Vogelweide -Uwe Timm

  • Über den Autor
    Uwe Timm, geboren 1940, freier Schriftsteller seit 1971. Sein literarisches Werk erscheint im Verlag Kiepenheuer & Witsch, zuletzt »Freitisch«, 2011, »Am Beispiel eines Lebens«, 2010, »Am Beispiel meines Bruders«, 2003, mittlerweile in 17 Sprachen übersetzt, »Der Freund und der Fremde«, 2005, und »Halbschatten«, Roman, 2008. Uwe Timm wurde 2006 mit dem Premio Napoli sowie dem Premio Mondello ausgezeichnet, erhielt 2009 den Heinrich-Böll-Preis und 2012 die Carl-Zuckmayer-Medaille.Weitere Titel bei Kiepenheuer & Witsch: »Der Mann auf dem Hochrad«, Legende, 1984 »Morenga«, Roman, 1984. »Der Schlangenbaum«, Roman, 1986. «Vogel, friß die Feige nicht. Römische Aufzeichnungen«, 1989. »Kopfjäger«, Roman, 1991. »Erzählen und kein Ende«, 1993. »Die Entdeckung der Currywurst«, Novelle, 1993. »Johannisnacht«, Roman, 1996. »Nicht morgen, nicht gestern«, Erzählungen, 1999. »Eine Hand voll Gras«, Drehbuch, KiWi 580, 2000. »Rot«, Roman, 2001, Sonderausgabe 2005. »Am Beispiel meines Bruders«, 2003. »Der schöne Überfluss. Texte zu Leben und Werk von Uwe Timm«, hrsg. von Helge Malchow, 2005.


    Inhalt
    Ein Mann hat alles verloren, seine Freundin, seine Geliebte, seinen Beruf, seine Wohnung, er hat einen Bankrott hinter sich und ist hoch verschuldet. Nun lebt er für eine Weile ganz allein auf einer Insel in der Elbmündung, versieht den Dienst als Vogelwart. Ein geradezu eremitisches Dasein, das durch einen Anruf durcheinandergewirbelt wird. Anna kündigt ihren Besuch an – eben jene Anna, die vor sechs Jahren vor ihm nach New York geflohen ist und zuvor sein Leben komplett aus den Angeln gehoben hat. Und während Eschenbach sich auf das Wiedersehen mit ihr vorberei tet, seinen Alltagsritualen folgt, Vögel zählt und Strandgut sammelt, besuchen ihn die Geister der Ver gangenheit und es entfaltet sich die Geschichte von Eschenbach, Selma, Anna und Ewald. Es ist die Ge schichte von zwei Paaren, die glücklich miteinander waren und es nicht bleiben konnten, als Eschenbachs große, verbotene, richtige und falsche Leidenschaft für Anna entbrannte. Der neue, wunderbar choreographierte und vielschichtige Roman Uwe Timms erzählt mit hoher Inten sität und zugleich fast meditativer Ruhe, präzise, schön, komisch und klug von der Macht des Begehrens, von den geheimnisvollen Spielregeln des Lebens und von der Kunst des Abschieds.


    Eigene Meinung
    Vorab: Dieses Buch fällt eigentlich nicht in mein Beuteschema, deshalb wird die Bewertung wahrscheinlich nicht so toll ausfallen, wie man sie zB bei Amazon oder beim Buchpreis sieht.


    Eschbach sitzt angestellt als Vogelwart absolut allein auf einer Insel .
    Besuche bekommt er hin und wieder von Touristen oder wenns Lebensmittel gibt per Pferdekutsche.
    Ein Anruf kommt mit einer Besuchsankündigung einer alten Affäre und in unzähligen Rückblenden erfährt man wie es dazu kam und warum es endete, bzw enden musste.


    Sprachlich eher gehoben, einige Wörter musste ich nachschlagen :duden "schäm", ansonsten eher ruhig, teilweise schon dröge.
    Man muss sich schon recht konzentrieren um bei den Rückblenden mitzukommen . Kurze Absätze, Rückblenden in den Rückblenden. Keine wirkliche zeitliche Reihenfolge.
    Inhaltlich eins meiner absoluten Hassthemen- ich hasse Fremdgeher und länger gehende Affären noch mehr deshalb waren die Figuren mir eher unsympathisch.


