In einem Boot - Charlotte Rogan

  • Mir hat das Buch im Prinzip ganz gut gefallen.
    Im Prinzip daher, da ich während des Lesens doch sehr stark in die Gschichte eingesogen wurde und mit den Personen mitfiebern konnte.
    Auch die Fragestellung, was macht man, wie überlebt man, wer hat das "Recht" zu Überleben...fand ich faszinierend.
    Man kommt unweigerlich in die Verlegenheit, sich diese Fragen eben selber zu stellen.


    Gerade als "Titanic-Fan" war es natürlich eine Geschichte für mich, da dort doch über die Situation nach der Evakuierung auf die Rettungsboote weniger bekannt ist, was konkret auf den Booten vor sich ging - bis auf die berühmten Ausnahmen der Molly Brown natürlich.
    Ok, die Frage nach dem Überleben durch einige Tage "Gefangenschaft" auf offener See stellte sich dort auch nicht, da es lediglich einige Stunden dauerte, bis dort die Carpathia zur Rettung erschien.


    Anders hier - die Leute aus Rettungsboot 14 waren einge Wochen sozusagen eine gefangene Gemeinschaft des Bootes und mußten ums Überleben in einem viel zu vollen Rettungsbot kämpfen.


    Mir gefiel auch der lakonisch, leicht emotionslose Darstellungsstil der Ich-Erzählerin Grace, die das Leben, denken und handeln auf eben jenem Rettungsboot rückwirkend erzählt.


    Nach der Befreiung - mit einigen anderen Bootsinsassen angeklagt vor Gericht - schreibt sie tagebucharig das Geschehen der letzten Wochen auf.


    Ihr eigenes Handeln, besonders vor der Schiffsreise und auch nach dem Prozeß mag heutzutage sehr ungewöhnlich, nahezu berechnend erscheinen - nur meine ich, daß man die Zeit nicht übersehen darf, in der das Buch spielt...
    Mehr lieber nicht - würde zuviel verraten.
    Nur eben sollte man sich beim lesen immer die Zeit vor dem 1. Weltkrieg vor Augen halten und die gesellschaftlichen Unterschiede im Gegensatz zur heutigen Zeit.


    Daß Fragen am Ende offen bleiben ist bei einigen zwar zu verschmerzen, nur waren es dann doch leider derat viele der offenen Punkte, die nicht aufgeklärt wurden, daß es mir dann doch dadurch ein wenig verleidet wurde.
    Einiges hätte durchaus noch dazugehört denke ich. Das ist es, was bei mir eben das "im Prinzip" ausgelöst hat.
    Wäre das Ende runder gewesen, dann wäre ich doch begeisterter gewesen, als ich es so eben war.

  • Zitat

    Original von Schwarzes Schaf
    5 von 10. Ich gebe immer Eulenpunkte, also nach dem Schema, nach dem hier auch die Bücher über die ISBN bewertet werden.


    Danke, habs mir zwar nach deiner Rezi gedacht, wollte aber sicher gehen. Leider wird ja manchmal auch anders bewertet.

  • Es hat einige Tage gedauert, bis ich dieses Buch so weit habe sacken lassen, dass ich eine Rezi dazu schreiben kann. Es ist ziemlich schwer, meine Gedanken zu sortieren über ein Buch, dass mich über weite Strecken gefesselt hat und gespannt Seite um Seite hat verschlingen lassen, um mich am Schluss dann so bitterlich mit einem Schwall kaltem Wasser zu übergießen (um bei der Thematik zu bleiben).


    Das Gefährliche an diesem Buch, was letztendlich auch bei mir zu großer Enttäuschung führte, ist dass man sich leicht und gerne ablenken lässt von bestimmten Handlungssträngen, dass man anfängt, wie bei einem Krimi, Theorien zu spinnen und Verschwörungen zu vermuten. Nur um am Ende festzustellen, dass diese Spuren lediglich rote Heringe waren und der Autorin offenbar nicht wichtig genug, um sie weiterzuverfolgen und aufzuklären, oder aber sie durchaus bewusst angewendet wurden um den Leser eben, wie bei mir geschehen, in die Irre zu führen.


