Helene Hegemann - Jage zwei Tiger

  • Titel: Jage zwei Tiger
    Autorin: Helene Hegemann
    Verlag: Hanser Berlin
    Erschienen: August 2013
    Seitenzahl: 315
    ISBN-10: 3446243674
    ISBN-13: 978-3446243675
    Preis: 19.90 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Als der Stein die Windschutzscheibe durchschlägt, ist seine Mutter sofort tot. Kai, 11, überlebt und beschließt im Zustand des Schocks, sich ab jetzt von nichts und niemandem mehr abhängig zu machen. Spontan gereift, flieht er vor den überforderten Ersthelfern und läuft verletzt durch den angrenzenden Wald, bis er auf einen abgehalfterten Zirkusclan trifft. Und auf Samantha, die zu der Gruppe von Jugendlichen gehört, die 24 Stunden zuvor den Stein von der Autobahnbrücke geworfen haben. Cecile, 17, Kokainproblem und gesteigerter Selbstzerstörungsdrang zieht bei ihrem neuen Freund ein. Sein Sohn heißt Kai. Inzwischen ist er 13 und liebt immer noch Samantha. Gemeinsam mit Cecile macht er sich auf die Suche.


    Die Autorin:
    Helene Hegemann, 1992 in Freiburg geboren, lebt in Berlin. Im Winter 2007 wurde ihr Theaterstück "Ariel 15" im Ballhaus Ost uraufgeführt und im darauffolgenden Jahr von Deutschlandradio als Hörspiel adaptiert.


    Meine Meinung:
    Wahrscheinlich werden die Leute, die dieses Buch nicht gelesen haben, sich am meisten eben über diesen Roman von Helene Hegemann aufregen. Ist diese Hegemann doch der personifizierte Betrug der deutschen Literaturszene, eine Abschreiberin der unsäglichsten Art. Und was interessiert da schon das Buch das diese (falsche Schlange) Hegemann da nun unter die Leute gebracht hat. Wegsperren hätte man sie müssen, diese Hegemann, diese falsche Schlange (sorry, sagte ich ja schon….).


    Und was interessiert auch das Buch, wenn man so herrlich über dessen Autorin herziehen kann, sie niederschreiben kann. Und lesen müsse man das Buch natürlich schon gar nicht wenn man sich darüber eine Meinung bilden wolle. Denn viele dieser Leute wissen eben auch, dass die eigenen intellektuellen Fähigkeiten kaum dazu ausreichen die Artikel in der BILD auch nur ansatzweise zu begreifen. Aber trotzdem kann man ja mit draufhauen – trifft ja schließlich diese Hegemann.


    Helene Hegemann gibt die Antwort auf die Zweifler, Neider, Beleidiger, Ignoranten, die Hegemann-aus-Prinzip-schon-Hasser, die „Ich-habe-das-Buch-nicht-gelesen-habe-aber-trotzdem-eine-Meinung-dazu-Knalltüten“ auf 315 sehr lesenswerten Seiten.


    Helene Hegemann ist gerade einmal 21 Jahre jung, schreibt aber kraftvoll und gekonnt wie eine Autorin, die zum einen mehr Lebensjahre auf den Buckel hat und die mehr als nur einen Roman veröffentlicht hat. Hegemann schreibt aber auch unbekümmert, grinst dem eingefahrenen Literaturbetrieb frech ins Gesicht, ohne es dabei aber an Respekt mangeln zu lassen. Man kann sagen was man will: Diese Helene Hegemann ist ein großes literarisches Talent. Und sie hat es verdient, dass man ihr Buch wirklich und aufmerksam liest, bevor man meint eine Meinung darüber äußern zu müssen.


    Beeindruckend ist ihr Wortwitz, wobei sie manchmal diesen auch ein wenig selbstverliebt übertreibt, in der Summe aber schafft sie es hier ein Ausrufezeichen zu setzen. Sie formuliert zudem in wunderbaren, manchmal verschachtelten, Sätzen, die es schaffen, den Leser wirklich bei der Stange zu halten. Und mit diesem Buch tritt Helene Hegemann auch den klaren Beweis an, dass sie schreiben kann. Beeindruckend ist eben auch, dass sie ihr schriftstellerisches Pulver nicht schon auf den ersten Seiten verschießt, eher das Gegenteil ist der Fall: Sie steigert sich im Laufe des Fortgangs der Geschichte.