    Fazit
    Leider nich meins, ich habe gefühlt ewig gebraucht bis ich durch war und hätte es abgebrochen, wenn es kein WB mit Rezensionspflicht gewesen wäre...
    5/10 Punkten

  • Na, dafür hört sich das für mich nach perfekter Lektüre an :-)


    Ich mag Uwe Timm, ich liebe Inselromane und das Thema finde ich auch interessant.
    Naja, auf der Wunschliste steht es sowieso schon...
    also, wenn du dein Exemplar irgendwie loswerden willst :grin

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Uwe Timm: Vogelweide
    Kiepenheuer&Witsch 2013. 336 Seiten
    ISBN-13: 978-3462045710. 19,99€


    Eschenbach ist kurzfristig als Vogelwart auf der Vogelschutzinsel Scharhörn eingesprungen. Andere Männer in seiner Lebenssituation wandern auf dem Jakobsweg oder absolvieren kostspielige Coachings. Eschenbach hat keine Wahl; denn er braucht das Geld. Seine Software-Firma, die erfolgreich Programme zur Optimierung von Betriebsabläufen entwickelte, ist bankrott. Der Planer, der schwungvoll Arbeitsplätze vernichtete, hat seinen gesamten Besitz in der Konkursmasse verloren. Als Vogelwart absolviert er den Sommer über seine tägliche Routine, sammelt und katalogisert den am Strand angespülten Müll, trägt Vogelbeobachtungen ein und führt einen mönchischen Ein-Personen-Container-Haushalt. "Sie" hat sich angekündigt, Anna, mit der Eschenbach in Berlin eine kurze und heftige Beziehung hatte. Übergangslose Rückblenden klären erst nach einer geraumen Zeitspanne, wer Eschenbach ist und welche Beziehung zwischen ihm und Anna besteht. Schicht für Schicht legt Uwe Timm frei, wer aus dem Kreis zweier befreundeter Paare wessen Ex und wessen Ehepartner war.


    Eschenbach hat aus Protest gegen seine gutbürgerlichen altlinken Eltern ein Theologie-Studium abgeschlossen, dann aber in Berlin mit einem Teilhaber eine IT-Firma gegründet. Nun hält der Anfang Fünfzigjährige sich an der Routine seiner Aufgabe fest und erkennt beim Schwimmen im Meer seine Sterblichkeit. Jederzeit könnte ihn von einer Minute zur anderen ein Herzinfarkt treffen und ertrinken lassen. Leute wie Eschenbach trafen sich in Galerien - "Knete trifft Ästhetik" - und warfen dort routiniert mit Markennamen, ihrem Burnout und intellektuellen Spitzfindigkeiten um sich. Mit der Silberschmiedin Selma trifft Eschenbach endlich eine Person, unter deren Beruf andere sich etwas vorstellen können. Aus Gründen, die mir verschlossen blieben, begehrt Eschenbach Anna, die Frau seines Freundes Ewald. Die beiden Männer verbindet die Liebe zum Schrauben und Pusseln an Boot oder Oldtimer, die beiden Frauen die Kunst. Uwe Timms feine, ironisch unterlegten Abstufungen in Eschenbachs Leben zwischen Begehren (nicht Liebe), Lust und Abneigung habe ich mit großen Vergnügen gelesen. Mit der Vogelinsel Scharhörn präsentiert Uwe Timm wie auch in vorhergehenden Romanen einen ihm als Hamburger vertrauten Schauplatz. Präparierte Tiere tauchen als biografischer Bezug zu Timms Familiengeschichte auf. Bissig dokumentiert der Autor in seiner vertrauten Rolle des Chronisten am Beispiel eines als Unternehmer erfolgreichen Theologen Ereignisse der jüngsten europäischen Vergangenheit.