    Letzten Endes ist dieses Buch nicht wirklich über eine Überlebenssituation in einem Rettungsboot. Zumindest nicht im Sinne einer gruppenpsychologischen Darstellung. Es geht um Grace. Darum wo sie jetzt ist, darum wo sie vor einigen Wochen und schließlich auch einigen Monaten war. Stück für Stück erfahren wir, wer diese frisch verheiratete junge Frau eigentlich ist, was ihren Charakter ausmacht. Wenn sie das dem Leser zwar wohl kaum sympathischer macht, so fand ich Grace trotzdem eine interessante und faszinierende Figur (und das sage ich selten über eine Hauptfigur, die ich nicht mag).
    Ein zudem immer wieder angesprochenes Element der Geschichte ist die Situation der Frauen zu jener Zeit (1914) und die ersten Ansätze von Emanzipation was auch das Gefühl eines korrekten historischen Hintergrundes vermittelt.


    Wir bekommen im Verlauf des Buches konsequent durchgehalten lediglich Graces Sichtweise und innere Gedankenwelt zu sehen. Noch dazu eine stellenweise recht emotionslos und berechnend wirkende. Immer wieder hat man das Gefühl, dass sie möglicherweise etwas bewusst weggelassen hat, was das Verhalten der anderen Bootsinsassen angeht, oder auch die gemildert wirkende Darstellung diverser Notsituationen (Wasser- und Nahrungsmangel).
    Ich hätte mir zum Schluss einfach noch eine externe Sichtweise gewünscht, welche Dinge aufklärt, die Grace nicht wissen kann (oder die sie schlicht auch nicht interessieren) und die der Geschichte somit zu einem runderem und versöhnlicherem Abschluss hätte verhelfen können.
    Eine Fortsetzung wäre natürlich auch eine Möglichkeit, aber ich habe so das Gefühl, dass die Autorin alles gesagt hat, was sie sagen wollte. Ob man als Leser damit nun zufrieden ist oder nicht, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • "In einem Boot" hat mich eigentlich so ziemlich von Anfang an gefesselt und irgendwie fasziniert.
    Angefangen von dem in meinen Augen wirklich genialen Cover über die Story hin zum Schreibstil fand ich das Buch in seiner Besonderheit sehr gelungen.
    Mir hat die Erzählweise ausschliesslich aus der Sicht von Grace, der Erzählerin und Überlebenden eines Schiffsunglücks kurz vor dem Ausbruch des 1. Weltkrieges, absolut gut gefallen.
    Natürlich erfährt man als Leser alles nur aus einer Sicht, aus einem Blickwinkel, aus einer Erinnerung - und man kann sich nicht einmal sicher sein, ob alles der Realität entspricht. Oder ob Grace nicht sogar noch manches beschönigt oder verändert hat. Ob überhaupt alles noch so richtig, im Sinne von real, in ihrem Kopf und ihrem Erinnerungsvermögen angekommen ist.
    Aber das ist eigentlich auch alles zweitrangig.
    In der Erzählung werden Fragen angesprochen - Fragen nach Entscheidungen, nach moralischen Entscheidungen. Nach Entscheidungen in absoluten Ausnahmesituationen.
    Und es werden keine verbindlichen Antworten gegeben.
    Nicht einmal die der Rettung folgende Gerichtsverhandlung kann dem Leser hier weiterhelfen. Letztendlich bleiben viele Fragen offen, bleibt viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren und jeder einzelne ist gefordert.


    Für mich ein besonderes und lesenswertes Buch dem ich gerne 8 von 10 Punkten gebe und auf dessen Verfilmung ich sehr gespannt bin.

  • Über die Geschehnisse in dem kleinen Rettungsboot muss ja nichts mehr gesagt werden, insofern beginne ich gleich mit meiner Meinung.


