Wer braucht noch die Kulturkritik?

  • In der aktuellen Kolumne von Sibylle Berg bei "Spiegel online" geht es um die Frage


    "Wer braucht schon Kulturkritiker für die Wahl zwischen Vampirromanen und SM-Kitsch?"


    Auch die Rolle von Bücherforen und -blogs spielt in diesem Artikel eine Rolle. Mich würde eure Meinung zu diesem Thema. Mich würde eure Meinung brennend interessieren. Hier der Text im Original:


    Softporno oder Vampire? Was darf's sein?

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Das könnte auch Ironie sein. Aber so oder so- arroganter Quatsch.


    Das selbst "verkopfte" Literaturkritik Spass machen kann und viele Menschenbegeistern zeigte MMR mit seinen Mitatreiern im Literarischen Quartett. Dass Kulturkritik Menschen mitnehmen und begleiten kann zeigt manche Theater- oder Opernkritik. Aber auch das Gegenteil. Wenn der Kritiker einen dreispaltigen Artikel über eine Uraufführung schreibt und alles, aber auch alles im Detail verreißt und im letzten Halbsatz dann zehnminütige Ständig Ovations erwähnt, dann hat vielleicht doch der Kritiker etwas falsch gemacht und nicht das Publikum. Diese Haltung - ich der Eitiker habe die höhere Einsicht und den kulturellen Durchblick ist nur dümmlich. Sicher ist es auch und gerade Aufgabe des Kritikers aufzuklären wo heiße Luft produziert wird -ich erinnere auch hier gerne an die Diskussionen um die Päpstin oder Illuminati, aber es ist nicht die Aufgabe von Kulturkritik Geschmackspolizei oder gar Zensurbehörde zu sein- und so scheisse Fifty Shades of Grey auch sein mag- es ist Aufgabe des Kulturkritikers dies über das Buch und nicht über die Leser auszukübeln.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Das könnte auch Ironie sein. Aber so oder so- arroganter Quatsch.


    Das selbst "verkopfte" Literaturkritik Spass machen kann und viele Menschenbegeistern zeigte MMR mit seinen Mitatreiern im Literarischen Quartett. Dass Kulturkritik Menschen mitnehmen und begleiten kann zeigt manche Theater- oder Opernkritik. Aber auch das Gegenteil. Wenn der Kritiker einen dreispaltigen Artikel über eine Uraufführung schreibt und alles, aber auch alles im Detail verreißt und im letzten Halbsatz dann zehnminütige Ständig Ovations erwähnt, dann hat vielleicht doch der Kritiker etwas falsch gemacht und nicht das Publikum. Diese Haltung - ich der Eitiker habe die höhere Einsicht und den kulturellen Durchblick ist nur dümmlich. Sicher ist es auch und gerade Aufgabe des Kritikers aufzuklären wo heiße Luft produziert wird -ich erinnere auch hier gerne an die Diskussionen um die Päpstin oder Illuminati, aber es ist nicht die Aufgabe von Kulturkritik Geschmackspolizei oder gar Zensurbehörde zu sein- und so scheisse Fifty Shades of Grey auch sein mag- es ist Aufgabe des Kulturkritikers dies über das Buch und nicht über die Leser auszukübeln.


    Das unterschreibe ich so. :write


    Und vor allem in Zeiten des Internets gibt es eben nicht mehr nur einige wenige Kritiker in ihrem Elfenbeinturm, sondern jeder Konsument kann (und sollte!) sich eine Meinung bilden und diese auch mit anderen diskutieren können.

  • Ich mag dieses elitäre Gehabe überhaupt nicht. Es ist im Leben nun mal so, daß Angebot und Nachfrage bestimmt wo die Reise hingeht und warum sollten da Kulturkritiker davon ausgenommen sein?


    Es gibt Weinkenner, die haben sich ein Leben lang damit auseinander gesetzt Geschmacksnoten zu beschreiben, Jahrgang und Anbaugebiet zu erraten und bestimmt was Top und NoGo ist. Schön und gut. Wenn ihn aber keiner konsultieren möchte bevor er einen Wein kauft, weil sich der Weintrinker an seinem eigenen Geschmack orientiert oder den Empfehlungen seiner Freunde folgt, weil sie ihn und seine Geschmacksmuster besser kennen als der Weinkenner, dann ist das sein gutes Recht. Daraufhin geradezu beleidigt zu reagieren mit einer arroganten Haltung a la "und sie wissen nicht was sie tun" - nun ja sorry, dafür habe ich kein Verständnis.


