Komischer Umgang mit dem Tod

  • Hallo,


    der Tod ist sicher etwas schreckliches, trauriges, aber unausweisliches.


    Um so blöder finde ich es, wie immer weniger Menschen mit dem Tod umgehen können.


    Ich habe schon 2 Todeserfahrungen in meiner Familie mitgemacht, ich weiß worüber ich spreche. Ich habe damals auch ziemlich geweint, aber die Gestorbenen haben gewusst, dass sie sterben werden, und haben mich sehr darauf vorberitet.


    Sie haben es tapfer alzeptiert, sie hatten schon ein langes Leben, und sind gefasst und recht zufrieden gestorben.


    Ich wurde so auf den Tod vorbereitet und habe gelernt, es zu akzeptieren. Ganz brutal gesagt: Wenn es vorbei ist, ist es vorbei!


    Früher war es so:


    Gestorben wurde in er Familie, daheim. Oft waren die Kinder dabei, als der alte Mann den letzten Atemzug machte. Sie lernten von Anfang an, was Tod bedeutet. Sie weinten auch, aber sie schlossen aber gleichzeitig die Sache ab, weil sie gelernt haben, richtig zu trauern.


    Dann kam noch etwas entscheidendes: Der offene Sarg. Es war ganz natürlich, denn Sarg nicht zu verschließen, sondern offen zu lassen, um zu sehen, dass der Tod doch natürlich ist, wie ein ewiger Schlaf.
    So ist der Tod uns näher.


    Doch heute wird der Tote in einen Sarg genagelt, versteckt, und möglichst gleich begraben, als würde man es gleich vorbei, nicht ordentlich verabschieden wollen.


    Interessant: In südlichen Kulturen wird oft gefeiert anstatt getrauert. Man erinnert sich an die lustigen, guten Tage mit der toten Person.


    Was denkt ihr darüber?


    Gruß

  • Hallo His


    Da kann ich Dir nur zustimmen. Unsere westliche Gesellschaft tabuisiert den Tod unnötig. Das bringt nur psychosomatische Krankheiten mit sich, denn der Tod eines geliebten Angehörigen muss ja irgendwie verarbeitet werden.


    Ich persönlich rede mit meiner Familie ganz offen über meinen/unseren/aller Tod, was wann wie zu tun wäre, im Falle wenn.
    Da ich jedoch an ein Leben nach dem Tode glaube und meine engste Familie auch, betrachten wir den Tod eher als Aufbruch zu einer langen Reise, wobei derjenige, der früher stirbt, nur vorausgeht und auf die anderen wartet, bis auch ihre Zeit gekommen ist.


    So war es auch bei meinem Vater, es war sehr hart, ihn tot daliegen zu sehen, wo er doch noch eben mit mir gesprochen hatte, doch ich weiss für mich, dass ich ihn wiedersehen werde.


  • Ganz sicher haben wir es verlernt mit dem Tod als etwas natürlichem umzugehen. Bis mein Vater starb habe ich selbst Sterben und Tod nicht wirklich realisiert. Außer meinem Opa sind alle meine Angehörigen allein gestorben, in Krankenhäusern oder Altenheimen. Alle diese Menschen waren alt, hatten ihr Leben gelebt und waren ziemlich alt.


    Mein Vater war der erste, den wir über viele Tage beim Sterben begleitet haben .............. mit der ganzen Familie. Wir 'wohnten' mehr oder weniger in seinem Sterbezimmer. Wir aßen, wir lachten, wir unterhielten uns und wir waren traurig. Es war ein seltsam fremder Zustand, den man nicht wirklich beschreiben kann. Trotzdem, als er starb waren wir traurig, wir haben geweint und ich zumindest war ziemlich konfus. Der Tod ist etwas endgültiges. Alles, was vielleicht noch hätte gesagt werden müssen ist zu spät.


    Die Vorbereitungen für seine Beerdigung haben wir allerdings mit einer unvermuteten Ruhe getroffen. Wir waren alle sicher, dass wir ihm geholfen haben dadurch, dass wir alle bei ihm waren. Er hatte sich auch bei jedem einzelnen verabschiedet bevor er bewußtlos wurde und selbst in diesem Zustand hat er noch auf Händedruck reagiert. Das sind Dinge, die man nie vergessen wird und heute bin ich froh, dass es so und nicht anders abgelaufen ist.