    Zuerst sei gesagt, dass sich das Buch schnell lesen lässt, weshalb ich auch innerhalb eines Tages damit durch bin. Ich war recht schnell in der Geschichte abgetaucht, was wahrscheinlich daran liegt, dass das Buch aus Sicht einer Person geschrieben ist und in der Ich-Form. So erfährt man natürlich auch nur eine Sicht der Dinge und nur Einblick in die Gedankenwelt von Grace. Ich denke, anders würde das Buch aber auch nicht funktionieren.


    Im Großen und Ganzen passiert natürlich gar nicht soviel in dem Buch, was soll in drei Wochen auf See in einem winzigen Buch auch groß passieren? Dennoch ist es nicht langweilig, den was die Menschen von Beginn an beschäftigt ist, sind existenzielle Fragen. Wer hat ein Recht darauf zu Leben, wer hat überhaupt ein recht darauf in dem Boot zu sitzen, wie verrichtet man seine Notdurft? Und natürlich bleibt es nicht aus, dass sich sehr schnell Menschen raus kristallisieren die die Verantwortung an sich reißen, die sich dagegen auflehnen und die einfach folgen. Dazu kommen Misstrauen und Grüppchenbildung. Für mich normales Gruppenverhalten in einer Extremsituation.


    Allerdings sind es nur Erinnerungen von Grace in Form eines Tagebuchs und ich denke es wird sehr spät im Buch klar, dass dies beschönigte Erinnerungen sind, die mit Berechnung aufgeschrieben wurden. Für mich steht fest, dass sie diese Entscheidung getroffen hat, als sie in Boston von Board des Postschiffes geht, dass die Menschen gerettet hat. Da wird auch klar, was Grace wirklich für eine Person ist und diese nichts mit der Person zutun hat, die in dem Rettungsboot war. Auch an einigen anderen Bemerkungen und Gedanken innerhalb der drei Wochen bekommt man einen Einblick in den Charakter von ihr. Das hat mir Grace nicht grade sympathisch gemacht, ganz im Gegenteil.



    Einige der Fragen sind wahrscheinlich so alt wie die Menschheit und beschäftigt Philosophen und Theologen seit Jahrhunderten. Und genau wie diese Menschen auf dem Schiff fanden auch sie keine Lösung, kamen zu keiner universellen Wahrheit. Das sind Fragen, die man sich nur selbst beantworten kann. Und selbst dann, komme zumindest ich zu keiner Lösung. Aus der Ferne ist es sehr leicht die Leute auf dem Boot zu verurteilen und die Frage mit 'Ich würde nie so handeln' zu beantworten. Ich denke das steht uns nicht zu, solange man nicht selber in einer solchen Situation war. Das Buch bietet sehr viel Diskussionsstoff und würde sich in der Tat gut als Schullektüre eignen.


    Die letzten beiden Teile des Buches fand ich etwas lang, die Verhandlung hätte nicht mehr sein müssen. Und ich bin ganz ehrlich, ich bin mit dem Urteil nicht so ganz einverstanden. Da man aber einige Dinge über Grace nur erahnen kann und nur als Leser weiß, konnte die Jury nicht anders handeln.


    Von mir bekommt das Buch ebenfalls 8 Punkte.

