Todesengel - Andreas Eschbach

  • Inhalt:


    Ein strahlend weißer Racheengel geht um in der Stadt, heißt es, der überall dort auftaucht, wo Unschuldige in Gefahr sind, und diejenigen, die ihnen Gewalt antun, brutal bestraft: Ist das wirklich nur die Schutzbehauptung eines alten Mannes, der Selbstjustiz geübt hat? Ein Journalist deckt auf: Es gibt diese Gestalt tatsächlich - er kann es beweisen. Und damit nimmt das Verhängnis seinen Lauf -


    über den Autor:


    Andreas Eschbach ist verheiratet, hat einen Sohn und schreibt seit seinem 12. Lebensjahr. Er studierte in Stuttgart Luft- und Raumfahrttechnik und arbeitete zunächst als Softwareentwickler. "Die Haarteppichknüpfer", der 1995 erschien und für den er 1996 den "Literaturpreis des Science Fiction-Clubs Deutschland" erhielt. Bekannt wurde er vor allem durch den Thriller "Das Jesus-Video" (1998), das im Jahr 1999 drei literarische Preise gewann und zum Taschenbuchbestseller wurde. Nach über 25 Jahren in Stuttgart lebt Andreas Eschbach mit seiner Familie jetzt seit 2003 als freier Schriftsteller in der Bretagne.


    meine Meinung:


    Ich durfte den Todesengel in einer Leserunde beim Verlag vorab lesen. Die Optik des Covers finde ich ansprechend und passend zur Geschichte, etwas, was ja leider oft bei der Covergestaltung vernachlässigt wird.


    Ein Todesengel streift nachts durch die Stadt und tötet diejenigen, die anderen Menschen Gewalt antun wollen. Es trifft also mehrmals Schläger und auch Vergewaltiger bevor diese zur Tat schreiten können. Er erschießt sie ohne mit ihnen zu Sprechen gnadenlos und sofort. Ein, zweimal macht er eine Ausnahme und schickt eine Drohung an die Welt oder warnt, dass er jetzt kein Erbarmen mehr hätte. Die Überlebenden - vor allem die Opfer/Geretteten beschreiben ihn als eine von innen heraus leuchtende Gestalt, überirdisch und wie einen Engel. Die Presse stürzt sich natürlich sofort auf diese mysteriöse Erscheinung und der Moderator Ingo bringt in einer täglichen Sendung polemische Berichte und heizt mit Diskussionen und Berichten Überlebender die Situation auf. Derweilen sucht die Polizei fieberhaft nach dem Todesengel, da dieser natürlich trotz allem ein Mörder ist. Ziemlich schnell bekommt der Leser eine Ahnung, wer es sein könnte und warum.


    Die Stärke dieses Buches sind zweifellos die Figuren, die facettenreich und intensiv gezeichnet werden, die teilweise auch eine Entwicklung im Laufe der Handlung durchmachen, was ich immer toll finde in Romanen. Andreas Eschbach versteckt in seiner Geschichte auch jede Menge Hinweise auf tatsächliche Ereignisse und Personen, die wirklich Opfer von Gewaltangriffen wurden. Der Schreibstil ist angenehm und flüssig zu lesen.


    Die Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden und ich bin mir bewusst, dass Andreas Eschbach dieses Buch so und nicht anders machen wollte und dass er viel Zeit und Schweiß reingesteckt hat. Als Eschbach-Fan und Vielleser will ich aber meine ehrliche Meinung kundtun.
    Ich denke, dass das Buch sehr Pro-Todesengel geschrieben ist, also dessen Handlung teilweise von den Opfern/Reportern glorifiziert wird. Es gibt unzählige Beispiele, wo das deutsche Rechtssystem, Gerichte oder die Polizei bei solchen Gewalttaten versagt haben und die Opfer danach vielleicht sogar mehr erdulden mussten als die Täter. Die Handlungen der Täter werden nicht ob ihrer Gründe erforscht, sie werden einfach als Schläger und brutale Menschen geschildert. Nur einem wird die Möglichkeit zugestanden, dass er im Gefängnis geläutert wurde. Damit wird sicherlich eine kontroverse Debatte in Gang gesetzt. Was ja auch gut ist, denn nur durch das Gespräch findet eine Entwicklung statt.
    Meine Meinung ist, dass mir weder die Aussagen von Hauptperson Ingo, noch das Tun des Todesengels gefallen haben und ich am Ende gehofft hatte, dass es versöhnlichere Töne gäbe, als den, dass Mörder Menschen morden, um der Gerechtigkeit genüge zu tun. Und dass nicht Einsicht sondern Angst für eine Verbesserung sorgen könnte. Diese Vorstellung finde ich weiterhin beängstigend und am Ende hat mich das Buch etwas hilflos und unzufrieden zurückgelassen auch wenn alle Stränge zu einem sinnvollen Ende geführt wurden und es eine Aussicht in die Zukunft gab.


