'Menon' - Seiten 01 - 39

  • Zitat

    Original von Imeneo
    Ich dachte ja, ich hätte das mit der Idee verstanden, und da kommst du mit dem Wesen an. Was ist denn da jetzt der Unterschied?


    Von der Sache her eigentlich keiner. Es sind zwei Aspekte desselben: Das Wesen eines Dinges macht das Ding zu dem, was sie ist. Für sich genommen (also nicht als bestimmendes "Element" einer Sache) nennt Platon das Idee, d.h. etwas, was man "betrachtet".
    Man bestimmt also ein Ding anhand seines Wesens (ob das nun "Biene" ist oder "Mensch" oder "Dreieck"), das Wesen gibt dem Ding quasi seinen Namen.
    Die Idee ist quasi diejenige Bestimmung, die bei der Betrachtung des Wesens abgelöst von den Dingen gedanklich erschlossen wird. D.h. wenn Platon das "Wesen" nur für sich betrachtet, dann nennt er es Idee - eben um es von der Funktion als "Wesen eines Dinges" losgelöst zu betrachten.


    Aber in ein x-beliebiges Ding, das man "Dreieck" nennt, ist nicht der Winkelsummensatz (die "Idee" des Dreiecks) eingemeißelt. Ebenso ist ein Lebewesen, das man "Biene" nennt, nicht von einem "idealen" Urbild quasi geklont worden.

  • Oh, Doc, ich habe gerade den gesamten Thread voller Interesse gelesen, da ich mir jetzt endlich mal vier freie Tage gönne. Leider habe ich den Menon nicht, sonst würde ich noch einsteigen und hätte sicherlich auch einiges zum Thema beizutragen.
    Allerdings, hier mein Kompliment, liebe Iris, Deine Erläuterungen erlauben mir fast schon, den Menon auch ohne ihn zu haben, zumindest nach vollziehen zu können. :-)

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

  • Ich habe, O Marlowe, nur drum herum erklärt. Zur Bestimmung der Tugend, was sie ist, sind wir noch gar nicht gekommen. Wenn nun jemand sagte, er sei mit den Bestimmungen, die Menon mit des Sokrates Hebammenhilfe erschließt, recht zufrieden, so wüßte ich denn, ob wir weiterschreiten können auf dem eingeschlagenen Weg.


    (Schleiermacher ist doch leicht zu imitieren) :lache

  • Ja, schreiten wir bitte weiter, mit etwas Glück halte ich den Menon am Dienstag in meinen Händen und werde versuchen, sämtliche Wesen und Tugenden eifrigst zu studieren.

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen

  • Um mal wieder eine Frage in die Runde zu werfen:


    Könnt ihr eigentlich die Bestimmungen, die Sokrates mit Menon erarbeitet (Farbe, Gestalt, Tugend), akzeptieren? Könnt ihr sie nachvollziehen? Oder hakt es irgendwo?


    Wenn ihr nicht klarkommt, wenn ihr nicht weiterwißt, wenn ihr irgendwelche Fragen habt, bitte stellt sie! Und keine Angst! Es gibt keine dummen Fragen, es gibt nur dumme Antworten!


    Und wenn ich eine dumme Antwort gebe, dann sagt mir das bitte! :wave

  • Zitat

    Original von Iris
    Könnt ihr eigentlich die Bestimmungen, die Sokrates mit Menon erarbeitet (Farbe, Gestalt, Tugend), akzeptieren? Könnt ihr sie nachvollziehen? Oder hakt es irgendwo?


    Ich finde, daß Sokrates schon sehr gut im Dialog rüberbringt, was und wie er zu erläutern versucht. Aber ich muß tatsächlich oft mehrmals über einige Stellen lesen, bis ich wirklich denke, daß ich es auch verstanden habe.


    Dank Deiner Erläuterungen ist Vieles aber schneller verständlich.


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood
    Ich finde, daß Sokrates schon sehr gut im Dialog rüberbringt, was und wie er zu erläutern versucht. Aber ich muß tatsächlich oft mehrmals über einige Stellen lesen, bis ich wirklich denke, daß ich es auch verstanden habe.


    Das ist normal. Es geht mir manchmal auch nciht anders. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß auch seinen Gesprächspartnern gelegentlich mal schwindelig wird -- dabei liegt es eigentlich nur daran, daß er die allerkleinsten Schritte zu nehmen versucht. :-)

  • Ich habe tatsächlich nur die ersten 39 Seiten gelesen und dabei bemerkt, dass ich immer wieder versucht habe, gut sein zu definieren.
    Zuerst dachte ich, gut sein ist die Summe aller Tugenden, aber das stimmt natürlich nicht. Denn es werden nicht immer alle Tugenden zur selben Zeit gebraucht.
    Naja, hin und her und vorwärts und rückwäts und links und rechts, ich bin bisher nur zu der Erkenntnis gekommen, dass gut sein eine Tätigkeit ist. Gut sein setzt also Handeln voraus und zwar bewusstes Handeln bzw. dessen Gegenteil. Oder sind wir das schon bei der Dialektik? Kann also gut sein definiert werden, wenn wir zunächst schlecht sein definieren? Was aber ist das Maß? Woran wird gut sein gemessen?
    Stimmt das? Schreibe ich Unfug?