    Ca. 2 Jahre später hatten wir ein ähnliches 'Sterbeerlebnis' mit meinem Onkel, auch er war nicht allein.


    Seitdem diese beiden Menschen gestorben sind habe ich eine andere Einstellung zu Sterbenden und zum Tod und mir macht es keine Angst mehr.


    Vor fast genau einem Jahr bekam ich von der Polizei die Nachricht, dass mein Mann mit seinem LKW tödlich verunglückt ist. Die Polizisten erzählten etwas von Reanimation und verstorben und ich hatte nur dieses eine Wort 'Reanimation' im Kopf, das hieß Leben und nicht Tod und ich habe überhaupt nicht realisieren können/wollen, dass er wirklich tot ist.


    Diesen Tod habe ich nicht mit klarem Verstand verarbeiten können und auch die Tatsache, dass wir alle sterben .......... irgendwann, hat mich nicht trösten können. Ich habe nichts, wirklich gar nichts mehr mit ihm besprechen können, ich habe keine Möglichkeit gehabt Abschied zu nehmen und selbst ins Krankenhaus, in die Pathologie hätte man mich nicht gelassen. Ich musste 4 Tage warten bis mein Mann überführt war und selbst dann war nicht sicher ob ich ihn sehen konnte. Die Entscheidung darüber wollte der Bestatter treffen. Ich durfte ihn sehen und ich habe ihn jeden Tag 'besucht' auf dem Friedhof.


    Am Tag der Beerdigung habe ich dann erlebt, dass 'wir' relativ gefaßt mit dem Tod umgehen bzw. wir versuchen unsere Gefühle zu unterdrücken, was die Freunde und Angehörigen meines Mannes eben nicht taten. In der Heimat meines Mannes werden Tote gefilmt, beweint, angeschrien, es wird gebetet, gezetert und ich stand dabei, habe kein Wort verstanden und kam mir ziemlich hilflos vor und fühlte mich auch von dem ganzen Drum und Dran überfordert. Ich war kurz davor meine Fassung zu verlieren. Hätte ich nicht gewußt wie Beerdigungen in Ghana ablaufen, ich wäre schreiend vom Friedhof gerannt. Aber so war ich mir sicher, dass mein Mann genau DAS so gewollt hätte, es war seine Kultur, es gehörte zu den Traditionen seines Volkes.


    Was mich bestürzt hat war der Wechsel von lautstarker Trauer mit Tränen ohne Ende zum Lachen und Quatschen ................ schon auf dem Weg zum Grab. Aber ich war letztendlich auch die einzige, die sich nicht anschließend darüber ausgelassen hat, für mich gehörte es dazu auch wenn es mir nicht angenehm war.


    In den Monaten nach seinem Tod wurde ich mehr oder weniger 'fernbetreut', d.h., Angehörige meines Mannes aus aller Herren Länder riefen immer wieder an. Ich sollte nicht so traurig sein, ich sollte nicht so viel weinen ............. und jedesmal hatte ich weinende Gesprächspartner/innen am Telefon. Auch die Anteilnahme von Landsleuten/Nichtlandsleuten (aus anderen afrikanischen Ländern) hat mich ziemlich berührt. Menschen, die weder mich noch meinen Mann kannten haben in einer Art mit mir gesprochen, die ich von Deutschen nicht kenne. Viele Deutsche sind mir eher aus dem Weg gegangen, was hier an meinem Arbeitsplatz so weit ging, dass manche über Monate weder grüßten noch sprachen ............ sie machten einfach einen großen Bogen um mich als hätte ich die Pest.


    Mir hat eigentlich in der ganzen Zeit am meisten geholfen, was mein Mann mir selbst über Sterben und Tod erzählt hat, wie er darüber denkt und wie in seiner Heimat damit umgegangen wird. Dort sind plötzliche oder frühe Tode sehr viel häufiger als bei uns. Kein Wochenende in Ghana wo nicht überall Totenfeste gefeiert wurden.


    Das Totenfest für meinen Mann war dann auch so etwas wie der Abschluß all dessen was ich noch tun konnte für meinen Mann. Welche Bedeutung dieses Fest für die Angehörigen hat konnte ich daran sehen, wer alles aus welchen Ländern angereist kam. Eine Schwägerin kam nur für dieses Fest aus den USA.