  • Nach dem Untergang der „Zarin Alexandra“ kämpfen die Überlebenden des Schiffsunglücks in einem Rettungsboot um ihr Leben.
    Das Warten auf Hilfe wird zur Durststrecke und die Insassen des Bootes müssen entscheiden wer im Boot bleiben darf und wer nicht.
    Die junge Grace Winter ist ebenfalls im Boot und gerät zwischen die Fronten. Wer darf Leben und wen wird das Meer für immer verschlingen?
    Der Anfang von Charlottes Buch „In einem Boot“ erinnert sehr an den Untergang der Titanic, der im Buch ebenfalls Erwähnung findet. Es war ein beklemmender und aufwühlender Einstieg in die Geschichte.
    Leider hielt das Buch letztendlich nicht das, was ich erhofft hatte.
    Es ist zwar gut und schnell zu lesen, aber besonders der Mittelteil war absehbar und zäh und ich konnte weder für Grace noch mit den anderen Insassen des Bootes Empathie empfinden.
    Grace war eine naive, berechnende Person, die oft einfältig wirkte.
    Das Ende war dann sehr enttäuschend, sogar das Enttäuschendste am ganzen Buch. Zu viele Fragen, die zuvor aufgeworfen wurden, blieben einfach offen, für mich teilweise gewichtige Fragen. Und es ging einfach zu schnell, wirkte eher dahingeklatscht ohne wirklich abschließend zu sein.
    Schade, denn das Buch hätte durchaus großes Potential gehabt und kurz vor Schluss gewann die bis dahin eher lethargische Handlung auch deutlich an Tempo, wurde aber durch den raschen Schluss wieder gebremst.
    „In einem Boot“ ist aber durchaus ein zum Nachdenken anregendes Buch über Moral und Schiffsunglücke.


    6 von 10 Punkten!

  • "Damit die einen überleben, müssen die anderen sterben. Grace ist frisch verheiratet mit Henry Winter, einem jungen Mann aus reichem Hause, als sie sich am Vorabend des ersten Weltkriegs auf der Zarin Alexandra einschifft. Doch nach einer mysteriösen Explosion sinkt der Ozeandampfer, und Henry erkauft seiner Frau einen Platz in einem Rettungsboot. Den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert, treibt das überladene Boot wochenlang auf offener See. In einer Atmosphäre aus Misstrauen und unterdrückter Aggression stellen sich existentielle Fragen. Sollen die Stärkeren sich opfern, damit die Schwächeren überleben können? Oder besser umgekehrt? Wer darf das entscheiden? Und sitzt Grace überhaupt zu Recht in diesem Boot? Grace überlebt die Katastrophe, findet sich aber Wochen später vor einem Gericht in New York wieder. Die Anklage lautet auf Mord."


    Dieser Klappentext und mein positives Leseerlebnis mit "Schiffbruch mit Tiger" haben mich dazu bewogen dieses Buch zu lesen. Leider haben sich meine Erwartungen nicht erfüllt. Obwohl man der Geschichte eine gewisse Wirkung nicht abschreiben kann, hat mich die Erzählung der Schiffbrüchigen Grace ziemlich kalt gelassen. Die Autorin hat sich konsequent darauf beschränkt die Ereignisse von Grace erzählen zu lassen und hat als Erzählform eine Art Berichtsform gewählt. Grace schreibt ihre distanzierte, fast emotionslose "Version" der Ereignisse für ihren Anwalt nieder.
    Die Geschichte schafft es in keiner Minute mich in ihren Bann zu ziehen, mich für das Schicksal der Protagonistin oder einer anderen Figur zu interessieren. Wie war ich bei Schiffbruch mit Tiger über Pi´s Erfahrungen auf dem Ozean manchmal fasziniert. Ich denke, da zum Beispiel an die Lichterscheinungen. Eine ähnliche Szene aus dem vorliegenden Buch hat mich im Gegensatz dazu völlig kalt gelassen. Das einzig interessante an dem Buch sind die Spekulationen um den Matrosen Hardy, der erst als der Retter verherrlicht und dann als Sündenbock verdammt wird.
    Was hat es mit den letzten Ereignissen auf der "Zarin Alexandra" auf sich? Warum ist sie gesunken? War es Sabotage? Hat Hardy und der mysteriöse Blake etwas damit zu tun? Was hat es mit dem Kästchen auf sich, das Hardy vor den anderen Schiffbrüchigen versteckt? Zahlreiche Andeutungen in diese Richtung, die die Schiffbrüchigen schließlich auch zu ihrer Tat motivieren, verlaufen am Ende im Nichts. Der Leser erfährt nichts, weil auch Grace davon nichts näheres weiß.
    In der Hauptsache zeichnet diese Geschichte das Bild einer mir zutiefst unsympathischen Person. Grace erscheint mir nicht nur im Kontext der Ereignisse auf dem Rettungsboot sehr kaltblütig und berechnend. Sie stellt sich ihren Mitmenschen, dem Leser und auch sich selbst gegenüber positiver dar, als sie in Wirklichkeit ist, in dem sie Dinge, die ihrem "Ansehen" schaden könnten und sie belasten würden, unter den Teppich kehrt, vergessen hat oder in einer geschönten Version erzählt.


