Tierisch giftig. Baden-Württemberg-Krimi - Sibylle Luise Binder

  • Die Informationen innerhalb der Spoilermarkierungen kann man mitlesen, muss es aber nicht tun. Sie enthalten keinen Geheimnisverrat, sondern lediglich weitere Informationen zu Personen und Handlungsverlauf.


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    Sibylle Luise Binder: Tierisch giftig, Tübingen 2013, Silberburg-Verlag, ISBN 978-3-8425-1278-8, Softcover, 303 Seiten, Format: 18,8 x 12 x 2,4 cm, EUR 9,90.


    Oberveterinärrätin Dr. med. vet. Friederike Abele ist Amtstierärztin im Kreis Göppingen und für Tierschutz, Tierhygiene und Tierarzneimittel zuständig. Das ist kein besonders glamouröser Job und auch nicht allzu aufregend. Das Schlimmste, was ihr passieren kann, ist, an uneinsichtige Tierhalter zu geraten oder von Regierungsdirektorin Katja Kirchner-Lindemann eine Zusatzaufgabe aufs Auge gedrückt zu bekommen.


    Spannender ist da schon ihr Privatleben: Mit ihrem walisischen Lebensgefährten Corin Llewlin, Musikdirektor der Oper Stuttgart, wohnt sie in einer umgebauten Kirche in Eislingen. Nur hier habe er genügend Platz für seine Musikinstrumente und auch die angemessene Akustik, meint ihr Partner. Dass dieser allseits umschwärmte (und zweifach geschiedene) Künstler sich ausgerechnet für die burschikose Durchschnittsfrau Friederike entschieden hat, versteht kaum jemand. Ja, nun: Langweilig wird es ihm mit Friederike auf gar keinen Fall.


    An einem heißen Sommertag wird sie von der Kriminalpolizei nach Donzdorf bestellt. Ein Mann, der unter noch ungeklärten Umständen in seinem Haus zu Tode kam, hat einen exotischen gelben Frosch hinterlassen, der nun durch die Räume hüpft und möglicherweise äußerst giftig ist. Friederike soll ihn fachgerecht einfangen, damit die Spurensicherung arbeiten kann. Was sich als gar nicht so einfach erweist.



    Phyllobates terribilis. Foto: Wilfried Berns*


    Tierpräparate und Giftschlangen-Poster in der Wohnung, ein frei laufender Phyllobates terribilis ... Der Verstorbene muss doch Terrarien gehabt haben. Wo soll das Tier sonst hergekommen sein? Und wo sind die Terrarien jetzt? Hat er womöglich illegal giftiges Getier gehalten? Und ist die Polizei wirklich sicher, dass es ein Suizid war?


    Friederike überredet ihren Studienfreund Adrian Hinerksen, den superkorrekten Reptilienspezialisten aus dem Stuttgarter Zoo „Wilhelma“ zum Mitgehen und verschafft sich Zutritt zu Bareis’ Haus. Sie finden Futtertiere und Tiermedikamente in großem Stil. Bareis muss mit Reptilien/Amphibien gehandelt haben, vielleicht sogar mit Wildfängen. Und nach der Polizei ist offensichtlich noch jemand im Haus gewesen: Im Obergeschoss ist alles durchwühlt. Die gut versteckte externe Computerfestplatte haben die Einbrecher allerdings nicht gefunden. Friederike entdeckt sie auch eher durch Zufall und nimmt sie trotz Adrians heftigen Protests mit.



    Jetzt wäre es natürlich interessant für Friederike, mal mit der Ex-Gattin des Verstorbenen zu sprechen. Doch Mafalda Neto-Bareis ist wie vom Erdboden verschluckt. Ihren Laden und ihre Wohnung hat sie Hals über Kopf aufgegeben. Sogar ihre teuren Möbel hat sie beim Vermieter zurückgelassen. Ist ihr etwas zugestoßen? Das gleiche wie ihrem Mann, vielleicht? Dass dieser sich mit wirklich üblen Gesellen eingelassen hat, das ergeben Friederikes Recherchen am Computer. Es sieht wirklich nach illegalem Handel mit Giftschlangen aus. Und wer da ganz dick mit drin hängt, ist der Tierhändler Kowalski in Duisburg. Den haben die Behörden schon länger auf dem Kieker, aber bis jetzt konnte man ihm noch nie etwas nachweisen.