    Am letzten Freitag war der erste Todestag und es kamen einige ghanaische Freunde und Angehörige zu mir, anschließend fuhren wir zum Friedhof und ab jetzt wird das Grab nur noch alle 5 Jahre besucht (von den Freunden und der Familie). Für mich muss/soll jetzt ein neues Leben anfangen und ich fürchte, dass schon einige meiner unzähligen husbands mit den Hufen scharren ....................... aber ab da werde ich mich auf meine eigenen Traditionen und meine Kultur besinnen. Meine Männer habe ich mir immer noch selbst ausgesucht. Außerdem würde ich zur Zeit keine Gefühle investieren können. Für mich ist das ganze immer noch relativ frisch obwohl es mir besser geht.


    Aber vermissen tu ich ihn, täglich. Wer mir das nicht zugesteht der kann mir gestohlen bleiben.


    Gabi

    You can take the boy out of the country
    but you can’t take the country out of the boy.

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  • @ Gabi: :knuddel1


    Bei meiner Familie ist das so:
    Sobald man meiner Mutter mit irgendeiner Andeutung bezüglich Sterben oder Tod kommt, wird sie nervös, sie will darüber nichts hören. Mein vater dagegen macht des öfteren derbe Sprüche, setzt sich also auch nicht wirklich damit auseinander.
    Meine Tante hat eine Verfügung für den Fall abgeschlossen, dass sie pflegebedürftig ist. Ich gehe auch davon aus, dass sie ein Testament geschrieben hat.


    Ich selbst denke manchmal an den Tod, vor allem, wenn ich unterwegs bin, z.B. mit dem Motorrad, da kommt man dem Tod manchmal sehr nah.


    Die Beerdigung meines Schwiegervaters war die erste, die ich bewusst erlebt habe, denn als Kind wurde ich "verschont", sollte also möglichst nichts vom Sterben mitkriegen. Zuerst war ich sehr traurig, aber hier ist es üblich, danach gemeinsam Kaffee zu trinken. Da kamen dann die vielen Geschichten über den Verstorbenen, alle haben sich im Positiven, weniger im Negativen an ihn erinnert, teilweise haben wir sogar laut gelacht. Ich fand die Erfahrung sehr tröstlich.

  • Ja, ich denke auch oft an meinen Vater, obwohl es jetzt schon zehn Jahre her sind, davor starben noch zwei Brüder...


    Der Tod meines Vaters war besonders einschneidend, denn wir lebten im gleichen Haus und hatten eine gute Vater-Tochter-Beziehung. Er war nicht einmal so alt, erst kurz nach 60.


    Ich kann schon verstehen, warum viele den Tod verdrängen. Der Gedanke daran hat enorm viel Beängstigendes, besonders wenn es ganz nahe Angehörige betrifft, ohne die man einfach nicht leben will.


    Meine Mutter ist jetzt 70 und der Gedanke, sie könnte sterben, ist für mich sehr schlimm. Sie ist einfach unersetzlich für mich und die gesamte Familie. Deshalb mein tägliches Gebet: Bitte jetzt noch nicht!


    Ich bin jedesmal ganz froh, wenn der Arzt ihr bei der jährlichen Kontrolle eine für ihr Alter relativ gute Gesundheit bescheinigt.


    Eine südländische Beerdigung mit Weinen und allem, was dazugehört, hab ich mit 10 miterlebt. Damals starb ein Junge, nicht viel älter als ich, er ertrank in unserem Fluss, ein sehr tragisches Ereignis für beide anliegenden Dörfer.


    Mein Vater bedrückte es ungemein, dass er den Jungen nicht retten konnte, er stand jedoch viel zu weit weg und auf der anderen Flussseite, um mehr als verzweifelte Anweisungen geben zu können, doch der Junge wurde in einen todbringenden Sog gezogen. Ich höre noch jetzt das herzergreifende Weinen der Mutter am Grab...

  • Trauer ist nicht gleich Trauer. Auch ich habe meine Großeltern vor ein paar Jahren verloren. Obwohl sie auch relativ "plötzlich" gestorben sind, war ich doch durch ihr hohes Alter irgendwie darauf vorbereitet.
    Ich war traurig, habe auch geweint, aber konnte mich dennoch gut mit ihrem Tod abfinden. Sie hatten ein langes erfülltes glückliches Leben hinter sich.