    Von mir gibt es 6 Punkte für "In einem Boot".

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Ich war gespannt auf dieses Buch, hatte erwartet, dass es an die Substanz gehen würde, mit den Protagonisten an die Grenzen des Vorstellbaren und darüber hinaus zu gehen. Zu was sind Menschen in Ausnahmesituationen, in denen es um Leben und Tod geht, fähig?


    Eine tiefgreifende Antwort auf diese Frage habe ich nicht erhalten. Das Buch bleibt diesbezüglich an der Oberfläche. Die Geschichte wird allein aus Sicht von Grace geschildert, die die Ereignisse rückblickend für ihre Anwälte niederschreibt. Das ganze tut sie sehr distanziert und emotionslos, was mich von Anfang an daran gehindert hat, in die Geschichte "einzutauchen", mit den Insassen an Bord des Rettungsbootes zu gehen, ian ihren Ängsten, Gefühlen, Bedürfnissen teilzuhaben, mit ihnen an ihre Grenzen zu gehen. Dazu kommt, dass Grace für mich auch nicht gerade eine Identifikationsfigur darstellt, da sie es einem schwer macht, sie zu mögen. All das hielt mich doch sehr auf Distanz.


    Darüber hinaus werden viele Handlungsstränge nicht zu Ende geführt, die meines Erachtens in der Gerichtsverhandlung hätten aufgeklärt werden können.


    Insgesamt bleibt das Buch damit für mich zu sehr an der Oberfläche.


    6 von 10 Punkten

  • Originaltitel: Lifeboat
    Seitenzahl: 336
    ISBN-13: 978-3-8390-0150-9
    Verlag: Script5
    Preis: 18,95€ (Hardcover)


    Über die Autorin


    Charlotte Rogan arbeitete als Architektin, ehe sie anfing zu schreiben. Viele Sommerurlaube im Kreis einer Familie voll passionierter Segler inspirierte sie zu In einem Boot, ihrem ersten Roman. Nachdem sie mit ihrer Familie lange Zeit in Dallas gelebt hatte, zog es sie wieder ans Meer. Heute wohnt sie mit ihrem Mann in Westport, Connecticut. Die amerikanische Originalausgabe von In einem Boot schaffte es auf Anhieb auf die New York Times-Bestsellerliste.


    Klappentext


    Damit die einen überleben, müssen die anderen sterben.


    In einem überfüllten Rettungsboot führen die Überlebenden eines Schiffsunglücks einen schier aussichtslosen Kampf gegen Sturm, Hitze und Durst. Je länger das Warten auf Hilfe dauert, desto erbitterter wird darum gekämpft, wer an Bord die Befehle geben darf. Und wer das Boot verlassen muss. Die junge Grace Winter gerät zwischen die Fronten. Und sie weiß: Die falsche Entscheidung bedeutet ihren Tod.


