'Vaterland' - Teil 4

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  • Erstmal keine grossen Ueberraschungen hier, ausser dass Harris die Schweizer Banken noch zynischer beschreibt als ich es befuerchtet hatte :lache


    Auch der Inhalt des Schliessfaches ueberrascht mich nicht. Das, was die ganze Sache ins Rollen gebracht hat, hat er wohl bei seinem Besuch rausgeholt.


    Erst die Suche in den Archiven bringt etwas Licht in die Sache: es geht um die Wannseer Konferenz und die Endloesung. Wobei ich hier auch wieder dachte, ok, das ist fuer unsere Protagonisten sicherlich was "Neues", das durchaus Sprengstoff beinhaltet, fuer mich als deutsche Leserin in der realen Welt aber eher Teil des Allgemeinwissens und nicht sonderlich aufregend.


    Uebrigens hab ich auch was nettes gefunden: ich mag es, wenn man nebenbei so kleine Dinge findet, die Harris einfuegt um diese fiktive Welt lebendig werden zu lassen, wie "Fuehrerwetter" in Anlehnung an das auch heute noch real benutzte Wort "Kaiserwetter" [erster Satz Kapitel 3].

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Ich bin gerade bin diesem Teil fertig geworden und bin richtig begeistert vom Buch. Es gefällt mir immer besser.


    Interessant war bestimmt das Schließfach in der Schweiz, und dass auch Deutsche im Großdeutschen Reich nicht einfach verreisen können wie sie wollen. Erinnert mich an die ehemalige DDR.
    Wie schon in einem früheren Teil angedeutet wussten in dieser Welt die Deutschen einfach nicht, was mit den Juden angefangen worden, was aus ihnen geworden ist. Eigentlich ist es ganz klar, zumindest für uns heute, was aus ihnen wurde.


    Und ich muss ehrlich sagen, dass mir dieses Buch die Schrecken einer Welt, in der Hitler den zweiten Weltkrieg gewonnen hätte, sehr deutlich macht. Deutlicher als der Unterricht in der Schule. Auch wenn es fiktiv ist und keiner weiß, wie es gekommen wäre, wenn.

  • Zitat

    Original von Wiggli
    Erinnert mich an die ehemalige DDR.
    [...]
    Auch wenn es fiktiv ist und keiner weiß, wie es gekommen wäre, wenn.


    Ich hab auch an mehreren Stellen an die DDR gedacht. Ist ja auch eine Diktatur gewesen. Und so gesehen finde ich es gar nicht mal moeglich zu sagen "keiner weiß, wie es gekommen wäre". Ok, in den Details kann man es natuerlich nicht wissen, aber in den Grundzuegen haben wir genuegend Diktaturen in Geschichte und Gegenwart, dass wir eigentlich nur zu gut wissen, wie sie aussehen .....

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Ich glaube, in der Realität wäre es viel schlimmer gewesen als es im Buch bislang ist. Da befindet sich Deutschland ja im Frieden mit den anderen Ländern und dominiert diese ohne Gewalt. Und im Inneren kann jemand wie März sogar fast offen gegen jemanden wie Globus agieren. Ich denke, die realen Nazis hätten einfach die Knarre gezogen und März erschossen.


    An die DDR erinnert das Buch wirklich sehr stark.

  • Zitat

    Original von xexos
    Ich glaube, in der Realität wäre es viel schlimmer gewesen als es im Buch bislang ist. Da befindet sich Deutschland ja im Frieden mit den anderen Ländern und dominiert diese ohne Gewalt. Und im Inneren kann jemand wie März sogar fast offen gegen jemanden wie Globus agieren. Ich denke, die realen Nazis hätten einfach die Knarre gezogen und März erschossen.


    Wobei sich ja Nazi-Deutschland mit den Russen im Kalten Krieg befinden (eigentlich interessant) und auch Kampfhandlungen mit vielen Gefallen gibt.
    Aber ich glaube auch, dass März bei den realen Nazis keine große Überlebenschance hatte.


    Zitat

    An die DDR erinnert das Buch wirklich sehr stark.


    Ich bin ja viel zu jung, als das ich die DDR selbst erlebt hätte. Ich kenne sie nur aus der Schule (wobei da die Nazis sehr viel mehr Raum eingenommen hatten) und den Erzählungen meines Vaters (Stichwort Innerdeutsche Grenze und Ermordung Flüchtiger, die die DDR verlassen wollten.

  • So eine Art "deutscher Blick" passt aufgrund der ewigen Bespitzelung und Denunziation z. B. auch zur DDR. Der Wunsch, dauernde Überlegenheit darzustellen, die frühkindliche militärische Erziehung usw.


    Zu Russland ist der Krieg im Roman nicht so kalt, sondern sehr real.

  • Zitat

    Original von Wiggli
    Und ich muss ehrlich sagen, dass mir dieses Buch die Schrecken einer Welt, in der Hitler den zweiten Weltkrieg gewonnen hätte, sehr deutlich macht. Deutlicher als der Unterricht in der Schule. Auch wenn es fiktiv ist und keiner weiß, wie es gekommen wäre, wenn.


    :write Das kann ich so unterschreiben. Wenn ich dabei im Vergleich an die DDR-Literatur denke, die sich ja mit dem DDR- Regime auch auseinandersetzt, fühle ich bei Harris eine größere Beklemmung, wenn man die ganzen Bespitzelungen und Bevormundungen sieht.