    Ganz anders war aber die Trauer als mein Bruder vor 2 Jahren starb. Er war erst 35 Jahre alt. Und er ging von heute auf morgen. Völlig unerwartet . Ich hatte keine Gelegenheit von ihm Abschied zu nehmen. Weder beim letzten mal, als ich ihn lebend sah, noch an seinem Sarg.


    Ich fand ihn drei Tage nach seinem Tod in seiner Wohnung und nach seiner Obduktion hat die Bestatterin von einer Aufbahrung abgeraten. Wir sollten ihn lieber so in Erinnerung behalten wie er zu Lebzeiten war.
    Für die anderen aus meiner Familie war dies sicherlich auch besser so.
    Nur ich hätte ihn lieber noch einmal in einem Zustand gesehen, der so aussieht, als wenn er friedlich schläft. Vielleicht wäre mir dann der Abschied etwas leichter gefallen.


    Er stand mir sehr nahe und sein Tod hat mich in ein tiefes Loch fallen lassen. Es dauerte sehr lang, bis ich wieder einigermaßen in die Normalität zurückgefunden habe.


    Und genau wie Gabi es beschrieben hat, gingen auch mir kurz nach seinem Tod einige Menschen aus dem Weg. Ich habe ihre Reaktion irgendwie verstanden, weil sie vielleicht Angst hatten nicht die richtigen Worte zu finden. Aber dieses Verhalten war leider verletzender als jedes falsche Wort es hätte sein können.
    Und da gebe ich Dir Recht, Historikus. In dieser Beziehung haben wir es nicht gelernt mit dem Tod umzugehen.


    Was mich erschreckt hat war auch, daß viele in den ersten Tagen sehr verständnisvoll auf die Trauer reagieren. Aber gerade in den ersten Tagen trauern nahe Angehörige noch nicht wirklich. Da ist es eher mit lähmender Fassungslosigkeit gleichzusetzen.
    Wenn dann wirklich die Trauer nach einigen Wochen beginnt, haben nur noch wenige dafür Verständnis. Sie sind der Ansicht, daß man sich nach einiger Zeit damit abgefunden haben sollte. Und das finde ich sehr schade.

  • Ich denke mal, das die Menschen immer gleich mit dem Tod umgehen werden. Ob vor 200 Jahren oder heute oder in 100 Jahren.


    Auch wenn früher häufiger oder jünger gestorben wurde, so denke ich mal, ist die Reaktion der Hinterbliebenen immer gleich. Sie werden weinen und die Toten betrauern und dann entweder über den Tod hinwegkommen oder nicht.


    Von einem Bekannten ist die Tochter an Krebs gestorben. Sie ist nur 5 Jahre alt geworden. Die Mutter kommt über den Tod einfach nicht hinweg. Beide Eltern sind Christen und glauben an ein Leben nach dem Tod. Trotzdem ist der Tod ihrer Tochter einfach nur sinnlos. Sie hätten sie halt lieber hier auf der Erde bei sich und nicht da wo sie jetzt ist. Und dafür habe ich als Vater (meine Älteste ist auch 5 Jahre) vollstes Verständnis.


    Wenn so etwas passiert geht man mit dem Tod ganz anders um als wenn der Vater im seligen Alter von 80 Jahren entschläft.


    Ich möchte mich nicht an den Tod gewöhnen. Ich möchte nicht die Schultern zucken und sagen: Ach ja, der Tod gehört zum Leben. Auch als Christ möchte ich verdammt noch mal meine Lieben hier auf der Erde bei mir haben.


    Sollte ich dadurch unnormal sein, Leute, ich kann auch damit leben. :-)

  • Hmm, ich muss dir in einigen Dingen widersprechen.
    Der Tod ist etwas, was uns heute eigentlich auf Schritt und Trii begenet. Ob im RL, Im TV, in Flimen. Berichte über Kriege, Krankheiten, medizinische Forschung, Schicksale... die Liste ist lang.
    Nur über das Abschiednehmen gibt es weniger.
    Aber die Art von Abschiednehmen ist bei vielen ganz unterschiedlich. Ob nun vom Glauben, der Erfahrung oder Temperament aus gesehen.