    Meine Meinung


    „Ich wurde den Gedanken nicht los, dass das Böse in diesem Boot umging und dass es der Teufel höchstpersönlich war, der dafür sorgte, dass ich noch am Leben war.“ (Seite 185)


    New York, 1913 - Der Romanbeginn erzählt von der jungen Grace, die von ihren Anwälten zu den Hintergründen der Geschehnisse in einem Rettungsboot befragt wird, damit sie sich auf die bevorstehende Gerichtsverhandlung vorbereiten können. Grace beginnt, zu erzählen: Dass sie mit ihrem Verlobten auf der Rückfahrt von England in die USA mit einem Luxusdampfer verunglückt ist und sich mit 28 weiteren Überlebenden in ein Rettungsboot retten konnte, dass nach und nach immer mehr Insassen des völlig überfüllten Boots über Bord gehen (entweder weil sie vorher wegen Entkräftung gestorben sind, oder weil sie sich „freiwillig“ dazu entschieden haben) und dass 3 Wochen auf See einen Aspekt der menschlichen Seele hervortreten lassen, den man von sich überhaupt noch nicht kannte.
    Charlotte Rogan zeichnet mithilfe des narrativen Werkzeugs Grace ein äußerst interessantes Psychogramm von Menschen in einer Extremsituation. Hunger, Durst und Beklemmung führen zu den seltsamsten Charakterentwicklungen und der reine Überlebenswille bringt in einigen Menschen genug Stärke hervor, um eine solche Situation durchzustehen. Einigen anderen fehlt er jedoch, und von ihnen müssen wir als Leser uns im Laufe des Buches verabschieden.


    Ich würde In einem Boot eigentlich nicht als Jugendbuch bezeichnen, auch wenn die – für mich teilweise zu emotionslose - Erzählsprache es so aussehen lässt und der Verlag Script5 vor allem Jugendbücher verlegt. Denn die komplexe Konstruktion dieser Situation erfordert vom Leser, manche Handlungsweisen ein wenig kritischer zu betrachten und die Motive der Erzählerin auch manchmal zu hinterfragen.


    Fazit


    Wie würde ich in dieser Situation handeln? In einem Boot ist ein sehr reizvoller Roman, der uns manches Mal an uns selbst und unserer Vernunft zweifeln lässt und in mir den Drang geweckt hat, mich weiter mit dem psychologischen Aspekt solcher Extremsituationen zu beschäftigen. Auch wenn die Sprache mir teilweise zu kindlich und die Erzählung teilweise zu emotionslos (und dadurch leider etwas unglaubwürdig) wirkte, kann ich eine klare Leseempfehlung aussprechen.


    8 von 10 Punkten

  • Selten habe ich mich bei einem Buch so schwer getan, zu bestimmen, ob mir die Geschichte gefällt oder nicht. Das ist auch einer der Gründe, warum mir mein Leseeindruck zu diesem doch sehr speziellen Buch alles andere als leicht fällt. Ich versuche dennoch, meine Gedanken zu ordnen und zu Papier zu bringen.


    Grace berichtet dem Leser als eine der wenigen Überlebenden einer Schiffskatastrophe, die sich kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges abspielt, wie sie die Zeit bis zur ihrer Rettung erlebte. Aufgrund der Vorkommnisse im Rettungsboot, steht sie am Ende mit zwei weiteren Frauen vor Gericht und wird des Mordes angeklagt.


    Vor allem in der ersten Hälfte des Buches konnte mich Charlotte Rogan auf eine besondere Art an ihre Geschichte binden. Es war nicht das übliche Gefühl, das ich bei der Lektüre eines Thrillers empfinde, wenn ich unbedingt wissen möchte, wer überlebt oder wer der Mörder ist. Es war mehr so ein vorsichtiges, ängstliches Weiterlesen, mit grosser Sorge, was auf die Insassen des Rettungsbootes noch alles zukommen sollte. Gerade auch die beklemmende Atmosphäre finde ich sehr gut gelungen. Die Figuren selber bleiben jedoch recht flach – allerdings habe ich mich auch ganz allgemein schwer getan, mich den Figuren überhaupt nahe zu fühlen. Sie alle befinden sich in einer Ausnahmesituation und reagieren kaum so, wie sie sich im normalen Alltag verhalten würden.