    "Vogelweide" habe ich in einem Zug gelesen, doch Timms Figuren blieben für mich in den ersten beiden Dritteln des Buches leider farblos. Das Lebensgefühl eines Fünfzigjährigen, der sein privates und berufliches Leben in den Sand gesetzt hat, konnte der Roman mir nicht vermitteln; Eschenbachs Begehren nach Anna erst zum Ende des Romans. Mit ein paar kauzigen Nebenfiguren zeigt sich abschließend dann doch Uwe Timms berühmtes Erzähltalent voller listiger Einschübe. "Vogelweide" hat mich besonders zum Ende erheitert, wirkte jedoch zu gewollt intellektuell, um es begeistert weiterzuempfehlen.


    7 von 10 Punkte

  • Eschenbach hat alles verloren und sich daher bereitwillig als Vogelwart auf der Insel Scharnhörn anwerben lassen, denn die Einsamkeit kam ihm ganz recht. Und das Geld brauchte er auch. Doch dann ruft Anna an und meldet ihren Besuch an. Und so versinkt er in Erinnerungen an die Zeit mit seiner Frau Selma, dem befreundeten Ehepaar Ewald und Anna - und seine Affäre zu Anna.


    Das Buch enthält viele wirklich tolle kleine Szenen, die mich berührt haben. Auch kann ich nicht sagen, die Figuren wären mir nicht nah gekommen. Besonders Eschenbach mochte ich eigentlich von der ersten Seite an. Vielleicht weil ich selbst auch nichts dagegen hätte, mal ein paar Monate auf einer einsamen Insel Vogelwart zu sein, meine kleine Hütte zu putzen, Tee zu trinken, ab und an schwimmen zu gehen und mir dabei meiner Sterblichkeit insbesondere in Verbindung mit der Einsamkeit, wenn einen keiner retten würde, bewusst zu werden. Gerade das hat mich besonders angesprochen, das puritanische Leben auf der Insel, allein mit seinen Gedanken und den Erinnerungen.


    Aber ich habe ein ganz anderes Problem mit dem Buch, dasselbe, das ich auch schon mit "Die Vermessung der Welt" hatte. So schön manche Formulierungen sind. So sehr wirkt das Ganze auf mich zu gewollt perfekt, anspruchsvoll, intellektuell.


    Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber ich hatte beim Lesen häufig den Eindruck: da will einer auf Teufel komm raus zeigen, wie gebildet und sprachgewandt er ist. Muss das sein, ein Buch so zu schreiben, dass Otto-Normal-Leser den Duden daneben liegen haben muss? Ich habe lange drüber nachgedacht, denn ich habe die meisten Fremdwörter verstanden und musste nicht viel nachschlagen. Aber dennoch hatte ich so ein Grummeln im Bauch. Dasselbe Grummeln, das ich habe, wenn jemand absichtlich im Gespräch irgendwas äußert, von dem er hofft, dass der andere es nicht versteht. Und dabei ist mir dann egal, ob ich es verstehe, es langt schon der Eindruck, dass der andere Eindruck schinden will und denkt: versteht die nicht.


    Es ist eine Sache, wenn jemand immer so spricht und sich da nichts bei denkt. Aber bei diesem Buch hatte ich den Eindruck, der hat absichtlich - mal ganz unperfekt formuliert und asi - auf die Kacke gehauen, damit ihn auch ja keiner aus dem "niederen Volk" versteht und das Buch nur was ist für die "Gebildeten". Ich weiß nicht, wie ich es anders formulieren soll. Aber ich hatte das Gefühl, Timm wollte endgültig endlich aufsteigen in den "Olymp" der anspruchsvollen Autoren. Und dabei hat er leider vergessen, dass dazu mehr gehört, als nur so verschwurbelt zu schreiben, dass ein normaler Mensch einen nicht mehr versteht oder sich langweilt. Ich mag ja das Verschwurbelte durchaus. Daher tue ich mich schwer mit der Wertung. Aber am Ende bleiben dann doch nur 6 Punkte übrig.


    Denn, rein inhaltlich, wenn man sich von der Sprache und dem Aufbau mit den Rückblenden nicht blenden lässt, ist das Buch so anspruchsvoll nun nicht. Und Blender mag ich nicht.

    Man möchte manchmal Kannibale sein, nicht um den oder jenen aufzufressen, sondern um ihn auszukotzen.


    Johann Nepomuk Nestroy
    (1801 - 1862), österreichischer Dramatiker, Schauspieler und Bühnenautor

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