    So oft ich mit dem Tod in Berührung kam, hatte ich auch immer völlig verschiedene Gefühle und unterschiedliche Arten zu trauen, da man zu jedem ja oft ein unterschiedliches Verhältnis hatte.



    Als mein Opa starb (da war ich 12) war ich völlig am Boden zerstört, denn sein Tod kam recht schnell. Die paar Tage, die er im Krankenhaus war habe ich nicht miterlebt, uns Kinder nahm man nicht mit. Einen offenen Sarg gab es auch nicht, nur die Urnenbeisetzung.


    Meine Oma starb vor ein paar Jahren erst. Aber es zog sich eine lange Krankheit und Dahinscheiden vor sich. Wir wussten dass es jeden Tag soweit sein könnte und gönnten ihr den inzwischen ersehnten Tod. Täglich war jemand aus der Familie da. Nur eben an DIESEM Morgen war ich die einzige Erreichbare. Ich informierte meine Eltern, die sofort zurückfuhren und fuhr selbst hin um meinem Vater Beistand zu leisten. Denn auch ihm riss damals der Tod meines Opas ziemlich die Beine weg. Eigentlich wollte ich meine Oma nicht mehr sehen, aber mein Vater bestand darauf sie zu sehen und so ging ich mit. Es war eine Erfahrung, die ich nie wieder machen möchte! Entsetzlich!


    Wenn ich heute an meine Großeltern denke habe ich unterschiedliche Bilder von ihnen vor dem inneren Auge. Mein Opa sehe ich dann noch immer als diesen riesigen Mann, der immer schützend seine Arme um mich legte, mit mir viel lachte...
    Wenn ich an meine Oma denke fallen mir solche Bilder schwer, auch wenn ich mit ihr viel mehr schöne ZTage erlbte. Bei ihr schleicht sich immer dieses Leichenbild ein und das tut mir weh.


    Insofern bin ich z.B. gegen einen Blick in den offenen Sarg. Ich möchte gern jden, der von uns geht so in Erinnerung behalten, wie er den großteil seines Lebens war.


    Trauerfeiern, bei denen eher gefeiert, sich an gute Dinge im Leben mit dem Verstorben erinnert, gemeinsam darüber lacht finde ich besser als Veranstaltungen der totalen Trauer. MIR würde das dessen Tod und das Verstehen, das er wirklich nicht mehr da ist, nicht leichter, eher schwerer machen.


    Wie eine Trauerfeier sein sollte, da haben ja die nun verstorbenen oft zuvor ihren Wunsch geäussert. Oft möchten sie, dass man dann sich an die guten Zeiten erinnert.


    Wernn ich mal das zeitige segne, hoffe ich, dass die Regeln für die Bestattung wesentlich gelockert wurden. Ich möchte auch, dass alle nett miteinander sitzen, sich an die schönen und lustigen Zeiten erinnern, nachdem man meine Asche mit einer Silvesterrakte gen Himmel geschickt hat. Bunt und fröhlich, so wie mein Leben.

    _______________________
    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Das ist sicherlich nicht unnormal, im Gegenteil. Es wäre wirklich inhuman, wenn der Tod wie irgendeine kleine Alltagsbagatelle betrachtet würde.


    Mein Neffe schauspielert gern, das macht er so authentisch, dass man nicht aus dem Staunen herauskommt. Doch als er seinen eigenen Tod spielte, liefen mir tausend Schauer über den Rücken und ich bat ihn, damit aufzuhören. Er begriff zuerst nicht, weshalb ich diesmal sein Schauspiel nicht zu würdigen wusste, doch dann sprachen wir eingehend darüber und er verstand. Allein der Gedanke ist nicht zum Aushalten...


    Ein Freund meines Neffen hat vor einem Jahr seine Mutter an Krebs verloren. Er kommt regelmässig zu uns nach Hause und wir versuchen, ihn im Trauerprozess zu begleiten. Er sprach zwar nur am Anfang darüber, aber man merkt, dass er langsam wieder Fuss fasst und der Schock nicht mehr so stark in seinem kleinen Körper festsitzt. Seine Bewegungen sind freier und er lacht wieder viel. Auch seinem Vater geht's wieder etwas besser, doch so was braucht seine Zeit.

