf einer einsamen Insel eingehen und mich meinen Depressionen -die sicherlich nicht lange auf sich warten ließen- hingeben. Da muß man ihn eigentlich schon ein bisschen für seinen Tatendrang bzw. die Beschäftigungstherapie bewundern.


    Zitat

    Original von Buchdoktor
    Prüde geht es zu bei Robinsons, außer während seiner Krankheit ist sein Körper für ihn kein Thema. Er schreibt über keine Latrine - gewaschen hat er sich in den ersten drei Jahren auch noch nicht.


    Mir stellte sich auch beim Lesen die Frage, ob er sich denn nie wäscht und wie er seine "Notdurft" verrichtet. Auch scheint er nie - jedenfalls bisher - Probleme mit der mangelhaften Mundhygiene zu bekommen. So nach 3 Jahren schlechter Zahnpflege dürften sich da doch auch langsam was ankündigen... :rolleyes


    Zitat

    Original von xexos
    Wenn hier schon von göttlicher Fügung die Rede ist: Robinson kam an einem 30. September auf diese Insel. Und wann begann unsere Leserunde? :grin


    :lache Da sind wir ja zum richtigen Zeitpunkt mit Robinson gestrandet.


    Zitat

    Original von Zwergin
    Dass er versucht sich wie in England einzurichten kann ich verstehen, wahrscheinlich gibt ihm das den notwendigen Halt, neben dem neu entdeckten Glauben, die Einsamkeit zu verkraften.


    Wer würde denn nicht versuchen sein Leben - so wie man es von zuhause kennt- zu führen? Ist doch also klar, dass er sich ein Zuhause wie in England einrichtet und viele so angeht, wie er es eben gelernt hat.

  • Zitat

    Original von Zwergin
    Ich glaube die Mundhygiene war zu der damaligen Zeit auch in "good old England" eher mangelhaft und von daher keine weitere Erwähnung wert. :lache


    Das ist für uns in der heutigen Zeit so selbstverständlich, dass man gar nicht daran denkt, dass es auch eine Zeit ohne Zahnbürste, Zahnpaste etc. gab. :yikes


    Zitat

    Original von beowulfEr hatte erwähnt, dass ihm der Zucker alsbald ausging, Schokolade gab es auch keine. Sein größtes Problem dürfte die Gelbverfärbung vom Tabak gewesen sein.


    Aber auch ohne Zucker, dürfte sich doch im Laufe der Zeit mal eine Entzündung bemerkbar gemacht haben. Bisher hatter er ja lediglich einmal dieses Fieber.. :gruebel