    Dieser Pöbel an ordinären Buchlesern sind nun mal die zahlenden Kunden und erwachsen genug, um selbst zu entscheiden was sie toll und nicht so toll finden und nach was sie ihre Kaufentscheidungen zu richten haben.


    Ich habe nichts gegen Literaturwissenschaftler, um Gottes Willen...und es ist okay, wenn sie ihre professionellen Kritiken mit dem Pöbel teilen...es ist aber nicht okay seine Meinung als die gewichtigere zu stellen und sich über dem Leser zu stellen.


    Es ist nun mal das Zeitalter des Internets und Menschen bekommen mehr Möglichkeiten aktiv Informationen auszutauschen. Damit müssen auch andere Bereiche leben. So ist das Leben.

  • Als ich neu bei den Büchereulen war hab ich Literaturkritik in den Feuilletons gelesen aber etliche nicht verstanden. Manchmal wusste ich am Schluss nicht mal ob es nun Lob oder vernichtende Kritik war. :gruebel Immerhin hab ich, meistens in der FAZ, neue Worte gelesen die ich noch nie zuvor gehört habe und anschliessend auch nie wieder hörte. Meiner Meinung nach verschwurbelter und pseudointellektueller Schmonzes von Literaturkritikern deren primäres Ziel es ist ihr Ego ins Zentrum stellen und ihren „hach ich bin so klug und belesen“ Intellekt manifestieren. Ganz ehrlich, wenn Zeitungen aus wirtschaftlichen Gründen sparen müssen und dann als erstes Literaturkritiker feuern finde ich das eine kluge Entscheidung. Und ja, ich gebe auf Meinungen von etwa zwanzig bis dreissig Eulen mehr als auf studierte Literaturkritiker. Nein falsch, ich geb auf Literaturkritiker null Komma gar nichts weil ich die Menschen nicht kenne. Sie sind flüssig, wenn nicht sogar überflüssig.


    Ich gehe davon aus das Frau Berg als einigermassen erfolgreiche Schriftstellerin ein ruhiges Leben führen kann und gemeinhin noch viel mehr Urlaub hat als Lehrer. Schön für Sie, dass sie es sich leisten kann regelmässig ein halbes oder gar ganzen Jahr dem Nichtstun zu frönen. Da kann sie zwischendurch mit ihrer vielen freien Zeit natürlich ein anspruchsvolles Buch lesen. Ich bin Angestellter mit Vollzeitjob der sich unter der Woche regelmässig Zeit nimmt ein Buch zu lesen. Dies sind halt leider Gottes Unterhaltungsbücher die die höchnäsige Frau Berg nicht mal mit der Kneifzange anfassen würde. Jop, ich bin ein durchschnittlicher Mensch oder wie Frau Berg es nennt ein Zombie und ich bin stolz darauf. :-)


    Ich hab kein Buch von Frau Berg gelesen und ich werde den Teufel tun ein Werk dieser eingebildeten und arrogant wirkenden Autorin zu kaufen.

  • Sibylle Berg ist ja sehr berühmt/berüchtigt für ihre Ironie, aber diesen Artikel meint sie offensichtlich ernst, jedenfalls von der Kernaussage.


    Ich persönlich schätze die Literaturkritik nicht so gering, sehe aber den Vergleich zu Foren/Blogs nicht. Schließlich werden gängige Vampirromane oder Liebesromane kaum von der Literaturkritiuk der FAZ, Süddeutsche usw. rezensiert.

  • So wie ich das sehe sind wir also alle doof und würden ohne die übermächtige Hilfe der Literaturkritiker keine Klassiker oder 'ernstere' Literatur kennen. Wir würden alle zwischen Vampiren und Hausfrauenpornos hin und her dümpeln und damit zufrieden sein!