  • Zitat

    Original von Ines
    Woran wird gut sein gemessen?
    Stimmt das? Schreibe ich Unfug?


    Genau da sind wir im Moment angekommen: Was machen gute Taten im Wesentlichen aus?


    Ist aber schon schwierig, denn mir fallen im Moment dazu auch nur Adjektive ein, die ja auch wieder nur eine Umschreibung darstellen und selbst wiederum nicht eindeutig sind.


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Ines
    Schreibe ich Unfug?


    Nee, definitiv nicht! Wir schrammen alle ständig am Richtigen vorbei -- einfach weil wir Menschen sind und keine Götter -- und selbst die haben 's ja offenbar nicht immer leicht damit. :lache


    Platon wird uns keine Erklärung geben, weil "gut" für ihn spezifisch göttlich ist; eine der drei Ideen, die Gott ausmachen und deshalb für uns nicht wirklich zu fassen sind. Wir fangen nur Schatten. :-)


    Das hat durchaus was vom Buddhismus, speziell vom Theravada, also der Richtung, der auch der Dalai Lama anhängt.

  • Aber ich muss noch einmal fragen:


    Was ist das Maß?



    Woran messen wir "gut sein"? Es gibt keinerlei Möglichkeit, gut sein zu definieren, wenn wir nicht wissen, nach welchem Maß sich gut sein bemisst.
    Oder will Sokrates das Maß finden, woran gemessen wird?


    Wenn Platon aber als Maß die drei göttlichen Grundideen hernimmt, die für uns ohnehin nur Schatten und somit nicht fassbar sind, warum machen wir uns dann die Mühe? Wenn Platon REcht hat, können wir uns die Haare strubbelig denken, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Oder funktioniert das hier nach dem Motto: "Der Weg ist das Ziel"?

  • Zitat

    Original von Ines
    Wenn Platon aber als Maß die drei göttlichen Grundideen hernimmt, die für uns ohnehin nur Schatten und somit nicht fassbar sind, warum machen wir uns dann die Mühe?


    Weil wir dank Eros nicht anders können, wenn uns einmal bewusst geworden ist, dass wir es nicht wissen, oder? Danach zu streben, so nahe wie möglich an die Wahrheit zu kommen, ist ja schon mal was. Aber das kommt, glaub ich, erst im "Symposion/Trinkgelage".


    lg Iris

  • Laut Platon können wir sowieso nicht anders -- die Frage ist nur, ob wir das, das wir für etwas "Gutes", "Schönes" und "Wahres" (heute würden wir es vermutlich "wertvoll" bzw. "erstrebenswert" nennen) halten, auch wirklich etwas "Gutes" "Schönes" und "Wahres" ist! Wir können uns nämlich irren, wir Menschen. :grin

  • Zitat

    Original von Ines
    Aber woran messen wir das Gute, Himmel noch eins. Dienen die zehn Gebote als Vorlage, obwohl es zu Platons Zeiten noch keine Bibel gab? Oder was sonst? WIE LAUTET DAS MAß?


    Ines, das Maß dafür, ob "etwas" gut ist, ist "das Gute".


    Aber was das nun ist, das suchen Sokrates und Menon ja ... und im Menon kommen sie zu keinem Ergebnis, das sie befriedigt.


    Im Menon geht es anhand der Frage danach, was "Tugend" und was "gut" denn nun wirklich ist, darum zu beobachten, wie platonische Didaktik und Dialektik funktionieren.
    Wenn du erfahren willst, was das nun ist, dann hast du nach Platon einen langen Weg vor dir, einen Weg, auf dem du zunächst mal denen vertrauen mußt, die du für vertrauenswürdig hältst, und anhand deiner eigenen wachsenden Erkenntnisse eine immer klarere Vorstellung und richtigere Meinung von dem erhältst, was es wirklich ist.


    Ich weiß, daß das gemein klingt, aber bei Platon geht es mit der Offenbarung nun mal nicht so hoppladi! wie bei manchen Theologen und Aposteln, die behaupten, man müsse nur an Gott glauben und sich zu ihm bekennen, dann sei man ein guter Mensch, als sei Gott ein menschlicher Herrscher da oben in den Wolken, der seine Vasallen für ihre Treue belohnt, egal, was für Kerle sie sind.