    Dass Friederike und Adrian einen Besuch bei einer Studienkollegin für einen Abstecher zu Kowalskis „Zoo-Riese“, Europas größter Tierhandlung, nutzen und dort im Hinterhof herumschnüffeln, passt dem Inhaber und seinem Handlanger gar nicht. Nur ein Trick und Friederikes schnelles Auto bewahren die beiden Amateurdetektive vor Schlimmerem. Doch der Albtraum ist noch nicht vorbei. Am nächsten Tag läuft sie Kowalski im Duisburger Hafen in die Arme. Nicht ganz zufällig – beide sind in geschäftlicher Mission hier. Nur ein beherzter Sprung ins Hafenbecken rettet sie davor, vorsätzlich mit dem Auto überfahren zu werden. Binnenschiffer Joseph „Jupp“ Pollwitz wird Augenzeuge des Vorfalls und alarmiert die Zollbeamten. Doch Kowalski ist schon weg und er wird auch nicht im Nachhinein verhaftet. Es passiert ihm ... nichts.



    Hauptkommissar Wolfgang Gebhard sagt das, was der Leser denkt: „Eines aber noch, Frau Doktor Abele: Seien Sie bitte vorsichtig. Wir wissen Ihr Engagement zu schätzen, aber jetzt wäre es mir deutlich lieber, wenn Sie sich raushalten würden.“ (Seite 220)


    Friederike hat auch beste Vorsätze und begleitet ihren Lebensgefährten auf eine Geschäftsreise nach Rotterdam. Während er seinen Termin wahrnimmt, möchte sie eine Hafenrundfahrt machen. Im Hafen trifft sie zu ihrer großen Freude Jupp wieder, den Binnenschiffer aus Duisburg. Doch dummerweise hat dort auch ein anderer Bekannter von ihr zu tun: Kowalski.


    Die hemdsärmelige Tierärztin, die dank ihrer kommunikativen Art einen riesigen Bekanntenkreis hat, ist klasse. Ein bisschen fragt man sich beim Lesen schon, wie sie mit ihrem Dirigenten zusammenpasst, aber sei’s drum. Ihr Kumpan bei allen Schandtaten ist ja auch eher ihr Studienfreund Adrian Hinerksen, ein Erbsenzähler, wie er im Buche steht. Da sind die zwei mit Corins Sportwagen auf der Flucht vor Kowalski und seinen Schergen, und Adrian kann nicht umhin, sie auf das Tempolimit hinzuweisen: „Du, hier ist hundertzwanzig!“ (Seite 94) Der Kerl ist schon eine Marke!


    Die Geschichte hat eine gewisse Komplexität. Gegen Schluss zu kollidiert das dann mit der Tatsache, dass alles aus der Sicht von Friederike geschildert wird. Was genau Jupp, die Zollbeamten, die Polizei, die Küstenwache und die Jungs von der Reederei veranstalten, während die Tierärztin anderweitig beschäftigt ist, das kann man nicht live miterleben, das muss ihr und uns hinterher jemand erzählen. Das ist dann nicht ganz so mitreißend, wie es vielleicht sein könnte.


    Die Autorin muss überaus fleißig recherchiert haben. Was sie über Friederikes Arbeit, über Reptilien, über Frachtschiffe, Speditionen und Zoll weiß, klingt ungeheuer plausibel. Man glaubt ihr jedes Wort. Dass sie weiß, wie eine dörflich-schwäbische Nachbarschaft tickt, kann ich ihr bescheinigen.


    Das war überhaupt eine interessante Erfahrung: Die Autorin und ich sind im selben Jahr geboren, in der gleichen Region aufgewachsen und haben einen ähnlichen beruflichen Werdegang. So etwas scheint doch sehr zu prägen. Häufig habe ich beim Lesen der Dialoge gedacht: „Genau das hätte ich jetzt auch gesagt!“


    Ob die neugierige Amtstierärztin wohl in Serie geht? Ich wäre bei ihren neuen Abenteuern auf jeden Fall wieder mit von der Partie. Ihr penibler Kollege Adrian muss natürlich auch wieder dabei sein!


    Die Autorin
    Sibylle Luise Binder, Jahrgang 1960 und in Stuttgart zuhause, ist seit einem Vierteljahrhundert als Journalistin und Autorin tätig. Neben einer ganzen Reihe von Sachbüchern über Pferde und Reiten hat sie Mädchenbücher und Krimis geschrieben. Tiere faszinieren sie schon seit ihrer Kindheit – und daher hat die Reiterin und Züchterin von Warmblutpferden neben Hunde- und Katzen- auch Zirkuserfahrung. Wenn sie nicht mit Tieren befasst ist, beschäftigt sie sich gerne und ausführlich mit Oper und Geschichte.