  • Zitat

    Original von Finchen87
    So wie ich das sehe sind wir also alle doof und würden ohne die übermächtige Hilfe der Literaturkritiker keine Klassiker oder 'ernstere' Literatur kennen. Wir würden alle zwischen Vampiren und Hausfrauenpornos hin und her dümpeln und damit zufrieden sein!


    Genau, Du Doofi!


    Viele Grüße von
    Oberdoofi


    PS: Ich zieh mir jetzt alle 3 Teile von Shades of Grey und im Anschluss nochmal Feuchtgebiete am Stück rein, nebenbei lass ich mich von RTLII beschallen.


    Ein Hoch auf die Freiheit!! :grin

  • Die Dame scheint Spaß daran zu haben, ihren Freundeskreis zu erweitern. Da sie ihren liebsten Kritiker, Herrn Böttiger, arg zu vermissen scheint und ebenso die Entlassung einzig zu einer vernünftigen Kritik fähigen Kulturkritiker betrübt, teilt sie die Welt flugs in minderbemittelte Kakerlaken mit zweifelhaftem Buchgeschmack und sich auf. Man muss nur ordentlich provozieren, dann wird man auch Reaktionen bekommen. Die Rechnung scheint ja aufzugehen.

  • Bißchen arg überspitzt, der Artikel.


    Ich lese die Buchkritiken im Feuilleton meiner Tageszeitung (Süddeutsche) übrigens sehr gerne - gerade weil es oft um Bücher geht, von denen ich anders nie hören würde und an die ich mich vermutlich nicht herantrauen werde. Und ich werde immer sehr skeptisch, wenn der geistige/moralische/wie-auch-immer-geartete Niedergang des Abendlandes besungen wird. Das Lied ist so alt wie die Menschheit.


    Vielleicht täusche ich mich, aber anspruchsvolle Literatur hat doch sicher auch früher schon Otto Normalleser kaum erreicht?


    Zitat

    Original von Finchen87
    So wie ich das sehe sind wir also alle doof und würden ohne die übermächtige Hilfe der Literaturkritiker keine Klassiker oder 'ernstere' Literatur kennen.


    Was ich zugeben muß: ich denke nicht, daß ich »große Literatur« (also das, was man vielleicht in zweihundert Jahren als wichtiges Zeitdokument für unsere Epoche im Schulunterricht durchnehmen wird) ohne Hilfe erkennen würde. Ich bin kein Professor; meine Bildung ist ausgesprochen mittelmäßig und mein Literaturverständnis nicht mal das. Den Klagenfurter Wettbewerb ignoriere ich (früher habe ich tatsächlich ab und zu zugeschaut), hinterläßt mich alles nur ratlos. - Ja, ich bin ausgesprochen denkfaul und bequem. Um Dinge, bei denen sich mir der Zugang nicht von selbst erschließt, mache ich gerne einen weiten Bogen, wenn man mich läßt.


    Insofern bin ich schon froh, daß es Fachleute gibt, die unter den Büchern von vor hundert Jahren die »Klassiker« kanonisiert haben, und daß diese Bücher weiter übersetzt und herausgegeben werden. Wenn ich mich tatsächlich mal an etwas Anspruchsvolleres wagen sollte, sind sie da und warten auf mich.

    Meine Bewertungsskala: 1-4 Punkte: Mehr oder minder gravierende formale Mängel (Grammatik, Rechtschreibung, Handlung). 5/6 Punkte: lesbar. 7/8 Punkte: gut. 9/10 Punkte: sehr gut. Details und Begründung in der Rezi.

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  • Ich denke diese Frage ist ganz sicher keine neue. Literaturkritiker haben doch schon immer den Ruf gehabt nicht massentauglich zu sein. Und dann noch die Entlassung der Kritiker einer Zeitung zum Anlass zu nehmen geht auch am Thema vorbei. Denn alle Zeitungen haben im Internetzeitalter Ueberlebensprobleme und kuerzen alles, was irgendwie moeglich scheint und nicht direkt Geld einbringt. Da muessen Kulturkritiker gehen aber auch eine Menge anderer Journalisten ...