  • Also ich muss zugeben, ich habe Angst vor dem Tod. Nicht nur davor, selbst zu sterben, auch dass enge Angehörige sterben. Deshalb tut es mir unendlich leid für diejenigen, die diese traurige Erfahrung machen mussten.
    Für mich ist es einfach sehr schwer, mir vorzustellen, dass meine Eltern oder Großeltern nicht mehr da sind. Sie sind mein Ein und alles. Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod und somit habe ich einfach Angst, selbst auch zu sterben...


    Grüße,


    Lolita

  • Zitat

    Original von Heaven
    Wenn ich an meine Oma denke fallen mir solche Bilder schwer, auch wenn ich mit ihr viel mehr schöne ZTage erlbte. Bei ihr schleicht sich immer dieses Leichenbild ein und das tut mir weh.


    Das geht mir auch so mit meinem Vater, deshalb riet ich meiner Schwester, ihn nicht mehr zu sehen. Meine Brüder sah ich nicht tot daliegen wie meinen Vater, deshalb sind diese Erinnerungen wirklich unbelasteter.
    Unter anderen Umständen könnte es aber sein, dass ich den Tod als solches nicht richtig realisieren kann, weil er mir so abstrakt vorkommt.

  • Wie ich schon geschrieben habe, es kommt drauf an wer gestorben ist.


    Ist es ein 80 jähriger Großvater kann man sich gerne an die guten lustigen Zeiten erinnern.


    Ist es jedoch ein 5 jähriges Kind würde ich jeden rausschmeißen der hier auf die gute alte Zeit verweist.


    Ich habe schon geschrieben, das meine Bekannten Christen sind. Ein schwacher Trostversuch für die Mutter bestand darin, das man ihr sagte, sie solle das nicht so schwer nehmen, ihrer Tochter würde es jetzt wieder sehr gut gehen, da sie ja jetzt im Himmel ist.


    Die Antwort der trauernden Mutter an die vermeintliche Trösterin bestand darin: "Dann wünsche ich dir, das deine Tochter auch bald da ist."


    Jeder Mensch hat das Recht mit seiner Trauer so umgehen zu können wie er es am besten kann. Ein Allgemeinrezept gibt es nicht. Mache ich eine Freudenfeier ist das genauso in Ordnung, als wenn ich 5 Jahre Trübsal blase.


    Vielleicht haben die Menschen gelernt mit dem Tod umzugehen, aber andere nicht, diese Art und Weise zu akzeptieren.

  • Ich finde auch, dass man einer Mutter, welche ihr 5 jähriges Kind verlor, nicht mit solch unsensiblen Sprüchen kommen kann. Sie hat ein Recht zu trauern, so lange, wie sie dazu braucht. Der Tod eines Kleinkindes ist sowieso etwas derart Tragisches und Unüberwindbares...


    Ich war früher einmal in einer Familie länger zu Besuch, wo sie ganz offen über den Tod ihres drittjüngsten Mädchens sprachen. Sie war so present und in ihren liebevollen Schilderungen lebendig, das Haus war erfüllt von diesem Kind, sehr berührend, wie ein lieber Geist.


    Es war ein tragischer Unfall, doch irgendwie fand diese Familie wieder ihren Frieden, indem sie den Tod ihres kleinen Mädchens wirklich nur als vorübergehenden Abschied empfanden und auch gefühlsmässig davon ausgingen, dass es immer noch lebte, in einer anderen Welt.


    In ihren herzlichen Schilderungen konnten sie auch ihrem Schmerz Ausdruck verleihen und in dieser offenen Trauer besser leben. Die Mutter hielt ihr wenige Wochen altes Bübchen im Arm und sagte, wie sehr der kleine Bub sie tröste, denn er habe dasselbe Lachen wie ihr Mädchen.

  • Zitat

    Original von Charlotte


    Was mich erschreckt hat war auch, daß viele in den ersten Tagen sehr verständnisvoll auf die Trauer reagieren. Aber gerade in den ersten Tagen trauern nahe Angehörige noch nicht wirklich. Da ist es eher mit lähmender Fassungslosigkeit gleichzusetzen.
    Wenn dann wirklich die Trauer nach einigen Wochen beginnt, haben nur noch wenige dafür Verständnis. Sie sind der Ansicht, daß man sich nach einiger Zeit damit abgefunden haben sollte. Und das finde ich sehr schade.


