Inhalt:
Farbiger und lebenswirklicher könnte Isabel Allendes Roman nicht sein. Vor dem Hintergrund der historischen Sklavenaufstände in der Karibik schildert sie das packende Schicksal der Mulattin Zarité, die als junges Mädchen an einen weißen Plantagenbesitzer verkauft wird. Durch vielfache persönliche Bande an die Familie ihres Herrn gekettet, muß Zarité ihren ganz eigenen Weg finden, um endlich Freiheit zu erlangen. Mit ihrem neuen Roman Die Insel unter dem Meer entführt uns die chilenische Bestsellerautorin von den Zuckerrohrplantagen auf Saint-Domingue, dem heutigen Haiti, in das pulsierende New Orleans des frühen 19. Jahrhunderts. Ein schillernder, dramatischer Bilderbogen um eine starke Frau, die alles riskiert und sich bedingungslos ihre Freiheit erkämpft.
Autorin:
Isabel Allende wurde am 2. August 1942 in Lima/Peru geboren. Nach Pinochets Militärputsch am 11. September 1973 ging sie ins Exil. 1982 erschien ihr erster Roman La casa de los espíritus (dt. Das Geisterhaus, 1984), der zu einem Welterfolg wurde. Der dänische Regisseur Bille August verfilmte den Roman 1993. Allende arbeitete unter anderem als Fernseh-Moderatorin und war Herausgeberin verschiedener Zeitschriften. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Kalifornien.
Eigene Meinung:
Isabell Allende erzählt in „Die Insel unter dem Meer“ (eine Metapher der Sklaven für ein friedvolles Reich nach dem Tod) von der Insel Saint-Domingue – heute Haiti – welche Ende des 18. Jahrhundert eine von wenigen Franzosen beherrschte Zuckerkolonie war, in der Tausende von Sklaven den Reichtum der weißen Herren erwirtschafteten mussten. Speziell in Saint-Domingue wurden die Schwarzen auf grausamste Weise ausgebeutet und ihr Tod innerhalb weniger Jahre durch Erschöpfung, Hunger und Krankheit billigend in Kauf genommen, da Ersatz schnell auf ständig neuen Sklavenschiffe zu finden war.
Die Sklavin Teté, die als Kind von dem Plantagenbesitzer Valmorain für seine gemütskranke Frau gekauft wird, lebt ein relativ geschütztes Leben, muss nicht auf den Feldern schuften, hat ein Dach über dem Kopf und genug zu Essen. Aber die psychischen Grausamkeiten und sexuellen Übergriffe des Hausherrn gehören zu ihrem Leben als rechtlose Sklavin, wie auch die Mischlingskinder, die sie bekommt, und die genauso Eigentum von Valmorain sind und mit denen er macht, was er für richtig hält. Und obwohl sie Zuneigung für ihre depressive und zunehmend verwirrte Herrin und deren kleinen Sohn empfindet, sehnt sie sich nach der Freiheit.
Isabell Allende schreibt gewohnt kraftvoll und eindringlich, manchmal vielleicht etwas zu ausschweifend, aber in typisch südamerikanischem Erzähltempo, vom Leben auf der Plantage, von den Entwicklungen der Menschen, ihren Nöten und Ängsten. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Grausamkeit und Rücksichtlosigkeit geht, mit der die Plantagenbesitzer ihre Sklaven demütigen, ausbeuten, bestrafen und töten.
„Der Neger taugt für schwere Arbeiten, er ist weniger schmerzempfindlich, ermüdet nicht so schnell, sein Hirn ist limitiert, er kann keine Kategorien bilden, ist gewalttätig, unordentlich, faul, kennt weder Ehrgeiz noch edlere Gefühle...„ (Seite 106)
Am Schicksal von Teté, ihrer Kinder und befreundeter Sklaven und Mulatten, wird über 30 Jahre die politische Entwicklung der Insel beschrieben. 1792 kam es zum großen Sklavenaufstand auf Haiti. Die Engländer unterstützten die Sklaven gegen ihre französischen Herren und auch Spanien versuchte durch Verhandlungen mit den Auständischen Boden gut zu machen. Schließlich entschließt sich Napoleon Truppen zu schicken und es kommt zum Krieg, jeder gegen jeden.
Valmorain verlässt mit einer kleinen Handvoll Menschen, unter ihnen auch Teté und ihre Tochter, die Insel und flüchtet nach New Orleans, wo er eine neue Plantage aufbaut. Hier erfüllt sich nach Jahren auch Tetès Schicksal.
Das Buch hat mich mitgerissen und in eine archaische und brutale Welt geworfen, in der ich mit Teté und den ihren mitgelitten habe, den Sklavenbesitzern die Pest an den Hals gewünscht und mich vor den Kriegswirren gefürchtet habe. Eines von Allendes besten Werken, meiner Meinung nach. Auch im Hinblick auf das heutige Haiti, welches weiterhin in Armut und politischen Unruhen versinkt und von dessen Entwicklung man hier einen eindringlichen und sehr erhellenden Eindruck gewonnen hat. Die Protagonisten waren von solcher Tiefe und Glaubwürdigkeit, nie schwarz oder weiß (sinnbildlich versteht sich) sondern immer menschlich. So viel Nährwert und Abenteuer, historische Fakten und kraftvolle Fabulierkunst hab ich lang nicht mehr genossen.
9 von 10 Punkten dafür.