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Beatrix ()

  • Zitat

    Original von BriannaFraser
    Waren das nur die Fachleute, die entschieden haben, was heute ein Klassiker ist?
    Oder vielleicht doch die breite Masse der Leser?
    :gruebel


    Eine Definition (von vielen) des "Klassikers" ist seine Bedeutung und "Formvollendung" innerhalb seiner Gattung oder eines Teiles derselben. So gilt zB. "Der Malteserfalke" als Klassiker, weil er das Genre, in welchem er eingebettet ist, neu definiert, so das man sich bei der Definition und Bewertung anderer Werke des Genres und des Genres selber auf dieses Buch beziehen kann.
    Dieses kann - muß aber nicht zwingend - mit einer außergewöhnlichen Qualität des Werkes einhergehen. (Die Schatzinsel ist zwar ein Klassiker, aber mitnichten Stevensons bestes, sondern eher eines seiner einfachsten Bücher).


    Ein Buch gerne zu lesen hat nur bedingt mit seinen literarischen Qualitäten und seinem "Wert" für die Literatur zu tun - ich habe einige Romane Matthew Rileys mit großer Freude gelesen, auch wenn ihr literarischer Anspruch gegen Null tendiert, und der Autor und sein Werk vermutlich nicht einmal eine Fußnote in der Literaturgeschichte hinterlassen werden.


    Sollte man allerdings die Pflege und Wertschätzung der literarischen Kultur einer zwischen "Shades of gray" und "Twilight" hin- und herpendelnden Masse überlassen hätten wir bald keine mehr.

  • Zitat

    Original von beowulf
    Jeder Klassiker muss sich bewähren, spätestens an der Ladenkasse.


    Mit Verlaub, das halte ich für Unsinn! Die Wertigkeit eines Buches wird nicht durch seine Verkaufszahlen bestimmt - das würde bedeuten das zB. ein "Faust", abgesehen von seiner Verwendung als Schullektüre, heute bedeutungslos wäre.

  • Wennein Hemingway nicht mehr verlegt wird, weil die letzte Auflage nur eingestampft werden konnte, dann schlug ihm die Stunde- egal wie Klassiker er sein mag. Wenn niemand mehr ins Theater geht um Shakespeare zu sehen und Geld für die Bücher zu bezahlen werden die Klassiker zu Staubfängern - das mit Verlaub ist der Lauf der Welt.

  • Den Artikel und dahinterstehenden Konflikt sehe ich etwas zwiegespalten. Zum einen kann ich mit professioneller Literaturkritik wenig bis gar nichts anfangen, da es an meinem Lebenshorizont vorbeigeht. Wie sapperlot lese ich zum Vergnügen und zur Entspannen und brauche nichts Hochgeistiges, sondern Unterhaltsames.


    Trotzdem fand ich einen Satz aus dem Artikel bemerkenswert und würde ihr da auch zustimmen:


    Keiner muss den Empfehlungen eines Literaturwissenschaftlers folgen, aber als Gegenentwurf zur eigenen Meinung war sie ab und zu hilfreich.


    Vielfalt ist immer gut und nur weil ich mit hochtrabenden Rezis nichts anfangen kann, gilt das (zum Glück!) nicht für alle Menschen. Ob aber Frau Berg mit diesem sehr arrogant und überheblich klingenden Beitrag der "hohen Literatur" nicht einen Bärendienst erwiesen hat?

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Zitat

    Original von beowulf
    Wennein Hemingway nicht mehr verlegt wird, weil die letzte Auflage nur eingestampft werden konnte, dann schlug ihm die Stunde- egal wie Klassiker er sein mag. Wenn niemand mehr ins Theater geht um Shakespeare zu sehen und Geld für die Bücher zu bezahlen werden die Klassiker zu Staubfängern - das mit Verlaub ist der Lauf der Welt.


    Was die Bedeutung dieser Autoren in keinster Weise irgendwie schmälert. Ein Buch wird weder "wertvoll" noch ein Klassiker nur weil es alle kaufen und lesen!

  • Ein Klassiker ist ein Buch, dass dem Leser auch nach vielen Jahren noch etwas zu geben mag, das obwohl unter Umständen Jahrhunderte alt neu und modern und für viele Leser lesbar bleibt.