Ann Cleeves, Denise Mina und Christopher Air am

  • Eine der interessantesten von uns besuchten Verantstaltungen wurde kostenlos angeboten und war natürlich zu schnell ausbucht – 8 Minuten vor Beginn bekamen wir noch zwei zurückgegebene Eintrittskarten und ab ging es in die Schlange vor dem Zelt…


    Die Autorin Ann Cleeves und Christopher Aird von der BBC saßen links, Denise Mina wurde von ihrer Scriptschreiberin Emily (Nachnamen habe ich vergessen) begleitet. Geleitet wurde die Veranstaltung von einer kompetenten und sympathischen Moderatorin, deren Namen ich leider auch nicht mehr weiß und nirgends im Internet finden konnte.


    Eingeleitet wurde mit einer Frage an Christopher Aird, Leiter der Abteilung für Drama bei der BBC: Großartige Bücher eignen sich nicht immer für eine Verfilmung. Worauf achten Sie bei der Auswahl?
    Nach einer fantastischen Story, dem Potential noch mehr daraus zu machen und Figuren, mit denen sich die Zuschauer leicht identifizieren können.


    Ann Cleeves ist sehr zufrieden mit der Umsetzung ihrer Bücher, vertraut Christopher Aird und seinem Team. Für sie ist es wie die Freigabe eines Kindes zur Adoption an Menschen, die man mag und denen man auch vertraut. Ihrer Ansicht nach sind die Drehbücher gut gelungen und dass an den Originalschauplätzen auf Shetland gefilmt wurde, sei ein zusätzlicher Pluspunkt - wobei sie (natürlich) sich keinen anderen Drehort hätte vorstellen können.


    Auch Denise Mina gefällt die Umsetzung ihrer Bücher für das Fernsehen, wobei es anfangs wohl schwieriger war und ihrer Meinung nach die zweite Staffel besser gelungen ist. Diesmal habe sie vorher gewusst, welche Schauspieler ausgewählt wurden und es sei nicht so dicht am Buch gearbeitet worden. Ihr sei klar gewesen, dass innere Dialoge ersetzt werden müssten und sie vertrat gemeinsam mit ihrer Skriptschreiberin die Ansicht, dass es wichtiger sei, den Geist zu erhalten, die Stimmung rüberzubringen, statt sich sklavisch genau an die Buchvorlage zu halten.
    Denise Mina stört es, dass die Hauptdarstellerin zu attraktiv ist, zu dünn und auch, dass nicht geraucht wird. In den Büchern seien einige der Figuren praktisch Kettenraucher, an schottischen Filmsets herrsche jedoch absolutes Rauchverbot. Die Änderung, dass Maloney in der Verfilmung eine Frau ist, findet ihre Zustimmung. Nach Meinung aller Vier können die ausgewählten Schauspieler ganz anders aussehen als die Figuren in den Büchern und so etwas Neues mitbringen, solange der Grundcharakter jener Figur erhalten bleibt, die Grundstimmung und das Zusammenspiel zwischen den Figuren getroffen werden.


    Als ein Beispiel für verschenktes Potenzial nannte Denise Mina die schwedische Verfilmung von Stieg Larssons Millenium-Trilogie. Sicherlich sei diese Version deutlich besser als die US-Verfilmung, hätte jedoch noch besser sein können, wäre nicht so kapitelgetreu vorgegangen worden.


    Wichtig ist nach Ansicht der beiden Autorinnen eine gute Zusammenarbeit mit den Skriptschreibern, sowie der Dialog mit den Zuschauern. Denise Mina war schockiert, wie viele Käufer der gerade veröffentlichten Comic-Version der Milleniums-Trilogie zwar auch die Romane besäßen, diese jedoch nicht gelesen hätten. Aber sie würden doch die Filme kennen…. Da fühle sie sich als Autorin des geschriebenen Wortes fast wie jemand, der eine abschreckende Wirkung habe.


