'Vaterland' - Teil 6 - 7

  • Maerz plant die Flucht und schafft es doch nicht. Und so landet er in den Folterkammern der Nazis. Wieder einmal ziemlich vorhersehbar fand ich. Die eigentlichen Beschreibungen haette ich auch nicht wirklich gebraucht. Und verglichen mit Mengele und anderen echten Nazis kann Harris mit seiner Fantasie da eh nicht mithalten ....


    Nicht wirklich vorhergesehen hatte ich, dass ausgerechnet sein Sohn ihn ausliefern wuerde. Es ist absolut logisch und sehr realistisch - aber irgendwo hatte mein Mutterherz doch gehofft, dass Maerz wenigstens hier ein kurzer liebevoller Moment gegoennt sei.


    Das fand ich fuer Maerz schlimmer als die Tatsache, dass auch Jaeger ihn verraten hatte um seine eigene Haut zu retten. Damit hatte er sicherlich schon viel frueher gerechnet.


    Dennoch hat mich der Schluss des Buches wieder mit dem Buch versoehnt. Bei aller Vorhersehbarkeit fand ich die Fahrt nach Ausschwitz eine sehr gute Wendung. Besser als ein Happy End auf jeden Fall. Auch die Offenheit des Schlusses passt wunderbar zum ganzen Was-Waere-Wenn Szenario des Thrillers. Wir koennen uns eigentlich nur sicher sein, dass der Held sein Leben gibt, wir wissen nicht ob Charlie es geschafft hat und auch nicht, ob die Dokumente jemals ans Licht kommen werden und vor allem nicht, ob sie wirklich die Welt veraendern werden.


    Mein Mann hat zur gleichen Zeit ein Buch zur Geschichte Russlands gelesen und wir hatten uns auch ueber Stalin unterhalten. Hitler hat es nicht geschafft seine Utopie zu verwirklichen, Stalin aber sehr wohl! Der Rest der Welt wusste mehr oder weniger, was sich in der UdSSR abspielte, wusste, dass Stalin mit voller Absicht Millionen verhungern liess, politische Gegner nach Siberien und in Gulags verbannte etc. etc. Aber hat dieses Wissen was geaendert???

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Ich bin seit gestern Abend auch durch. Die Teile 6 und 7 haben mir sehr gut gefallen. Hier wurde die Widerwärtigkeit dieses Systems richtig deutlich. Jeder verrät jeden. März kann weder Nebe, noch Jäger, noch seinem eigenen Sohn vertrauen. Nur dass sein Sohn ihn aus kindlicher Zuneigung verrät. Dies versöhnt zum einen März, zum anderen wollte Harris dann wohl doch nicht so weit gehen, dem Kind was anderes als kindliche Instinkte zuzuordnen.


    Das Ende bleibt ein wenig offen und ist - im Rahmen dieser Fiktion - durchaus glaubwürdig. Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Gleichzeitig hat es mich dazu motiviert, zusätzlich stundenlang bei Wikipedia die realen Ereignisse nachzulesen.

  • Ich bin noch in der Nacht fertig geworden, weil ich es einfach zu Ende lesen wollte. Es ist bedrückend, aber sehr gut umgesetzt. Das Ende ist wirklich offen, aber man kann davon ausgehen, dass März nicht überleben wird und das Charlie es schaffen wird. Was jedoch aus den Enthüllungen gemacht wird ist eine andere Frage.
    Für mich ist es unbedingt empfehlenswert, sehr eindrücklich geschrieben.

  • Nachdem ich das Buch anscheinend falsch eingeschätzt habe (der Begriff „Science Fiction“ ließ mich nicht weiter nachdenken bzw. Informationen suchen, Thriller und Anklänge daran sind überhaupt nicht mein Fall), habe ich schon mal ans Ende gelinst. Das in Verbindung mit einer früheren Bemerkung von Beatrix ließen mich zur Überzeugung kommen, daß das Buch so ausgeht, wie ich auf Grund der wenigen gelesenen Zeilen vermutete.


    Bestätigt wurde das durch die Posts hier. Dann kam noch dieses:

    Zitat

    Original von Wiggli
    Das Ende ist wirklich offen, aber man kann davon ausgehen, dass März nicht überleben wird und das Charlie es schaffen wird.