    Ich habe erst kürzlich "Die Haarteppichknüpfer" gelesen und war begeistert. Der Todesengel hat meinen Geschmack leider nicht ganz getroffen. Von mir gibt es nur 6 Punkte - aber ich empfehle das Buch trotzdem zu lesen, da das Thema einfach wichtig ist und das Buch zum Debattieren anregt.

    Hollundergrüße :wave



    :lesend


    Heumahd - Susanne Betz


    (Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,

    daß er tun kann, was er will,

    sondern daß er nicht tun muß,

    was er nicht will - Jean Rousseau)

  • Danke für die Rezi. Um das Buch schleiche ich schon länger herum, denn ich muß ehrlich sagen, daß mir bislang nicht alle Eschbach-Bücher gefallen haben und der Klappentext ist bei diesem nicht sonderlich aussagekräftig. Da ist deine Rezi sehr hilfreich! :-)

    liebe Grüße
    Nell


    Ich bin zu alt um nur zu spielen, zu jung um ohne Wunsch zu sein (Goethe)

  • Also ich habe es, wie bislang alle Bücher von ihm, verschlungen.
    Absoluter Pageturner.
    Wieder einmal ein tolles Werk von Andreas Eschbach, welches sehr zum Nachdenken anregt und tatsächlich, wie oben schon angedeutet, zu hitzigen Debatten führen wird bzw. könnte.
    Von mir eine klare Leseempfehlung. 10 von 10 Punkten.

    :lesend"Labyrinth - Elixier des Todes: Agent Pendergast 14" von Douglas Preston & Lincoln Child


    "Wenn man liebt, sind Pockennarben so hübsch wie Grübchen."

  • Andreas Eschbach überrascht in seinen Romanen mit Themen, die eigentlich dem Alltag entnommen scheinen. Doch alltäglich kommen sie deshalb noch lange nicht daher. Für mich sind seine Thriller bisher immer ein Lesehighlight gewesen, jeder neue wird sehnsüchtig erwartet und mit dem bangen Gedanken begonnen: 'Schafft der Autor es auch mit diesem Buch, mich zu überzeugen?`


    Auch in diesem Thriller packt Andreas Eschbach ein sowohl hochaktuelles als auch brisantes Thema an. Er widmet sich der zunehmenden Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft, der Selbstjustiz, dem "Täterschutz" und auch der Frage, wie die Opfer mit der ihnen angetanen Gewalt weiterleben können. Seine Figuren scheinen dem Leben entlehnt zu sein und durchleben eine Entwicklung, wie man sie sonst in Thrillern kaum findet. Sie sind mit komplexen Charakteren ausgestattet und erlauben sich auch manchmal Gedankengänge außerhalb der gesellschaftlichen Norm.


    Andreas Eschbach erzählt den Thriller routiniert und das ist keineswegs als Kritik aufzufassen. Sein Roman ist logisch aufgebaut, gut strukturiert und sehr temporeich. Von der ersten bis zur letzten Seite wird die Spannung hoch gehalten und auch das Ende ist schlüssig und sehr passend. So wird man als Leser an diesen flüssig geschriebenen Thriller förmlich gefesselt und will einfach nur noch lesen. Natürlich kommt auch dieser Thriller nicht ohne eine Liebesgeschichte aus. Aber diese wird nicht in den Vordergrund gerückt und fügt sich somit stimmig in das Geschehen ein.


    Mit "Todesengel" hat Andreas Eschbach ein Thema aufgegriffen, das wohl jeden schon einmal auf irgendeine Art und Weise beschäftigt hat. Er beleuchtet es von allen Seiten, findet in seinen Charakteren Fürsprecher und Gegner in einem ausgewogenen Maß. Dabei ist dieser Thriller nie belehrend, aber stets unterhaltsam. Kurz: Er ist einer der besten Thriller des Autors, und ich habe sie alle gelesen.

  • Als großer Eschbach-Fan freute ich mich wirklich sehr auf neuen Lesestoff und wurde nicht enttäuscht. Ganz nach seiner Art beschäftigt sich Eschbach mit einem brisanten gesellschaftlichen Thema, das zum Nachdenken und Diskutieren anregt. Kann Todesengel nur weiterempfehlen!