    Ja, so habe ich das auch erlebt, am Arbeitsplatz. Meine direkten Kollegen und MEIN Chef haben eigentlich super reagiert. Ich bin gleich an dem Montag nach der Beerdigung wieder am Arbeitsplatz erschienen. Zu Hause habe ich es einfach nicht ausgehalten. Trotzdem ging es mir im Büro auch nicht wirklich gut und immer wenn es mal gar nicht mehr ging hat man mich in Ruhe gelassen. Ich wurde von 9 Kollegen 'begluckt' (bitte nicht falsch verstehen, das sollte kein Ü werden). Andere Kollegen im Haus gingen mir aus dem Weg oder hatten nach einiger Zeit so lockere Sprüche drauf, dass mir jedesmal die Worte fehlten.


    Nach ca. 6 Wochen kam ich unserem Big-Boss über den Weg. Er fragte, wie es mir geht .............. und er hatte mich an genau einem dieser unsäglichen Tage erwischt an denen es mir nicht gut ging. Mir fehlten einfach die Worte aber die fand er dann. Es wäre doch jetzt schon eine Zeit her und müsste doch langsam besser gehen. Bis heute habe ich nicht verstanden, warum er das sagte. Hilflosigkeit, Gedankenlosigkeit???


    Das einzige was mir wirklich 'geholfen' hat war meine Wohnungssuche, mein Umzug (mit 3 Männern und mir), die Planung für alle Räume, Neuanschaffungen, Entrümpelung ............... es war über 3 Monate lang wirklich so, dass ich versucht habe vor mir selbst davon zu laufen. Das hat auch bis zu einem gewisssen Punkt funktioniert. Im September fand das Totenfest für meinen Mann statt. Bei den Vorbereitungen dafür merkte ich schon, dass mir langsam die Luft ausging und ich fühlte mich krank, nicht traurig, nur krank.


    Im Oktober, nachdem endlich Ruhe einkehrte, hatte ich einen totalen Zusammenbruch und das war wohl der erste Moment wo ich wirklich Trauer empfand und mir bewußt wurde, dass es nie mehr so sein würde wie früher. Ich glaub ich habe 14 Tage am Stück geheult und ich bin kaum noch vor die Tür gegangen weil ich Augen hatte wie ein Säufer. Irgendwann war ich dann wohl leergeheult und körperlich und seelisch fix und fertig. Aber dann ging es mir genau so schnell besser wie es mir vorher schlecht ging.


    Seit Ende Oktober habe ich wieder Energie und ich wünsch mir nichts mehr als dass ich solch eine Zeit nie mehr erleben muss. Da nützen Verstand und Stärke nichts mehr, das zieht einen einfach nur runter. Zu diesem Zeitpunkt allerdings waren alle um mich herum längst davon überzeugt, dass ich es gepackt habe und ich konnte erst nachher mit meinem großen Sohn und mit wenigen Freunden darüber sprechen.


    Na ja, jetzt geht es mir wieder ganz gut, ich habe meine Trauerzeiten und ich habe wieder meine fröhlichen Zeiten. Zur Zeit komme ich gut damit zurecht und ich glaube ganz sicher, dass ich das schlimmste hinter mir habe.


    Aber ich werde nie mehr so gleichgültig Trauernden gegenüber sein wie ich es vielleicht vorher war.


    Gabi

  • Ich glaube nicht, dass die anderen es bös meinten, ist wirklich reine Hilflosigkeit. Die lockeren Sprüche zeigen, wie unsicher sie sind. Sie wollen das Thema nicht anschneiden, weil es ihnen so vorkommt, als würden sie Wunden aufreissen, die heilen sollen. Und dann wollen sie einen auf andere, fröhlichere Gedanken bringen.


    Um diese peinliche Situation zu umgehen, hab ich gleich gesagt, dass ich an ein Weiterleben nach dem Tod glaube und deshalb OK sei. Trotzdem hat mich jemand auf ähnliche Weise verletzt, jemand, der wusste, wie sehr mich das Ganze wirklich mitnahm und es eigentlich besser hätte wissen müssen.


