Kishwar Desai: Die Überlebende - Ein Fall für Simran Singh

  • Kurzbeschreibung des Verlags:
    Eine kleine Stadt im indischen Punjab. Inmitten eines furchtbaren Blutbads wird als einzige Überlebende der niedergemetzelten Familie die 14-jährige Durga gefunden – mehr tot als lebendig. Das traumatisierte Mädchen wird von der örtlichen Polizei für das schreckliche Unglück verantwortlich gemacht. Doch die Sozialarbeiterin Simran Singh, aus Delhi zur Hilfe gerufen, um etwas aus dem verstörten Mädchen herauszubekommen, glaubt nicht an die Schuld des Mädchens. Simran, die in Delhi ein unabhängiges und unkonventionelles Leben führt, stößt auf ein düsteres Netz aus Korruption und Lügen – in einer Welt, der sie längst entronnen zu sein glaubte und in der das Leben eines Mädchens nichts zählt.


    Über die Autorin
    Kishwar Desai wuchs in Indien auf. Dort arbeitete sie viele Jahre als TV-Journalistin, unter anderem als Nachrichtenkorrespondentin, Produzentin und CEO eines Fernsehsenders. Als sie vor acht Jahren nach London zog, wandte sie sich verstärkt dem Schreiben zu. Sie widmet sich aktuellen Fragen der indischen Gesellschaft und ist in den indischen Medien stets präsent. "Die Überlebende" ist ihr Romandebüt, für das sie mit dem renommierten Costa First Novel Award ausgezeichnet wurde. Kishwar Desai lebt mit ihrem zweiten Ehemann, dem Parlamentarier und Ökonomen Meghnad Desai, in London.



    Mein Eindruck:
    Mit der Sozialarbeiterin Simran Singh hat dieser Krimi eine starke, unkonventionelle Protagonistin, die ihr Leben nach eigenem Gutdünken gestaltet und dabei sehr vom allgemeinen indischen Frauenbild abweicht. Simran möchte der angeklagten Durga helfen, denn sie glaubt nicht an deren Schuld. Das Mädchen ist in sich gekehrt, spricht kaum und steht anscheinend noch unter dem Schock des Erlebten.
    Simrans Nachforschungen bringen verstörende Dinge ans Licht, denn es gab da noch eine Schwester, Sharda, die einige Jahre vorher spurlos verschwand. Simran vermutet einen Zusammenhang mit den aktuellen Ereignissen und stößt bei ihren Recherchen in ein dichtes Gefüge aus Lügen, Intrigen, Korruption und Schweigen. Sie weiß nicht, wem sie trauen kann, und ihre Ermittlungen sind anscheinend einigen Personen zu gründlich, so dass sie mit unvorhergesehenen Hindernissen konfrontiert wird.
    Man merkt beim Lesen sehr schnell, dass das Hauptanliegen der Autorin viel tiefer geht als nur um die Lösung eines Kriminalfalls. Mit ihrem Debütroman macht sie sich stark für die Frauen Indiens, deren Stand im eigenen Land sehr schwach ist, denn ein großer Teil von ihnen ist unerwünscht. Kishwar Desai prangert die sozialen Missstände im Punjab an und macht auf die Hoffnungslosigkeit aufmerksam, die das Leben und Schicksal vieler Frauen dort überschattet. An Durgas Fall macht sie die Ohnmacht eines jungen Mädchens deutlich, das in dem Bewusstsein aufgewachsen ist, der eigenen Familie lästig und überflüssig zu sein.
    Es ist ein unbequemer Roman, bestürzend, dabei sprachlich ausgefeilt und immer bis zur Schmerzgrenze ins Detail gehend. Das Gelesene bleibt lange im Gedächtnis haften, und auch Tage später muss ich immer noch über den Ausgang der Geschichte nachdenken. Das Ende war für mich unbefriedigend, was die Rechtsprechung angeht, aber nach allem, was ich nun über die Gesellschaft im Punjab und den dortigen Stellenwert der Frauen erfahren habe, ist es durchaus so denkbar und glaubwürdig, wie es die Autorin darstellt.


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