    Natürlich ist dieses Buch nicht perfekt. Aber welches Buch ist das schon? An einigen Stellen, bei einigen Szenen, da will die Autorin einfach zu viel. Da wäre weniger eindeutig mehr gewesen. Da wirkt die Coolness aufgesetzt, da übertreibt sie es mit ihrer Fabulierkunst – manchmal muss man sich als Autor wohl auch zurücknehmen. Aber alles das kann einer Autorin nachgesehen werden, die erst am Anfang ihrer schriftstellerischen Laufbahn steht und die hoffentlich auf diesem Weg weitergeht, den sie mit diesem Buch eingeschlagen hat. Es wird aber sicher nicht leicht für sie werden, dass Niveau und die Unbekümmertheit dieses Romans zu halten.


    Ich habe dieses Buch mit großer Freude (fast schon Begeisterung) gelesen, habe mich keinen Deut um meine bestehenden (nun aber ausgeräumten) Vorurteile geschert und bin sehr gut damit gefahren. Und so habe ich eine Autorin (neu?) kennengelernt, die ihren Kritiker mit der besten aller Möglichkeiten geantwortet hat: Sie hat ein rundherum gutes Buch geschrieben.


    Natürlich werden die Feuilleton-Schwätzer und die Gilde der Literaturkritik-Schmierfinken weiterhin auf sie einprügeln, aber das sind dann wirkungslose Treffer auf die Deckung, keine schmerzhaften Körpertreffer. In diesem Fight hat eindeutige Helene Hegemann gejabt und es sind viele Kritiker die wohl nun angezählt werden. Ist aber nicht schade um diese.


    Fazit: Ein lesenswertes Buch, unbekümmert und manchmal auch waghalsig – aber immer wieder in die Spur zurückfindend. Die Hegemann die hat es drauf, die kann wirklich schreiben. Wurde auch Zeit das der Raum mit dem literarischen Mief mal gelüftet wurde. Helene Hegemann hat ihren Teil dazu beigetragen und schon mal das erste – von leider vielen Fenster – zum Lüften geöffnet.


    9 Eulenpunkte

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Danke für diese Buchvorstellung. Werde ich mir merken. An die Werke der Autorin habe ich mich noch nicht rangewagt, allerdings nicht wegen der Autorin an sich, sondern aus Respekt vor den Themen, die sie in ihren Büchern anspricht. :-)

    Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor. Wenn Ailton Tor, dann dick egal.



    Grüße, Das Rienchen ;-)

  • Die Aufregung verursacht hat aber doch 2010 "Axototl Roadkill" oder ist das jetzt eine Neuausgabe unter anderem Titel? Ich habe das Buch damals nicht gelesen. Dieses hier klingt vielverprechend, Deine Rezi macht mich neugierig. Wenn es also ein neues Buch der Autorin ist, dann wandert es auf meine Wunschliste.

  • Zitat

    Original von JaneDoe
    Die Aufregung verursacht hat aber doch 2010 "Axototl Roadkill" oder ist das jetzt eine Neuausgabe unter anderem Titel? Ich habe das Buch damals nicht gelesen. Dieses hier klingt vielverprechend, Deine Rezi macht mich neugierig. Wenn es also ein neues Buch der Autorin ist, dann wandert es auf meine Wunschliste.


    Genau. Und aus diesem Grunde haben sich auch einige schon auf Helene Hegemann eingeschossen, obwohl ihr hier besprochenes Buch nichts mit dem "Axototl Roadkill" zu tun hat. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Es ist ja wahnsinnig schön, wie du hier einfach mal so auf alle Kritiker einschlägst, aber ich habe "Axolotl Roadkill" gelesen und mich hinterher so was von verarscht gefühlt. Ich habe selten bereits nach einer Seite das Verlangen gehabt, ein Buch einfach abzubrechen. Und wäre es nicht ein Testbuch gewesen, ich hätte es getan. Das hatte nichts mit dem zu tun, was danach mit ihr passiert ist. Es ging lediglich um das Buch. Es waren nicht nur die bösen Kritiker, die für das Theater gesorgt haben. Nur mal am Rande. :rolleyes


    Dass ich mich an dieses hier heranwage, ist einzig und allein deiner Rezi geschuldet. Denn eigentlich wollte ich mich nicht mal in die Nähe des Buches wagen. :wave

  • Zitat

    Original von Groupie
    Es ist ja wahnsinnig schön, wie du hier einfach mal so auf alle Kritiker einschlägst.......


