Gebundenes Buch mit Schutzumschlag und Fadenheftung
Deutsche Verlags-Anstalt (DVA)
224 Seiten, 30,2 x 25,8 cm
ca. 200 Fotografien
Erscheinungstermin: 02. September 2013
Originaltitel: The Gardens of Venice and the Veneto
Die grünen Oasen der Lagunenstadt und ihrer Umgebung
Wer heutzutage einen Aufenthalt in Venedig plant, dürfte dabei in der Hauptsache touristische Allgemeinplätze wie den Markusplatz, die beinahe vierhundert Brücken (u.a. Rialto- und Seufzerbrücke), Muranoglas, Gondelfahrten auf dem Canal Grande, das Brackwasser in den Kanälen, den venezianischen Karneval und den Dogenpalast im Kopf haben. Doch die Lagunenstadt im Nordosten Italiens hat mehr zu bieten – ihre teils gut versteckten und meist wunderschönen Gärten, von denen 21 im Buch beschrieben werden und zum Glück der Öffentlichkeit zugänglich sind.
Seit Jahrhunderten legen die Venezianer Wert darauf, dass sie sich ausschließlich von den Produkten der Lagune ernähren können. Aus diesem Grund bemühte man sich schon frühzeitig darum, den Boden trotz des ständig einströmenden Salzwassers durch verschiedene Methoden nutzbar zu machen. So war es möglich, auf den sorgfältig ausgewählten und gut vorbereiteten Arealen Obst-, Wein-, und Gemüsegärten anzulegen. Auch die sogenannten "Lustgärten" der reichen Patrizierfamilien waren sehr beliebt.
Als im 16. Jahrhundert hochherrschaftliche Residenzen auf dem Land in Mode kamen, bot sich den betuchten venezianischen Familien als idealer Ort dafür das nahe gelegene Veneto an. In diesem Landstrich Italiens, der Padua, Verona, Treviso, Rovigo und Vincenza einschließt, gewannen streng formale und bis ins Letzte durchstrukturierte Gartenanlagen, die Besuchern imponierten und sie in Staunen versetzten, an großem gesellschaftlichen Gewicht. Wechselnde Besitzer und Gartenmoden, aber auch der Zahn der Zeit führten dazu, dass die Gärten restauriert, erweitert und umgebaut wurden und teilweise tiefgreifenden Veränderungen unterlagen. Immer mehr Gartenhalter der Gegenwart sind jedoch daran interessiert, die ursprüngliche Schönheit ihrer Gärten wiederherzustellen und zu erhalten. Deshalb gibt es gerade in Venedig und dem Veneto wahre Offenbarungen der Gartenkunst zu entdecken.
Der vorliegende 224-seitige Bildband widmet sich aber nicht nur der Gestaltung, den Pflanzen, den verwendeten Materialien und dem Aufbau der einzelnen Gärten, sondern bietet eine wahre Fundgrube an Informationen über die Entstehungsgeschichte der Lagunenstadt, historische Daten und Geschichten über die jeweiligen Besitzer und Architekten (z.B. Andrea Palladio) der Gärten und dem ursprünglichen Erscheinungsbild derselben. In Bezug auf das Veneto stehen die wichtigsten Wirtschaftszweige und die landschaftlichen Besonderheiten im Vordergrund. Auch der Umgang Venedigs mit Hochwasser und die Trinkwasserversorgung in früheren Zeiten werden thematisiert.
Die Autorin und Kunsthistorikerin Jenny Condie lebt seit zehn Jahren mit ihrem Mann, einem Schriftsteller, in der Lagunenstadt. Neben ihrer Vorliebe für Gärten unterrichtet sie Kinder in englischer Literatur. Das wirkt sich auch auf den Text aus. Anstelle eines drögen Sachtextes erwarten den Leser atmosphärisch dichte, zum Teil beinahe poetisch anmutende Exkurse über kulturelle Entwicklungen in Italien, die Wirkung der Gärten auf den Betrachter und berühmte Besucher wie Goethe, Henry James, Edith Wharton, Giacomo Casanova, Jean Cocteau und Rilke. In einigen Fällen waren sogar die Halter der Gärten bekannte Persönlichkeiten. So wurde der "Giardino Eden" auf der Giudecca ("Robbeninsel" genannt) von der Schwester der englischen Gartengestalterin und –autorin Gertrude Jekyll und ihrem Mann angelegt und gehörte sehr viel später dem Künstler Friedensreich Hundertwasser. Daneben lockern ausgewählte Zitate den Text zusätzlich auf.
Die hervorragenden Fotografien von Alex Ramsay zeigen unter anderem Außenansichten der Villen, Olivenhaine, Buchsbaumhecken, Irrgärten, Seerosenteiche, Laubengänge aus Stangenholz, schmiedeeiserne Zäune, Steinmauern, alte Skulpturen und Figuren, Kieswege, Blumenrabatten, Zitrusbäume, Terrakotta-Gefäße, Zypressenalleen, Rosensträucher, Beete mit Heilkräutern, Weinranken, Brunnen etc. Fresken des legendären Malers Giandomenico Tiepolo sind ebenso abgebildet wie alte Kupferstiche. Jeder Garten hat seinen eigenen Charme und seine ganz spezielle Zusammensetzung an Pflanzen und Gestaltungselementen. Manche sind eher im natürlichen Stil englischer Landschaftsgärten gehalten, andere besitzen noch die klar vorgegebene Form, die man im Barock für französische und italienische Gärten bevorzugte. Ein paar gingen sogar in literarische Werke ein. Nur ein Garten fällt etwas aus dem Rahmen, da er zwar schon lange besteht, aber erst Anfang der 60erJahre des letzten Jahrhunderts im modernen Gewand konzipiert wurde. Ansonsten dominieren grüne Oasen mit vielen antiken steinernen Objekten.
Durch seine starken historischen Bezüge und vielfältigen Themen ist das Buch sehr viel mehr als ein gewöhnlicher Gartenbildband. Die hochinteressanten, abwechslungsreichen Texte und stimmungsvollen Fotografien werden sowohl Architekturbegeisterte, Gartenliebhaber als auch kulturell interessierte Menschen im Allgemeinen ansprechen. Eine gewisse Affinität zum italienischen Lebensstil sollte natürlich vorhanden sein. Am Ende des Buches finden sich die Adressen und Öffnungszeiten der Anlagen. Wem dieses schöne Coffee Table Book also nicht ausreicht, kann sich auch selber auf den Weg machen und die Gärten mit eigenen Augen betrachten. Es dürfte sich lohnen.
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