    Die Szenen im Gericht empfand ich dann jedoch zu distanziert und als Leser bekam ich weniger Antworten als erhofft. Ich hätte mir definitiv mehr Emotionen gewünscht – aber hätte das zu Gace überhaupt gepasst? Die Hauptfigur bleibt auch in diesem zweiten Teil des Buches sehr unnahbar und rätselhaft. Und wie schon erwähnt, bleiben einige Fragen auch nach Zuklappen des Buches offen, was für manchen Leser eine Enttäuschung sein kann.


    Im Grossen und Ganzen hat mich jedoch die Autorin mit ihren Einblicken in die menschliche Psyche von ihrer Erzählkunst überzeugt und ich kann mir gut vorstellen, ein weiteres Buch aus ihrer Feder zu lesen. Das Thema selber bringt den Leser auf jeden Fall dazu, sich selber zu hinterfragen. Das ist gerade auch einer der Gründe, warum mich das Buch eher grübelnd und zerrissen zurück lässt. Charlotte Rogan hat es also nicht nur geschafft, mir intensive Lesestunden zu ermöglichen und verdient daher 7 von 10 Punkten.

  • Im Jahr 1914 sinkt die „Zarin Alexandra“. Grace Winter war eine der mehreren hundert Passagiere. Frisch verheiratet war sie mit ihrem Mann Henry auf dem Weg nach Amerika, auf der Flucht vor dem in Europa ausbrechenden Ersten Weltkrieg und auf dem Weg in eine bessere Zukunft an der Seite des finanziell sehr gut gestellten Henry. Doch dann kommt alles anders, ihr Schiff sinkt nach einer mysteriösen Explosion und Grace findet sich in einem der Rettungsboote wieder, allerdings ohne Henry. Das Boot ist hoffnungslos überfüllt und treibt hilflos im Ozean. Entgegen den Erwartungen ihres Anführers, eines Mannschaftsmitglieds, taucht keine Rettung auf und die Situation an Bord des Bootes wird schnell immer angespannter.


    Aufgrund des Prologs weiß man als Leser schon, wie die Geschichte ausgehen wird. Grace überlebt die Tortur, wird aber anschließend mit zwei weiteren Frauen des Mordes angeklagt. Wen sie umgebracht haben soll und wie es dazu gekommen ist, enthüllt sich aber erst nach und nach. Ihre Anwälte raten Grace, ihre Erinnerungen aufzuschreiben und das tut sie dann auch. Doch inwieweit kann man ihrem Gedächtnis überhaupt trauen? Schließlich waren die Menschen in diesem Boot in einer unbeschreiblichen Extremsituation, die nach normalen Maßstäben kaum zu beurteilen ist.


    Einerseits fand ich das Buch sehr interessant und vor allem der Grundgedanke ist wirklich spannend. All diese Personen auf engstem Raum, die daraus zwangsläufig entstehenden Konflikte, die Todesangst, die Gefahr durch das Meer, durch Hunger, Durst und Kälte – all das hätte so viel Spannung hergeben können!


    Die tatsächliche Umsetzung konnte mich allerdings nicht überzeugen, die Geschichte blieb trotz der Perspektive durch Grace‘ Augen seltsam emotionslos und fern. Grace ist keine Sympathieträgerin, sondern wirkt an vielen Stellen eher kalt und berechnend, auch in den Rückblenden, die ihr Leben vor der Katastrophe betreffen. Auch fiel es mir schwer, die vielen Personen auf dem Boot auseinanderzuhalten und mir das Ganze überhaupt bildlich vorzustellen. Auf der Homepage der Autorin finden sich Bilder, wie Rettungsboote damals ausgesehen haben, eine entsprechende Grafik im Buch hätte ich als sehr hilfreich empfunden.


    Das Ende des Buches ließ mich dann auch eher ratlos und verwirrt zurück, denn einige drängende Fragen werden überhaupt nicht beantwortet und das Verhalten der Protagonistin blieb mir bis zum Schluss ein Rätsel.