    Ich bin ja auch wahnsinnig schön oder wahnsinnig und schön oder einfach nur schön wahnsinnig..... :grin :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Vielleicht lebst du ja auch in dem Wahn, schön sinnig zu sein :lache


    (Nur des Wortspiels halber, ich schätze deine Rezis, wie du weisst!) :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Thor Kunkel hat völlig recht, wenn er schreibt:


    »Die Lektüre verdient den Aufwand nicht. Es ist ein biederes, von RTL-Naturalismus geprägtes Sinnfabrikat, »trashig«, aber eben nur so trashig wie eine der vielen Geschmackslosigkeits-Sendungen, in der straighte Jung-Schauspieler so tun, als ob sie wohlstandsverwahrlost oder durchgeknallt wären.«


    Mehr von Thor Kunkel und sein unheimliches Gespräch mit Elisabeth Ruge, der Carl-Hanser-Verlagsleiterin, über »Jage zwei Tiger« gibt es hier: http://bit.ly/1dgZwO2

  • Zitat

    Original von Groupie
    Ich habe es heute gekauft. Voltaire, meine Wut wird grenzenlos sein, wenn du das Buch schöngeredet hast. :lache


    Das ist mir relativ egal. ;-)
    Ich sage hier meine Meinung über ein Buch - und ich verlange von niemand das er sich diese Meinung zu eigenen macht. Und ich bin übrigens auch nicht für die Meinungen anderer Leser verantwortlich. Die Beschaffung und das damit verbundene Lesen eines Buches geschieht immer auf eigenes Risiko.


    Und so interessiert mich beispielsweise auch nicht das dümmliche Gedröhne eines offensichtlichen neidischen Kollegen von Hegemann:


    Zitat

    Thor Kunkel hat völlig recht, wenn er schreibt: »Die Lektüre verdient den Aufwand nicht. Es ist ein biederes, von RTL-Naturalismus geprägtes Sinnfabrikat, »trashig«, aber eben nur so trashig wie eine der vielen Geschmackslosigkeits-Sendungen, in der straighte Jung-Schauspieler so tun, als ob sie wohlstandsverwahrlost oder durchgeknallt wären.«

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Groupie
    So leicht kommst du mir nicht davon. :lache Ich verlasse mich ja auf dich.


    Dann bist du verlassen.....aber so was von......... ;-)

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Groupie
    Das hättest du mir auch wirklich vorher sagen können. :fetch


    Vor Voltaire und auf hoher See ist man in Gottes Hand, oder wie war das?

    SUB 220 (Start-SUB 2020: 215)


    :lesend Susanne Michl u. a. - Zwangsversetzt. Vom Elsass an die Berliner Charité. Die Aufzeichnungen des Chirurgen Adolphe Jung (1940 - 1945)

    :lesend Antonio Iturbe - Die Bibliothekarin von Auschwitz

    :lesend Anthony Doerr - Alles Licht das wir nicht sehen (Hörbuch)

  • Herzlichen Dank für diese Besprechung. Die amazon-Verrisse machen mich so wütend - man kann die Kritiker käsegesichtige Nichtsager nennen und recht haben damit, man kann aber auch einen Gegenentwurf veröffentlichen, der Hegemann gerecht wird und der hoffentlich ganz viele dazu bringt, diesem Buch eine Chance zu geben.
    Ich jedenfalls bin bezaubert. Und glücklicherweise hab ich fast die Hälfte noch vor mir

  • Zitat

    Und so interessiert mich beispielsweise auch nicht das dümmliche Gedröhne eines offensichtlichen neidischen Kollegen von Hegemann:


    Mmh. :gruebel Wenn ich jetzt etwas Negatives zum Buch sage, mache ich mich leider sofort verdächtig, ein ebenfalls "offensichtlich neidischer Kollege" zu sein. Aber ich kann das, denke ich, hinnehmen. Gerade bei Helene Hegemann, deren "Karriere" ich natürlich - wie viele andere Autoren mit mir - beobachtet und irgendwann auch kommentiert habe, verspüre ich ein reflexartiges Fingerzucken, sobald nur der Name fällt. "Jage zwei Tiger" wollte ich allerdings nicht lesen. Aber ich habe das Buch vor ein paar Wochen geschenkt bekommen, es von einem Regal ins andere geschoben, sogar darüber nachgedacht, es wegzuschmeißen, um es dann doch noch wenigstens anzulesen.


    Es ist Käse. Manirierter Käse. Und langweilig. Vor allem aber ist es stilistisch eine Katastrophe. Amüsiert habe ich mich lediglich über die Quellennachweise am Ende; an dieser Stelle blitzt etwas Selbstironie hindurch. Den Rest kann man meiner Meinung nach getrost in die Tonne treten. Verblüffend übrigens, wie viele orthografische und grammatikalische Fehler einem Verlagshaus wie Hanser entgangen sind. Das diesen Text vermutlich nicht veröffentlicht hätte, wäre er von einem unbekannten Autor vorgelegt worden.