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    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Vandam ()

  • Die Amtstierärztin Friederike Abele, von ihren Freunden Fritz genannt, wird in das Haus eines Selbstmörders gerufen, weil dort in einer Pflanze ein gelber Frosch sitzt. Schnell stellt sich heraus, dass es sich hier um einen Pfeilgiftfrosch handelt. Doch wie kam das Tier in das Haus? Fritz ermittelt – zunächst von Amts wegen und es stellt sich heraus, dass der Tote einen illegalen Handel mit exotischen Tieren trieb. Offenbar hat er nicht allein gehandelt und die Jagd auf die Hintermänner beginnt.


    Selten habe ich eine so sympathische, dazu noch patente und mutige Ermittlerin kennen lernen dürfen. Und das gefällt mir wirklich gut. Es ist ein schöner Kontrast zu all den problembeladenen Ermittlern, denen man sonst so begegnet, die sich dazu noch mit zickigen Mitarbeitern und/oder Familienmitgliedern herumplagen müssen. Auch das ist hier anders. Fritz Lebensgefährte, der Dirigent Sir Corin Llewellyn, ihr bester Freund, Adrian, Veterinär in der Wilhelma, ihre Sekretärin, sie alle sind sympathisch. So liest sich der Kriminalroman erfrischend anders, ohne dass man ihm Schwarz-Weiß-Mentalität unterstellen müsste. Es gibt schon auch den einen oder anderen grauen Fleck …


    Der Fall ist interessant und die Autorin hat sehr gut recherchiert. Und auch wenn sie uns die lateinischen Bezeichnungen der verschiedenen Tiere um die Ohren haut, so ist das nicht langweilig sondern passt sich gut in die Geschichte ein – und ist zudem authentisch, haben wir es hier doch mit Tierärzten zu tun, da spricht man untereinander halt so – und die Leserschaft kann, wenn sie mag, auch noch ein bisschen dabei lernen.


    Sehr schön auch, dass der Roman unblutig daher kommt, etwas anderes würde auch nicht passen. Schütteln wird es den Einen oder Anderen dennoch, als Fritz z. B. Jagd auf eine Vogelspinne machte, musste ich doch hin und wieder mal hinter mich schauen …


    Sibylle Luise Binder erzählt voller Humor, mein Lieblingszitat ist ganz klar: „Meine ästhetischen Ansprüche an Selbstmörder sind nicht sehr hoch“ (Fritz), ähnliche Sätze finden sich öfter. Sie erzählt auch sehr spannend und stellenweise sehr rasant – der Roman ist ein richtiger Pageturner. Dabei kommt er zudem immer logisch und durchdacht daher.


    Für mich eines meiner Lesehighlights. Selten habe ich ein Buch am Ende so bedauernd und gleichzeitig so zufrieden zugeklappt. Und mir gewünscht, noch viel mehr von diesen mir ans Herz gewachsenen Charakteren zu lesen. Wie gut, dass Sibylle Luise Binder schon mehrere weitere Romane geplant hat, der nächste wird allerdings wohl erst im nächsten Jahr erscheinen. Ich freue mich drauf!


    Absolute Leseempfehlung, nicht nur für Freunde guter Kriminalromane!

  • Na ja, wer wissen will, ob das Buch spannend ist braucht bloß auf die Uhrzeit schauen, zu der ich das hier schreibe. Der etwas schmalzige Schluß macht keine Lust auf mehr, aber von dem Krimi habe ich mich sehr gut unterhalten gefühlt und der Plot um geschmuggelte Reptilien ist ja auch noch nicht gerade ausgelutscht zu nennen. Die handelnden Hauptpersonen kommen gut und sympathisch rüber, sympathisch, schwäbisch, gut, mit einer vielschichtig gebrochenen Persönlichkeit bekommt man es hier nicht zu tun. Weder der obligatorisch alkoholsüchtige Ermittler oder die männermordende Diva, sondern wirklich Frau Normalverbraucher mit einer kleinen Portion zuviel Neugier. Gerade dadurch bleibt die Geschichte insgesamt glaubwürdig und überzeugend. Gute Unterhaltung also, lesenswert.

  • Ich bin noch am lesen. Das einzige was mich bis jezt gestört hat war der medizinische Ausrutscher.


    Eine Patientin, die vier Tage nicht bei Bewusstsein ist, bekommt einen Dauerkatheter und wacht nicht auf mit Druck auf der Blase und muss Pipi. Da sie ja ständig am Tropf hängt muss das ja auch wieder raus.
    Aber sonst ist es ganz amüsant zu lesen.

  • Amüsant und spannend war es wirklich, wenn auch zum Schluss hin manche Kalauer etwas flach wirkten.


    Trotzdem ein lesenswerter Krimi mit einer herrlich erfrischenden Hobbydetektivin alias Tierärztin.