  • Meine Meinung


    Für mich ist es ein weiteres Buch von Andreas Eschbach, wenn auch nach etwas längerer Zeit. Es ist typisch für den Autor, sich ein gesellschaftlich schwieriges Thema vorzunehmen, hier ist es die Selbstjustiz. Leider fand ich das Thema etwas zu einseitig dargestellt, trotz wechselnder Perspektiven kommen nicht beide Seiten ausreichend zu Wort.
    Gelesen habe ich „Todesengel“ gerne, auch wenn es sich manchmal etwas gezogen hat und es etwas wenig Thriller-Elemente gab. Trotzdem gab es für mich einiges zum Nachdenken und der Roman hat mich nicht sofort losgelassen.

  • Wieder einmal hat es Andreas Eschbach geschafft, ein faszinierendes und zum Nachdenken anregendes Thema zu wählen: Eine nicht namentlich genannte Stadt, die stark an Berlin erinnert, aber genauso gut Gotham City sein könnte, geht immer mehr vor die Hunde. Viele Gebäude stehen leer und/oder sind sanierungsbedürftig, unzählige Leute halten sich mit ihren Jobs nur geradeso über Wasser. Hinzu kommt die stetig ansteigende Kriminalität und Brutalität, über die die Polizei und die Justiz längst die Kontrolle verloren haben.
    Da liegt es auf der Hand, dass jemand das Gesetz selbst in die Hand nimmt. Noch dazu jemand in einer superheldenartigen Verkleidung. Schnell schöpfen auch die Hoffnungslosen wieder Hoffnung und der "Todesengel" avanciert zum Star. Auch durch die Berichterstattung des Journalisten Ingo Praise, der Hauptperson des Romans. Eigentlich ein antriebsloser Pechvogel, der allerdings einige Male zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist und so Karriere machen kann.
    Bei dem Plot über den Racheengel drängt sich der Vergleich mit Batman geradezu auf. Einziger Unterschied zwischen beiden "Helden": der Fledermausmann tötet nicht. Und eben weil der Racheengel diese letzte Grenze skrupellos überschreitet, kann die Geschichte schlussendlich natürlich auch nicht gut ausgehen. Wo kämen wir denn hin, wenn die Selbstjustiz am Ende sogar noch triumphieren würde? Dies ist meiner Meinung nach der einzige Schwachpunkt der ansonsten interessanten Geschichte: man weiß von Anfang an, dass es übel ausgehen wird.
    Die Story an sich ist aber gut durchdacht, selbst von den Namen der Figuren scheint Eschbach keine zufällig ausgewählt zu haben.

  • Erschienen ist das Buch bereits 2013, das Thema hat jedoch bis heute nichts an Aktualität eingebüßt. An das davor veröffentlichte großartige „Herr der Dinge“ reicht „Todesengel“ nicht heran, trotzdem hat mir das Buch gut gefallen, auch wenn Andreas Eschbach sich hier eines unbequemen Themas annimmt, dem man ungern so nahe kommt. Selbstjustiz - und die kann auch Unschuldige treffen, vom Autor hier auf eindrucksvolle Weise vor Augen geführt. Es geht aber noch um mehr, um Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft, um ein Rechtssystem, das nicht dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entspricht, um Zivilcourage, Notwehr und Selbstverteidigung.


    Eschbach entwirft ein schmerzlich realistisches Bild und bedient sich seiner Protagonisten, um dies nachdrücklich aufzuzeigen. Die vermeintliche Stärke und Unantastbarkeit des Todesengels stärkt auch den bislang eher erfolglosen Journalisten Ingo Praise, dem der Zufall zu zweifelhaftem Ruhm verhilft, der aber feige versagt, als es darauf ankommt.

    Eschbach lässt all seinen Figuren viel Raum, beschreibt ihre Erlebnisse sehr detalliert, was auf Kosten der Spannung geht, das Gefühl des Unbehagens gegenüber der jeweiligen Situation aber erhöht.


    Mit fiktiven Straßennamen weist Eschbach auf tatsächliche Gewaltattacken und ihre Opfer hin:

    Dominikstraße, Brunnerstraße = Dominik Brunner

    Teichmannstraße = Karl-Heinz Teichmann

    Heisigstraße = Kirsten Heisig (Jugendrichterin)

    Sollnplatz = Bahnhof Solln (Brunner Tatort)

    Marinus-Schöberl-Straße (Mordopfer rechtsextremer Jugendlicher)

    Niendorfer Platz = U-Bahnhof Niendorf, wo Mathias R. verprügelt wurde


    Im letzten Drittel lässt die Spannung nach, eigentlich weiß man längst, wie die Sache ausgehen wird. Ein Buch, das nicht in allen Beziehungen der Figuren zueinander wirklich plausibel ist, das man aber nicht einfach so zur Seite legt, dessen beklemmendem Szenario man sich nicht leicht entziehen kann.