Die amerikanische Nacht
Marisha Pessl
Übersetzer: Tobias Schnettler
ISBN: 978-3100608048
793 Seiten, 22,99 Euro
Über die Autorin findet man im Klappentext: Mit „Die alltägliche Physik des Unglücks“ wurde Marisha Pessl 2006 weltweit als literarisches Wunder gefeiert. Nach sieben Jahren kommt sie mit einem donnernden Paukenschlag zurück. Marisha Pessl wurde 1977 in North Carolina geboren und studierte Englische Literatur an der Columbia University. Sie lebt in New York.
Klappentext: Tief unten im Aufzugschacht einer leeren Lagerhalle liegt Ashley, tot – Tochter des unauffindbaren, aber allseits präsenten und besessenen Filmemachers Cordova. War es ein Unfall oder Selbstmord? Zusammen mit Nora und Hopper, beide um die zwanzig und gerade erst in Manhattan gestrandet, sucht der Journalist Scott das Rätsel ihres mysteriösen Todes aufzudecken. Schon lange ist Scott hinter Cordova her, aber eine falsche Behauptung über das allmächtige Filmgenie hat ihn vor Jahren die Karriere gekostet. Jetzt nimmt er die Recherche auf eigene Faust wieder auf. Was verbirgt sich hinter Cordovas Credo „Ist die Kunst größer als das Leben?“ Und liegt der Schlüssel zum Geheimnis in seinen sagenumwobenen Filmen?
Meine Meinung: Scott, der investigative Journalist, jagt schon seit Jahren dem Filmemacher Cordova hinterher. Es gibt von Cordova fast keine Bilder in den Medien. Er schirmt sein Privatleben streng ab, meidet die Öffentlichkeit und lässt Filmpreise von seiner Sekretärin entgegen nehmen. Somit ranken viele Legenden um ihn. Alle Welt spricht über seine Filme, die erschreckend real wirken und die die Zuschauer immer verstört zurück lassen. Alles in den Filmen hat eine größere Bedeutung, und viele Szenen sind berühmte Klassiker geworden, ähnlich wie die Dusch-Szene in „Psycho“ haben sich die Bilder in die Erinnerung der Zuschauer eingebrannt. Als nun Ashley, die Tochter Cordovas tot aufgefunden wird, entdeckt Scott, dass er sie kurz vor ihrem Tod noch gesehen hat und beginnt eine Recherche, die ihn tiefer in düstere Geheimnisse hineinzieht, als er zu denken gewagt hat.
Schon die ganze Zeit des Lesens über war es mir bewusst – ich habe das (meiner Meinung nach) perfekte Buch in der Hand - und ich habe jede einzelne Minute mit diesem Buch genossen. Das Debüt der Autorin hatte ich noch genervt von den vielen oberklug wirkenden Sätzen und den unzähligen Fußnoten abgebrochen und so war meine Erwartung nicht besonders hoch, als ich den Klappentext von „Die amerikanische Nacht“ las, der zuerst einmal keinen außergewöhnlichen Plot versprach. Doch schon das Vorwort, ein Zitat von Cordova persönlich, riss mich in die Geschichte – eine Geschichte, wie sie spannender, unheimlicher, ja magischer nicht sein kann. Oft wurde ich an „Der Schatten des Windes“ erinnert, denn obwohl sich beide Bücher kaum ähneln, so kam bei mir dieselbe Stimmung beim Lesen auf. Die ganze Zeit schwebt über den Personen und über der Handlung ein düsterer Zauber, der einen einfach nicht los lässt.
Jede noch so kleine Beobachtung, jedes noch so kleine Detail ist wichtig und zeigt erst viel später seine Bedeutung und genau das macht es in meinen Augen zu einer so perfekten Geschichte. Jede Spur, die verfolgt wird, jede Vermutung, die angestellt wird, bekommt einen Sinn – oft verwischen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität und manchmal fragt man sich zusammen mit den Hauptfiguren, ob man bloß Teilnehmer an einem ausgeklügelten bizarren Spiel geworden ist. Abgerundet wird das Ganze durch gedruckte Zeitungsartikel und Screenshots aus dem Internet mit Spekulationen über das Leben des Filmemachers, die so real wirken, dass man fast geneigt ist, die Existenz Cordovas zu akzeptieren. Die Autorin spielt mit ihren Figuren, aber auch mit ihren Lesern. Sie verunsichert, täuscht, legt falsche Fährten aus und irgendwann weiß man nicht mehr, was und wem man glauben kann.
Mein Fazit: Ich bin absolut begeistert von diesem Buch, das meiner Meinung nach einfach meisterhaft ist und dessen intensive Bilder mich noch sehr lange beschäftigen werden. Wer auf der Suche nach einem unblutigen fesselnden und literarisch hochwertigen Psychothriller ist, sollte „Die amerikanische Nacht“ unbedingt lesen. Alle Punkte für dieses faszinierende Meisterwerk.
Mit diesem „Cordova“-Zitat beginnt das Abenteuer: „Todesangst ist so überlebenswichtig wie die Liebe. Sie berührt den Kern unseres Daseins und lässt und erkennen, wer wir wirklich sind. Trittst du einen Schritt zurück und schließt die Augen? Oder hast du die Kraft, dich dem Abgrund zu nähern und hinabzusehen? Willst du wissen, was dort unten ist, oder willst du in der dunklen Illusion leben, in der uns diese Welt des Kommerzes eingeschlossen hält, wie Kokons in ihrem Inneren die blinden Raupen? Kannst du dich davon befreien und fliegen? Oder wirst du dich mit geschlossenen Augen zusammenrollen und sterben?“