  • Ich schleppe mich so voran, auch in diesem Teil.


    Es ist ok zu lesen, packen tut es mich nicht. Ich find den Schreibstil auch irgendwie nicht so mitreißend.


    Ich habe mir nun mal auf Youtube den Film dazu angesehen von 1994. Der war ganz ordentlich, der Schluss auch spannend.


    Ich bin aber auch der Meinung, es ist ein mittelmäßiger Thriller - aus der Thematik hätte man wesentlich mehr rausholen können....


    hmmm.... ich lese trotzdem noch weiter :lesend

  • Zitat

    Original von Beatrix
    Erst die Suche in den Archiven bringt etwas Licht in die Sache: es geht um die Wannseer Konferenz und die Endloesung. Wobei ich hier auch wieder dachte, ok, das ist fuer unsere Protagonisten sicherlich was "Neues", das durchaus Sprengstoff beinhaltet, fuer mich als deutsche Leserin in der realen Welt aber eher Teil des Allgemeinwissens und nicht sonderlich aufregend.


    Da kann ich dir zustimmen! Ich wundere mich zwar, dass so gar nichts über den Verbleib der Juden durchgesickert ist, aber ok. Wahrscheinlich gibt man sich (zumindest die meisten) in dieser Situation mit einer präsentierten Antwort zufrieden und fragt nicht weiter nach.


    Der Vergleich mit der ehemaligen DDR drängte sich auch mit auf, ich denke auch, dass alle Diktaturen irgendwo ähnlich sind (egal ob rechts oder links). Dass auch Deutsche nicht so einfach ausreisen durften hat mich somit auch gar nicht gewundert, eher noch die doch sehr lange Ausreisezeit für Parteimitglieder. Wahrscheinlich wurde aber nicht jeder in der Partei aufgenommen, sondern man musste da schon etwas (Infos???) mitbringen. Andererseits haben sie aber auch fast keine Möglichkeit, in ein anderes Land zu kommen und sich dort ein neues Leben aufzubauen.


    Zitat

    Original von xexos
    Da befindet sich Deutschland ja im Frieden mit den anderen Ländern und dominiert diese ohne Gewalt.


    Naja, ohne Gewalt ist relativ. Vielleicht ohne momentane Gewalt nach außen (Ausnahme Russland), aber durchaus nach innen. Sei es durch "Hinrichtungen" durch die Gestapo wie bei den Opfern im Buch, durch Einsatzbefehle, von denen man fast nicht zurückkommen kann oder auch die Androhung eines Kriegsgerichtes, nur weil man keinem Verein zugehört. Man darf auch nicht vergessen, dass Harris nicht nur Deutschland eine rassistische Führung zuschreibt, sondern auch die Regierungen von England und die USA in diese Richtung tendieren. Es muss also schon viel zusammenfallen, dass die Situation außenpolitisch so wäre, wie hier geschildert.


    Danke für den Hinweis zum Film! Der Anfang gefällt mir gut, momentan habe ich aber leider nicht die Zeit, ihn mir anzusehen, aber es bleibt mal im Hinterkopf! Wie ist das Buch denn umgesetzt? Gibt es viele Änderungen oder hält sich der Film weitgehend an den Roman?

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Zitat

    Gibt es viele Änderungen oder hält sich der Film weitgehend an den Roman?


    Es sind einige Änderungen, der Film ist ziemlich abgeändert. Nichtsdestotrotz ist er sehenswert.


    Ich habe das Buch nun durch und fand es zwar immer noch ziemlich zäh aber dennoch sehr gut.... besser als den Film ;-)

  • Tja, endlich fällt der Groschen. Es geht um die Wannseekonferenz und alle daran Beteiligten. Offenbar sollen alle, die anwesend waren und noch leben, unter der Erde landen. Damit niemand mehr erzählen kann, was dort besprochen und beschlossen wurde. Auch die Dokumente wurden entfernt, aber nicht gründlich genug, als dass März nicht doch etwas finden könnte.


    Auch bei den Teilnehmern ist noch der ein oder andere interessante Name dabei. Adolf Eichmann, dem man später in Israel den Prozess machte oder Roland Freisler, der als Richter am Volksgerichtshof die Verschwörer um den 20. Juli 1944 öffentlich demütigte und verurteilte. Der wurde (historisch) übrigens bei einem Luftangriff von einem Trümmerteil erschlagen, weil er noch schnell eine Akte aus seinem Büro holen wollte. Welch Ironie.


    Wer sich für das Thema interessieren sollte: es gibt zwei Produktionen zu dem Thema, eine amerikanische und eine deutsche. Die Amerikanische ist mit Colin Firth, Stanley Tucci (als Adolf Eichmann) und Kenneth Branagh (als Heydrich) sehr hochkarätig besetzt, und überzeugt auch ansonsten sehr. Die Mischung aus relativ entspannter Herrengesellschaft und kühle Planung gelingt unheimlich gut und darstellerisch ist das auch sehr gut gelungen. Leider nicht (mehr) auf deutsch erhältlich, die englischsprachigen DVDs ("Conspiracy") enthalten leider keine deutsche Tonspur.


    die deutsche Produktion "Die Wannseekonferenz" kenne ich bisher leider noch nicht, soll aber auch gut sein.

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)