Ein Auszug aus dem Klappentext verrät zum Inhalt:
Sommer 1954: Thomas Mann kommt zusammen mit seiner Frau Katja nach Düsseldorf, um aus dem „Felix Krull“ zu lesen, der sich zum Bestseller entwickelt. Im selben Hotel, dem „Breidenbacher Hof“, ist gleichzeitig Klaus Heuser, auf Heimaturlaub aus Asien, mit seinem Freund Anwar abgestiegen, ein Zufall, der es in sich hat. Denn Klaus Heuser, den er 1927 kennengelernt hatte, gehört zu Thomas Manns großen Lieben... Nun sorgt die mögliche Begegnung der beiden für größte Unruhe, zusätzlich zu dem Aufruhr, den der Besuch des ins Exil gegangenen Schriftstellers im Nachkriegs-Deutschland ohnehin auslöst. Erika Mann mischt sich ein, Golo Mann und Ernst Bertram verfolgen ihre eigenen Ziele und die Honoratioren der Stadt ringen um Haltung. Dazwischen die ewigen Fragen der Literatur, nach Ruhm und Verzicht, der Verantwortung des Künstlers und dem Preis des eigenen Lebens, nachdem Gelingen und Rang...
… und zum Autor:
Hans Pleschinski wurde 1956 geboren und lebt als freier Autor in München. Ausgezeichnet mit zahlreichen Preisen, unter anderem dem Nicolas-Born-Preis. Er wurde zum Chevalier des Arts et des Lettres der Republik Frankreich ernannt und ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Künste. Veröffentlichung von Romanen, einer Auswahl aus dem Briefwechsel zwischen Voltaire und Friedrich dem Großen. Er gab auch den Band „Nie war es herrlicher zu leben“ - Das Geheime Tagebuch des Herzogs von Croÿ heraus.
Meine Meinung:
Gebundene Ausgabe, 390 Seiten. Vorangestellt zwei Zitate, eines von Klaus Heuser aus einem Brief, eines von Thomas Mann aus seinen Tagebüchern. Anschließend zwei Fotos, die Protagonisten des Romans zeigend. Romantext von Seite 11 bis Seite 388, abschließend eine Nachbemerkung von Hans Pleschinski und ein Bildnachweis.
Lesebändchen.
Der oben zitierte Klappentext kann als Inhaltsangabe durchaus herhalten, denn sehr viel mehr passiert eigentlich nicht. Was könnte man außerdem erwähnen?: Ein Besäufnis in einem Restaurant, ein vielleicht lauschendes Zimmermädchen, überraschende Besucher im Hotelzimmer, kann das gelten? Muss man nicht noch unbedingt erwähnen, dass auch ein Kriegsverbrecher, immerhin aber noch mit „Herr Generalfeldmarschall“ tituliert, ebenfalls im Hotel logiert?
Das Buch ist eine einzige Reminiszenz oder muss ich besser sagen: eine Hommage, an „Lotte in Weimar“, an „Felix Krull“, an Thomas Mann. Szenen werden zitiert (die Eingangsszene beispielsweise, oder das berühmte 7. Kapitel aus „Lotte in Weimar“, das bei Pleschinski zwar das 9. ist, aber einen deutlicheren Bezug kann man wohl kaum geben), Begebenheiten, Personen (wer beispielsweise den Liftboy nicht wiedererkennt, kann schlicht „Felix Krull“ nicht gelesen haben), wörtlich und indirekt. Auch die Sprache gemahnt natürlich an den Nobelpreisträger, es wird wunderbar „breit“ und ruhig erzählt. Der Roman lebt von der Erzähl- und Anspielungsfreude seines Autors und trotzdem bleibt genug Raum für des Lesers Phantasie. Ein feiner, zarter Humor tritt oft zutage, der Blick Pleschinskis ist trotzdem scharf, seine Ironie trifft. Ob es nun die sich beinahe um Kopf und Kragen redenden Politiker sind, ob die Tatsache, dass Klaus Heuser nicht allein und doch ohne weibliche Begleitung Quartier im Hotel zu nehmen wünscht, ob die Befindlichkeiten der handelnden Personen in der jungen Bundesrepublik, die immer noch eine mal mehr, mal weniger große Rolle spielende Verhaftung in der Zeit des Nationalsozialismus, alles ist einerseits so lebendig, andererseits so „märchenhaft“ erzählt, dass das Buch für mich einfach ein fast uneingeschränktes großes Vergnügen war.
Aber eben nur fast. Was bei mir einen recht zwiespältigen Eindruck hinterlassen hat, war die Überzeichnung einiger Personen. Was bei den Politikern, beim Liftboy und anderen für mich noch sehr gut funktionierte, weil man es sich halt so sehr gut vorstellen kann, das dem so gewesen sein könnte/kann, funktioniert für mich bei Tochter und Sohn Thomas Manns nicht mehr so uneingeschränkt. Gerade bei Golo, dem ungeliebten Kind, der sich lange Zeit kaum akzeptiert fühlte von seinen Eltern, war mir die Nähe zur Lächerlichkeit zu eng. Natürlich kam mir der eindrucksvolle und mich traurig machende Essay von Joachim Fest über Golo Mann (1) immer wieder in den Sinn, natürlich denkt man an Marcel Reich-Ranicki und seine Beschäftigung mit der Familie Mann (2) und fast selbstverständlich kommt mir immer wieder das, was Hermann Kurzke auch über Erika und insbesondere Golo Mann zu sagen weiß, „in die Quere“. Mag sein, dass Pleschinski zu sehr an der von mir gebildeten Vorstellung kratzt, als dass ich diese Passagen uneingeschränkt hätte genießen können – auch wenn ich auch mir selbst gegenüber betonen muss, dass „Königsallee“ ein Roman und keine Biografie ist.
Wer Thomas Mann mag, wird diesen Roman mögen, dessen war ich mir anfangs sicher. Mittlerweile allerdings nicht mehr so sehr, vielleicht stößt die mir manchmal fast respektlose erscheinende, aber immer treffende Zitierung des Dichters den glühenden Liebhaber seiner Schriften doch ein wenig auf. Es mag sein, dass man es als Manko auffassen kann – was ich allerdings nicht tue -, dass der Roman zu viel zu Vergleichen einläd, zu viel Wiedererkennungswert zu haben scheint; zu viel meint man vielleicht suchen zu müssen, vielleicht könnte man schlicht sagen: Ein wenig zu viel Thomas Mann.
Sicherlich wird man das Buch auch genießen können, wenn man weder den Namen Thomas Mann je gehört noch eines seiner Bücher je gelesen hat. Dann allerdings sollte man bereit sein, sich auf ein fast überbordendes Sprachvergnügen einzulassen, das Zeit hat und Zeit in Anspruch nimmt.
Mir hat das Buch großen Spaß gemacht, wobei es noch ein extra Vergnügen war, quasi mit gezücktem Beistift auf „Zitatenjagd“ zu gehen.
(1) Enthalten in: Joachim Fest, Begegnungen, Rowohlt Taschenbuch Verlag, 3. Auflage 2009, Seiten 215 bis 248
(2) Marcel Reich-Ranicki, Thomas Mann und die Seinen, Fischer Taschenbuch Verlag, 2. Auflage 2011
(3) Hermann Kurzke, Thomas Mann – Das Leben als Kunstwerk, Fischer Taschenbuch Verlag, 5. Auflage 2013, im Besonderen Seiten 472 ff.
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