Rowohlt Verlag, 2013
Gebunden, 176 Seiten
Kurzbeschreibung:
Augustus Baum, ein berühmter Theaterregisseur, liegt nach einem leichten Schlaganfall im Krankenhaus. Herausgerissen aus der Inszenierung der "Möwe" von Anton Tschechow, inszeniert er weiter, vom Krankenzimmer aus. Nicht nur das Stück, sondern auch sich selbst. Die Nachtschwester Ute-Marie, seine Frau Dr. Gerda und er sind die Personen, die er so handeln lässt, dass ein Roman draus wird. Es ist ein Roman, der ohne Erzähler auskommt. Die Figuren handeln durch Rede und Gegenrede, miteinander und gegeneinander redend handeln sie: Sie stehen auf dem Spiel, darum müssen sie sprechen. Obwohl es in der "Inszenierung" um nichts als Liebe geht, ist, was darin verhandelt wird, etwas Unerhörtes, eine Sensation: Dr. Gerda, die Ehefrau, und Ute-Marie, die Nachtschwester, sind bei aller Lebensverschiedenheit gleich gut, gleich bedeutend, gleich zurechnungsfähig und auch gleich schön. Das gibt dem Uralt-Thema eine überraschende Aktualität.
Über den Autor:
Martin Walser, geboren 1927 in Wasserburg, lebt in Überlingen am Bodensee. Er hat für sein literarisches Werk zahlreiche Preise erhalten, darunter 1981 den Georg-Büchner-Preis und 1998 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. Außerdem wurde er mit dem Orden "Pour le merite" ausgezeichnet und zum "Officier de L'ordre des Arts et des Lettres" ernannt.
Mein Eindruck:
Martin Walsers neuer Roman, der nur 172 Seiten umfasst, trägt seinen Titel zu Recht. Er liest sich wie eine Theateraufführung, an die sich Walser auch inhaltlich anlehnt. Hauptfigur ist der Theater-Regisseur Augustus Baum, der Tschechows Möwe aufführen will.
Die Möwe ist eine Tragikomödie, Wie Walser den Stoff und dessen Verwicklungen auf seine Figuren überträgt halte ich für originell.
Bei den Proben ist Augustus zusammengebrochen und liegt jetzt im Krankenhaus. Für ihn, dem es schon wieder ganz gut geht, eine kleine Bühne. Hier wird sich die gesamte Handlung abspielen. Der Roman besteht passenderweise fast nur aus Dialog. Die Sprache ist sehr exaltiert und setzt an Walsers Briefroman „Das dreizehnte Kapitel“ an. Diese Sprache erzeugt zwar den typischen Walser-Sound, sogar in hohem Maße, doch allzu glaubwürdig finde ich sie nicht. Mag in Briefen, wie im letzten Roman, auch noch so in Worten geschwelgt werden, im alltäglichen Gespräch ist das übertrieben. Mitte des Buches erhält der Regisseur einen Brief von einem Freund, da ist der Ton wiederum akzeptabel.
Augustus Baum ist eine typische Walser-Figur, bei dem man den Autor selbst vor dem geistigen Auge hat, wenn auch diesmal ca. 30 Jahre jünger. Eigentlich hätte ich mir gewünscht, Walser hätte seine Hauptfigur detaillierter und eigenständiger ausgestaltet (wie es noch in Muttersohn so großartig geschah)t, aber vermutlich hat er Recht mit seiner Annahme, dass er das nicht mehr nötig hat. Doch etwas weniger wäre für meinen Geschmack diesmal mehr gewesen, Augustus wirkt übermächtig.
Ein zwiespältiges Gefühl entsteht, wenn auch bald gemildert durch einige gute Passagen.
Die Handlung wird von der Liebe bestimmt und ist, wie gesagt, leicht angelehnt an Tschechows Stück.
Die Grundidee ist nicht schlecht, aber letztlich auch nicht hundertprozentig überzeugend. Dennoch, das Buch ist trotz seines geringen Umfanges nicht zu unterschätzen.
Noch kann ich nicht sagen, wie ich Die Inszenierung eigentlich einschätzen soll. Vermutlich wird es bei mir eine zweite Lektüre geben. Doch zunächst sollte ich mir mal Tschechows Möwe ansehen.
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ASIN/ISBN: 3498073842 |