    Womit denn völlig klar wird, daß dieses absolut nichts für mich ist. Zumal ich derzeit in dem, was man gemeinhin als das „reale Leben“ bezeichnet, mehr als ausreichend viele Probleme, Schwierigkeiten und zu tun habe. Da brauche ich dann nicht noch solch ein deprimierendes Buch, dessen Ende mich zudem in gewisser Weise an [sp]“Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ oder „Agent 6“[/sp] erinnert. Letzteres habe ich ebenfalls abgebrochen, ersteres (für mich leider) bis zu Ende gelesen.


    Zu letzterem habe ich seinerzeit geschrieben:
    „Es war ein Versuch, einmal abseits meiner „normalen“ Lesepfade zu lesen, er ist schief gegangen, wie schon einer dieses Jahr. (...) Und die Lehre daraus für mich: ich werde auf meinen Pfaden bleiben und Ab- und Umwege sein lassen.“


    Ich hätte dabei bleiben sollen und nicht noch einen Versuch starten.


    Ich breche daher Buch wie Leserunde ab und wünsche euch anderen noch viel Spaß, soweit man bei diesem Buch überhaupt von Spaß sprechen kann. :wave

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Das offene Ende hat mir sehr gut gefallen. Ein Happy End wäre komplett unpassend gewesen. Die Szenen mit Paule und auch mit Jäger haben mich für März geschmerzt. Dabei hatte ich bei Paule schon kein gutes Gefühl gehabt. Immerin hat er ihn letztens erst angezeigt und ihm sogar noch ins Gesicht gesagt, dass er ihn nicht mehr sehen möchte. Da war ich schon gleich misstrauisch, warum er auf einmal wollte, dass sein Vater ihm etwas vorliest und ihn einfach nicht gehen ließ.


    Mit Jäger tat es mir für März auch leid, aber ich konnte ihn doch auch ein wenig verstehen, bei seiner Zwickmühle zwischen Familie und Freund. März hätte an sich niemanden trauen können, nur bei Charlie hatte er Glück gehabt.


    Nebes Position ist offen und mysteriös geblieben. Dass der Fluchtversuch, den er März eröffnet eine Finte war, lässt mich fragen, warum er März dann den Aufschub gewährt hatte, um Luther noch zu finden. Kann es wirklich so gewesen sein, dass er ihn einfach als unbewussten weiteren Ermittler dadurch der Gestapo zugeordnet hatte? Immerhin ist März ja weiterhin überwacht geblieben... Das finde ich schwierig zu deuten.


    Auf jeden Fall ein sehr lesenswertes Buch, das ich nur weiterempfehlen kann.

  • Stimmt, Nebes Motivation bleibt etwas im Dunkeln, da kann man nur spekulieren. Meine Version wäre, dass Nebe kein Freund von Heydrich und Globus ist und wissen will, was die beiden zu verheimlichen haben. Es schadet ja auch nicht, irgendwas gegen die anderen in der Hand zu haben. In internen Machtspielen sind solche Leute ja immer groß. Nebe geht dann aber letztlich nicht so weit, dass März dass ganze System gefährden kann. Dies würde dann ja auch wieder Nebe selbst gefährden.

  • Nebe blieb ja auch in der Realität ein ungelöstes Rätsel. Lebt er noch. Erst wurde behauptet, er sei tot, dann hat man ihn Jahre danach in Italien und Südamerika gesehen haben wollen. Seine Rolle bleibt ungeklärt..


    Gut gelöst fand ich ja das Ende. Es gibt kein Happy End. Wir vermuten, dass Meguire es geschafft hat, die Amerikanische Botschaft in der Schweiz zu informieren und die schrecklichen Erkenntnisse bei der Geburtstagsfeier Hitlers ans Tageslicht kommen. Nur wäre es wirklich soweit gekommen? Wären die Amerikaner und die Allierten wirklich daran interessiert gewesen, diese Verbrechen aufzuklären?
    Haben nicht auch sie aufgehört hinzusehen.... haben die nicht auch ihre Vermutungen und Erkenntnis gehabt... die hätten garantiert auch einen funktionierenden Geheimdienst gehabt....


