„In Auschwitz hättest du keine fünf Minuten überlebt“. Diesen Satz bekommt Solomon Kugel im Laufe seines Lebens immer wieder zu hören. Und darin spiegelt sich tatsächlich die gesamte Misere seines Lebens.
Auschwitz, weil seine Mutter seit dem Verschwinden ihres Mannes, Solomon war gerade sechs, das Leben einer vom Holocaust traumatisierten Überlebenden lebt. Dabei tut es nichts zur Sache, dass ihre Familie seit fünf Generationen sicher in New York lebt: seit früher Kindheit wird Solomon mit Bildern aus Auschwitz konfrontiert („das ist dein Cousin“), mit Lampenschirmen („das ist dein Großvater“) und Seifen („das ist deine Tante“).
Und so liegt es auf der Hand, dass aus Solomon ein Mann wird, der nicht nur an so allerhand tatsächlichen oder auch eingebildeten Gebrechen leidet, sondern auch einer, der von allerlei Ängsten geplagt wird, der darauf lauert, dass seine Familie von einer Katastrophe von Holocaust-Ausmaßen heimgesucht wird und der doch genau weiß, dass er in Ausschwitz keine fünf Minuten überleben würde.
Genau deshalb hat sich Kugel aufs platte Land zurückgezogen, an den so ziemlich unbedeutendsten Ort, den er finden konnte, um sich mit seiner Familie in einem alten Farmhaus vor den Gefahren wegzuducken, die da auf ihn zukommen werden.
Ärger macht dabei aber nicht nur der Untermieter, den er aus finanziellen Gründen beherbergen muss, sondern auch seine verrückte Mutter, die sich ungefragt mit einquartiert hat, stellt die Familienharmonie auf eine schwere Probe. Doch erst, als er auf dem Dachboden eine unglaubliche Entdeckung macht, gerät sein Leben so richtig aus den Fugen.
Dieses Buch ist, wie bei Auslander nicht anders zu erwarten, mal wieder ein Feuerwerk aus bitterbösem Humor, politischer Unkorrektheit und wirklich garstigen Einfällen. Zumindest auf den ersten Blick. Denn so ungeheuerlich sein Dachbodenfund auch ist, so furchtlos spinnt Auslander dessen Konsequenzen auch zu Ende. Herausgekommen ist dabei ein so unterhaltsames wie nachdenklich machendes Gedankenspiel darüber, was passiert, wenn einer so in den Denkstrukturen des kollektiven Gedächtnisses gefangen ist, dass er sogar seine Familie dafür opfert.
Ohne die Opfer des Holocausts auch nur im geringsten zu herabzuwürdigen, nimmt Auslander dennoch völlig ungeniert die Erinnerungskultur, ja auch die Kommerzialisierung derselben auf den Kieker, insbesondere durch Solomons Mutter, die daran leidet, nie gelitten zu haben.
Beim Lesen musste ich denn auch einige Male schlucken: also das kann er doch jetzt nicht wirklich bringen, darf man darüber Witze machen? Aber Auslander macht in keiner Zeile über die jüdischen Opfer Witze, wohl aber über Opferkult und jüdische Selbstzerfleischung.
Allerdings könnte eben jene Selbstzerfleischung manche Leserin nerven (ich denke da an eine, die mit D. anfängt), mir hat dieses Buch wunderbar gefallen.