Laurel Saville: Henry and Rachel
Verlag: Amazon Publishing (15. Oktober 2013). 284 Seiten
ISBN-13: 978-1611099669. 12,35€
Kindle edition ASIN B00ANAE6OI. 5,47€
Verlagstext
Brought to live with the George family as a child, all anyone knew about enigmatic Rachel was that she worked hard, making herself indispensable to the plantation. And she remained a mystery until the day she disappeared … even to her husband. Especially to her husband.
Henry was Rachel’s opposite - gregarious where she was quiet, fanciful where she was pragmatic. After years of marriage, Rachel left Henry and their oldest son without explanation and set off on a steamer for New York City with their other four children. Was her flight the ultimate act of betrayal or one of extraordinary courage? Eight characters connected by blood and circumstance reconstruct Rachel’s inexplicable vanishing act.
Weaving real family letters into this narrative of her own great-grandparents, Laurel Saville creates a historical novel of incredible depth and beauty.
Die Autorin
Laurel Saville is an award-winning writer. Her memoir, Unraveling Anne, originally published under the title Postmortem, won a Next Generation Indie Book Award and a Hollywood Book Festival award in 2011. A graduate of New York University, she also holds a master of fine arts degree in creative writing and literature from Bennington College in Vermont.
Inhalt
Wie hatte Rachel es ihrem Mann Henry so lange verheimlichen können, dass sie mit dem Verkauf von Eiern und Gemüse in winzigen Beträgen die Schiffspassagen für sich und die Kinder zusammensparte, um sich dann völlig unerwartet von der Insel Jamaica nach New York abzusetzen? Ihrer Tochter und den Söhnen gegenüber begründet sie ihren einsamen Eintschluss damit, dass in New York alle Kinder kostenfrei zur Schule gehen könnten. Doch im Rückblick kann das nur ein Vorwand gewesen sein, handhabte Rachel Bildung und Erziehung in New York doch ebenso lässig wie schon früher auf der Westindischen Insel. Henry tritt als einer der vielen Icherzähler dieses biografischen Familienromans als alter Mann mit schmerzenden Knochen auf, der damit hadert, seine Frau hätte den Kontakt zu seinen Kindern unterbunden. Doch selbst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Henry auf sein Leben zurückblickt, waren Männer nicht derart unbedarft in ihrem Urteil über ihre Ehefrauen. Henry war damals vermutlich nur so leicht an der Nase herumzuführen, weil ihm die Gefühle seiner Frau seine Ehe hindurch stets fremd geblieben sind und weil er keinen blassen Schimmer davon hatte, wie viel Geld und Nahrungsmittel seine Familie zum Leben brauchte. Rachel dagegen hatte ihrem Mann niemals sagen können, dass sie ihn "liebt", so wie Henry es sich gewünscht hätte, weil sie zuvor erlebt hat, dass Männer von Liebe sprechen und damit sexuelle Gewalt meinen. Rachel konnte bis zu ihrer Begegnung mit Henry ihre Zuneigung nur dadurch ausdrücken, dass sie den Haushalt der Georges in Ordnung hielt - und das tat sie später auf ähnliche Weise für Henry und die Kinder.
Rachel war aufgrund ihrer Herkunft als Kind versteckt, in eine andere Familie gegeben und schließlich zweimal mit Gewalt geschwängert worden, noch ehe sie volljährig war. Einer der beiden Kindsväter war Henry, der zum Tatzeitpunkt verheiratet und fast doppelt so alt wie Rachel war. Das Mädchen mit dem auffälligen Teint einer Rothaarigen lebte nach außen beschützt bei den Georges und versorgte das Kind, das nach ihrer ersten Vergewaltigung zur Welt gekommen war. Henrys Annahme, Rachel wäre Margarets Kindermädchen gewesen, wirkt reichlich lebensfremd. Henry hat die kleine Margaret später immer wie ein eigenes Kind geliebt und sich nicht darum geschert, wer ihre leiblichen Eltern sind. Henry zeugt in der eigenwilligen Beziehung mit Rachel in kürzester Zeit vier Kinder, ist jedoch viel zu sehr in sein Wolkenkuckucksheim von Flugmaschinen und Patenten verstrickt, um sich um die Ernährung seiner wachsenden Familie zu kümmern. Der Zuckerrohranbau steckt damals schon in der Krise, doch selbst als Zahnarzt verdient Henry zu wenig und die Patenteinkünfte aus seinen Erfindungen fließen aus ihm unerklärlichen Gründen noch immer nicht. Relativ bald, als Rachel klar wird, dass Henry seine Familie nicht ernähren kann, bereitet sie planvoll ihren Abgang von der Insel vor. Nach dem Tod von Henrys Lieblingssohn James erhält Margaret als letzte Überlebende der Familie aus James Nachlass Briefe, von denen einige nie abgeschickt wurden. Sie lassen sie ihre in alle Winde zerstreute Familie aus einem völlig neuen Blickwinkel sehen. Auch wenn James es Rachel gegenüber nicht auszusprechen wagte, geht es in seiner Weltsicht auch darum, wie Weiße und Farbige sich damals zu benehmen und wie sie zu sprechen hatten. Dass Rachel diesem Schwarz-Weiß-Schema so entschlossen Widerstand leistete, hat Henry offenbar unterschätzt.
Fazit
Henry in all seiner Ichbezogenheit hat mich in diesem farbenprächtigen Roman aus dem Milieu der Zuckerrohrfarmer bald genervt. Würde er wirklich bis zum Ende der Handlung die Rolle des alternden Jammerers einnehmen, ohne auf die Idee zu kommen, dass Rachels für ihn unerklärliches Verhalten auf die Gewalterfahrungen ihrer Jugend zurückzuführen sein könnte? Zum Glück für mich als Leser tauchten außer Henry weitere Icherzähler auf: Rachel selbst, ihr Pflegevater Mr George, Rachels leibliche Mutter, Henrys Lieblingssohn James, die älteste Tochter Margaret und Vea, die treue Haushälterin der Familie George. So ergibt sich aus einander überlappenden Aussagen und Meinungen ein sehr vielfältiges Bild der Ereignisse. Um - reale - Briefe ihrer Vorfahren herum hat Laurel Saville wie einen Flickenteppich die Geschichte ihrer eigenen Urgroßeltern zu einem faszinierenden Roman gefügt.
9 von 10 Punkten