Am 11. August las Sarah Dunant aus ihrem neusten Buch "Blood & Beauty: The Borgia" beim Book Festival in Edinburgh. (Infos zu einer deutschen Ausgabe konnte ich bisher keine finden.) Moderator war Jamie Jauncey, ein schottischer Schriftsteller mit großem Interesse an italienischer Geschichte.
Pünktlich um 19 Uhr betraten die beiden gut gelaunt die Bühne des ausverkauften Lesezeltes. Mit viel Leidenschaft (und italienischer Gestik) erzählte Sarah Dunant über die Familie Borgia, die ihrer Meinung nach bei den italienischen Geschichtsschreibern viel zu schlecht wegkam. Sicherlich wäre es keine "guten Menschen" gewesen, jedoch auch nicht schlechter als ihre italienischen Zeitgenossen. Weil die Borgias jedoch aus Spanien stammten und geschickt ihre wachsende Macht nutzten, wären sie als besonders übel dargestellt worden.
In "Blood&Beauty" möchte sie die Familie Borgia so realistisch wie möglich darstellen, denn auch die TV-Serie ist nicht gerade realitätsnah, zu romantisch und Jeremy Irons sei zwar ein sehr attraktiver Schauspieler - jedoch sicherlich nicht wegen irgendwelcher Ähnlichkeit zu Rodrigo Borgia ausgewählt worden sei.
Auch sprachlich versucht sie, sich den damaligen Wendungen anzupassen. Die Sprache sei immer durch die Lebensumstände der Menschen geprägt, damals durch die Natur und religiöse Begriffe. So ist jemand so auffällig wie eine Krähe in einer Milchschale, andere Geräusche werden mit den Glöckchen eines Leprakranken verglichen und ganz nebenbei wird erklärt, woher das Wort "bombardieren" stammt.
Die Figuren, egal ob historisch belegt oder erfunden, sollen sich wie Kinder ihrer Zeit verhalten, ihr Verhalten gleichzeitig für heutige Leser nachvollziehbar sein. Rodrigo Borgia war Papst und hatte sieben Kinder. Heute unvorstellbar, damals nur deshalb auffällig, weil kein anderer Papst vor ihm so viele Nachkommen hatte.
Sarah Dunant brachte mir das Leben im Vatikan zu jener Zeit näher, in einer Zeit der großen Umbrüche, voller Brutalität, und erzählt einfühlsam von den verschiedenen historischen Persönlichkeiten. Gleichzeitig kommen Humor und Ironie nicht zu kurz, es wird deutlich, dass nicht nur Rodrigo Borgia mit beidem gesegnet war. Eine Zeit, in der plötzlich eine Seuche auftauchte, für die es kein Heilmittel gab und die Hoffnung auf Quecksilber lag... Trotz der ernsten Thematik wurde viel gelacht, auch weil Sarah Dunant herrlich selbstironisch ist.
Ihrer Ansicht nach haben sich historische Romane in den letzten 20-30 Jahren sehr verändert, sowohl weil inzwischen mehr Quellen frei zugänglich sind und weil mehr und andere Fragen gestellt werden, so wie z.B. nach dem Leben der einfachen Leute, wie es Frauen früher erging usw.
Bis heute seien die Folgen jener Epoche in Italien sicht- und spürbar, die großen Unterschiede zwischen Nord und Süd, die zwar schwindende jedoch noch vorhandene Macht der Kirche und auch einzelner Familien.
Nach einer Stunde ging es dann leider schon zum Signieren ins Nachbarzelt, wo sich Sarah Dunant viel Zeit für jeden nahm.