    Christopher Aird betonte, dass die Hauptfiguren so gestaltet sein sollten, dass man im wirklichen Leben Zeit mit ihnen verbringen wolle und ihr Charakter, ihr Leben sich immer weiterentwickeln müssten. Früher habe er nicht so gerne TV-Serien gemocht, inzwischen wären sie ihm lieber als Kinofilme, denn er könne länger Zeit mit den Figuren verbringen, sich schon auf die nächste Folge freuen.


    Ian Rankin habe am Vortag beim Book Festival gesagt, dass er die Filmrechte für alle seine Bücher zurückgekauft habe. Seiner Ansicht nach müssten Bücher die Möglichkeit zum Atmen haben und derzeit sei ihm der Einfluss nordischer Krimis und deren Verfilmungen zu groß.


    Als Beispiel für eine misslungene Verfilmung nannte Christopher Aird die Bücher von Susan Cooper, bei denen die Grundaussage völlig verfälscht worden sei.


    Sowohl Ann Cleeves als auch Denise Mina bemühen sich sehr, ihre Schauplätze wirklichkeitsgetreu darzustellen, erforschen die Umgebung der Handlung gründlich. Gelegentlich erfindet Ann Cleeves einen Ort, Denise Mina erzählte, dass sie gelegentlich Namen von Orten und Geschäften verändert habe. An sich völlig grundlos, aber es sei ihr in dem Moment richtig vorgekommen.


    Beide verbindet eine tiefe Liebe zu ihren Schauplätzen und sie sprachen mit großer Leidenschaft von Glasgow (Mina) bzw. Shetland (Cleeves). Ihre Skriptschreiber versuchen soviel wie möglich der Stimmung dieser Orte in die 59 oder 90 Minuten zu bekommen und gleichzeitig den Zuschauern maximal viel Handlung anzubieten. Um dies zu ermöglichen, werden manchmal Handlungelemente von einer Folge bzw. einem Band in einen anderen verschoben. Christopher Aird ist klar, dass er nie alle Leser des jeweiligen Buches zufriedenstellen kann, Kompromisse gemacht werden müssen, um die notwendigen fünf Millionen Zuschauer für BBC1 zu erreichen.
    Am wichtigsten sei es, die Leidenschaft des Autors zu vermitteln und dessen Ideen authentisch zu vermitteln.


    Gleichzeitig gebe es eine Grenze z.B. beim Thema Darstellung von Gewalt. Christopher Aird versuche, keinerlei Schmerzen zu zeigen. Gewalt in einem gewissen Maße, jedoch nicht das dadurch verursachte Leiden länger als unbedingt nötig.


    Auf die Frage, ob die Verfilmungen sie beim Schreiben neuer Bücher beeinflusse, antwortete Ann Cleeves mit einem klaren Ja. Sie habe jetzt den Hauptdarsteller vor Augen. Denise Mina hingegen versucht die Verfilmungen auszublenden, da ihr Hauptdarsteller in ihrem Kopf ganz anders aussieht und sie möchte beim Schreiben auch nicht über eine mögliche Verfilmung nachdenken.


    Die Reaktionen auf die letzte Verfilmung in einigen Blogs habe Denise Mina schockiert, wie rücksichtslos manche Menschen da urteilen und schreiben würden - auf eine Art und Weise, wie sie wohl nie tun würden, wenn da nicht der Bildschirm wäre, sondern die andere Person ihnen persönlich gegenüber sitzen würde.


    Die 60 Minuten waren viel zu schnell vergangen, es war interessant, die verschiedenen Meinungen zu hören, kurze Ausschnitte der Verfilmungen zu sehen, die Lust auf mehr machten.


    "It is our choices, Harry, that show what we truly are, far more than our abilities." Albus Dumbledore
    ("Vielmehr als unsere Fähigkeiten sind es unsere Entscheidungen, die zeigen, wer wir wirklich sind.")


    "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die Schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern."

    Erich Kästner.