    Wer weiß?? Nur zu gut, dass nicht 100% ein eindeutiges Ende herbeigezaubert wurde. Dies gabs nur beim Film.....


    Deswegen fand ich das Buch viel besser und realistischer als den Film.


    Robert Harris ist da echt was gelungen. Ich fand das Buch trotz einiger Längen sehr gut.

  • Ich habe es auch endlich geschafft, das Buch zu Ende zu lesen und es hat mir nicht gefallen.
    Es tut mir Leid, dass ich mich hier so ausgeklinkt habe, aber ich musste mich wirklich durchquälen und erst diese beiden letzten Teile fand ich wieder etwas spannender.
    Das Ende selber war passend, konnte die Geschichte aber auch nicht mehr retten. Mir war alles zu zäh, zu langsam und zu vorhersehbar (es hat mich genervt, dass wir als Leser schon von Anfang an ahnen konnten, welche brisanten Informationen da verschwiegen werden sollten...).

  • Zitat

    Original von Schwarzes Schaf
    Mir war alles zu zäh, zu langsam und zu vorhersehbar (es hat mich genervt, dass wir als Leser schon von Anfang an ahnen konnten, welche brisanten Informationen da verschwiegen werden sollten...).


    Die Vorhersehbarkeit war auch fuer mich das groesste Manko an diesem Buch. Das hat ihm eine Menge Spannung genommen.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Puh, endlich fertig. :-) Obwohl ich das Buch eigentlich sehr gut fand, hat es sich doch wahnsinnig in die Länge gezogen. Ich fand es teilweise wirklich anstrengend zu lesen.


    Beim Ende kann ich mich meinen Vorschreibern nur anschließen: Dieses angedeutete Ende passt sehr gut. Obwohl ich an und für sich doch lieber "angenehme" Enden bevorzuge, würde so eins hier einfach nicht passen. Das Buch fordert seine Leser und so passt auch dieser Schluss dazu, der den Leser auffordert, sich selbst ein "passendes" Ende zu überlegen.


    Für mich ist es also auch so, dass März nicht überlebt (und bevor er den Gestapo-Schergen in die Hände fällt sich lieber selbst tötet) und Charlie mit den Papieren in die Schweiz und anschließend in die USA entkommt. Viel spannender bleibt die Frage, die sich auch mir aufgedrängt hat:


    Zitat

    Original von Wiggli
    Was jedoch aus den Enthüllungen gemacht wird ist eine andere Frage.


    Dem pessimistischen Grundgedankten des Buchs folgend wird sich nichts ändern. Charlies Enthüllungen werden unter den Tisch gekehrt und sie – wie auch immer – mundtot gemacht, um die Anbahnung zwischen den USA und Deutschland nicht zu gefährden. Aber es bleibt natürlich die Hoffnung, dass es doch anders kommt!


    Die Folterszenen hätte ich auch nicht gebraucht, da habe ich teilweise schnell drübergelesen und mein Kopfkino nach Möglichkeit ausgeschaltet. Dem Vorwurf der Vorhersehbarkeit kann ich mich nicht anschließen. Obwohl ich das Buch sogar schon mal gelesen habe, wusste ich gar nicht mehr, auf was es letztlich hinausläuft. Und auch für das Ende hätte es viele Möglichkeiten gegeben.


    Zitat

    Original von imandra777
    Mit Jäger tat es mir für März auch leid, aber ich konnte ihn doch auch ein wenig verstehen, bei seiner Zwickmühle zwischen Familie und Freund.


    Jägers Verrat hat mich sehr geschockt – das hätte ich nicht erwartet! Nicht in diesem Umfang! Schließlich hätte Jäger wahrscheinlich behaupten können, März habe ihn nicht eingeweiht. Aber er hat ja sämtliche Details verraten, auch solche, nach denen die Gestapo sicher nie gefragt hat. Leid tat er mir wirklich nicht mehr.


    Zitat

    Original von pinky75
    Robert Harris ist da echt was gelungen. Ich fand das Buch trotz einiger Längen sehr gut.


    Dem kann ich mich nur anschließen! :write Ein empfehlenswertes Buch mit einem äußerst interessanten Hintergrund, allerdings durchaus schwer zu lesen.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021