    Im ersten Jahr konnte ich keine Musik hören, sonst musste ich weinen, trotz aller Bemühung, es nicht zu tun. Gustav Meyrinks Romane haben mir über die schlimmste Trauerzeit hinweggeholfen, aber auch Paul Tournier kann ich empfehlen.


    Wir zogen auch bald um, war vielleicht nötig, um Abstand zu gewinnen, denn die Erinnerungen sind in den gemeinsam bewohnten Räumen zumindest in der ersten Zeit sehr lebendig, zu lebendig.

  • Stimmt, ich hätte in meiner alten Wohnung auch nicht mehr bleiben können.


    Ich habe NIE mehr an 'unserem' Eßtisch gesessen (das war unser Treffpunkt zum Essen, quatschen, Probleme wälzen), ich habe NIE mehr die Gerichte gekocht die er gerne aß, ich habe NIE mehr in unserem Bett geschlafen und ich habe NIE mehr in seinem Sessel gesessen aber seinen letzten getragenen Pullover habe ich ungewaschen wochenlang mit mir herum geschleppt bis der Geruch von ihm verschwunden war. Das hat mich damals tierisch geärgert, der Pullover hängt immer noch in meinem Schrank und jetzt glaube ich, dass er doch noch ein bisschen nach ihm riecht.


    Man macht 1000 verrückte Sachen und kann nicht wirklich darüber reden .............. das einzige was ich zu dem Pullover gesagt habe:
    'wer den wäscht wird von mir getötet' :fetch


    Lesen kann ich seitdem überhaupt nicht mehr konzentriert, zur Zeit bin ich hier also so ziemlich am verkehrtesten Platz .................. früher habe ich Bücher 'gefressen'.


    Bei mir ist es die Musik über die ich mich abreagieren kann. Seitdem ich 'Rammstein' entdeckt habe wird bei größerem Frust gerammsteint oder ich versuche mich über Heavy Metal abzureagieren. Aber langsam läßt es nach und ich kann auch wieder leise Töne hören und genießen.


    Da muss wohl jeder den für sich besten Weg wählen und gehen ............ es gibt für Trauer kein allgemein gültiges Rezept.


    Gabi



  • Das mit dem Pullover finde ich keinesfalls verrückt, sondern völlig normal. Auch ich habe noch einen getragenen Pullover von meinem Bruder im Schrank, den ich niemals waschen würde.


    Auch das angefangene Buch (Herr der Ringe, 2. Teil) neben seinem Bett habe ich sofort an mich genommen und achte noch heute darauf, daß das Lesezeichen genau dort bleibt, wo er es zuletzt hingesteckt hat.


    Seine Armbanduhr läuft immer noch.....und ich frage mich immer, wann sie stehenbleibt.


    Fotos von ihm ansehen zu können, hat ein paar Tage gedauert. Ich habe mich anfangs nicht getraut. Warum das so war, kann ich heute auch nicht mehr beschreiben. Ich hatte richtige Angst davor, das Fotoalbum zu öffnen.
    Meinen Anrufbeanworter habe ich weggestellt. Ich bin mir sicher, daß dort noch irgendeine alte Nachricht von ihm drauf ist, aber es wäre unheimlich, sein Stimme jetzt zu hören.


    Lesen konnte ich die erste Zeit auch nicht. Es hat über ein Jahr gedauert, bis ich mich wieder auf ein Buch konzentrieren konnte.
    Musik dagegen hat mir sehr geholfen. Allerdings habe ich eher gern traurige, langsame Sachen gehört.



    Alles was du für richtig hältst, ist nicht verrückt
    :knuddel1

  • Also bei Rammstein hätte ich wohl auch nicht geweint. :grin


    Doch bei mir standen zu der Zeit nur Célin Dion und ähnliche Balladen im Regal. :cry


    Und Gustav Meyrink las ich gierig, weil die Romane so rätselhaft sind und ich viele Lebensweisheiten rauspicken konnte, weiss gar nicht mehr, wie ich gerade auf Gustav Meyrink kam, vielleicht, weil es ähnlich irrational ist wie der Tod, ja, da besteht irgendwie eine Gleichartigkeit.


    Zu diesem Thema gäbe es noch viel zu erzählen, für manche unangenehm oder gar unheimlich. Ich hatte z.B. noch einige aufwühlende Träume von meinem Vater.