Verlag: Script5, 2013
Gebundene Ausgabe: 336 Seiten
Originaltitel: The lifeboat
Aus dem Amerikanischen von Alexandra Ernst
Kurzbeschreibung:
Grace ist frisch verheiratet mit Henry Winter, einem jungen Mann aus reichem Hause, als sie sich am Vorabend des ersten Weltkriegs auf der Zarin Alexandra einschifft. Doch nach einer mysteriösen Explosion sinkt der Ozeandampfer, und Henry erkauft seiner Frau einen Platz in einem Rettungsboot.
Den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert, treibt das überladene Boot wochenlang auf offener See. In einer Atmosphäre aus Misstrauen und unterdrückter Aggression stellen sich existentielle Fragen.
Sollen die Stärkeren sich opfern, damit die Schwächeren überleben können? Oder besser umgekehrt? Wer darf das entscheiden? Und sitzt Grace überhaupt zu Recht in diesem Boot?
Grace überlebt die Katastrophe, findet sich aber Wochen später vor einem Gericht in New York wieder. Die Anklage lautet auf Mord.
Über die Autorin:
Charlotte Rogan arbeitete als Architektin, ehe sie anfing zu schreiben. Viele Sommerurlaube im Kreis einer Familie voller passionierter Segler inspirierten sie zu In einem Boot, ihrem ersten Roman. Nachdem sie mit ihrer Familie lange Zeit in Dallas gelebt hat, zog es sie wieder ans Meer. Heute wohnt sie mit ihrem Mann in Westport, Connecticut.
Über die Übersetzerin:
Alexandra Ernst hat Literaturwissenschaften studiert und ist seit 1993 in der Kinder- und Jugendbuchliteratur aktiv. Zwei Jahre arbeitet sie als Presse- und Werbeleiterin in einem Verlag und ist derzeit als Jounalistin, Übersetzerin, Gutachterin und Buchkritikerin tätig. Ihr absolutes Lieblingsbuch ist "Die Schatzinsel" von R.L. Stevenson.
Mein Eindruck:
Grace, eine Überlebende eines Schiffsunglücks wird nach ihrer Rettung zusammen mit 2 anderen Frauen wegen Vorkommnissen auf dem Rettungsboot angeklagt. Für ihren Anwalt schreibt sie eine Art Tagebuch über die Zeit im Rettungsboot und was da geschah.
Der Roman beeindruckt mich durch mehrere Aspekte. Zum einen die Erzählform, die einer sachlichen Berichtsform ähnelt, aber unter Oberfläche mit großen Emotionen versehen und nicht immer glaubwürdig ist. Vieles bleibt mysteriös.
Grace ist die meiste Zeit auf dem Boot eine stille Beobachterin, die selten aktiv wird. Gerade daher ist sie als Verfasserin des Berichts geeignet. Wäre die Geschichte aus wechselnder Perspektive erzählt, würde sich keine so homogene Fassung ergeben. Das heißt nicht, das der Bericht on Grace lückenlos ist, im Gegenteil bleibt vieles im Dunklen, manche ihrer Erklärungen sind unglaubwürdig.
Dieser Stil ist wirklich sehr lesenswert und die Autorin hat eigenständigen Ton geschaffen. Da muss man auch die Übersetzerin loben, die diesen Ton bei der Übersetzung erhalten hat.
Zum anderen wird ein Zeitgefühl erzeugt:
Zeitpunkt ist ungefähr Anfang 1914, der erste Weltkrieg steht vor der Tür,, die Titanic ist vor ca. 2 Jahren gesunken, das Frauenwahlrecht in Großbritannien ist noch lange nicht eingeführt.
Intensiver als in stereotypen Katastrophenfilmen/-romanen werden nach einer Weile die Folgen der Veränderungen des üblichen Verhaltens in einer Ausnahmesituation, wie es so ein Notfall ist, diskutiert. Und das durchaus auf ungewöhnliche Art.
Die Schilderungen der Gerichtsverhandlung nehmen auch einen wichtigen Teil der Handlung ein.
Insgesamt ist das Buch so gut lesbar und spannend geschrieben, das ich als Leser es kaum aus der Handlegen wollte.
Der Roman wirft viele Fragen auf, die einen nachhaltig beschäftigen. Grace ist eine echte Antiheldin, deren Frage nach Verantwortung, Schuld und Überlebenswillen unauflöslich bleibt.
Charlotte Rogan versucht nicht, offensichtliche Antworten zu geben, die nur banal und thesenhaft ausfallen könnten. Das macht meiner Meinung nach die Größe des Buches aus.