Christopher Brookmyre - Die hohe Kunst des Bankraubs

  • Der Autor: Der schottische Autor Christopher Brookmyre konnte bereits einige Krimipreise mit nach hause nehmen und gilt als eine der aufregensten Neuentdeckungen der britischen Kriminalliteratur. Auf deutsch ist außerdem sein Roman „Wer schlafende Hunde weckt“ erschienen.


    Das Buch: Endlich ist der vermaledeite Prediger weg, der Andys besten Platz in der Nähe der Bank die ganze Woche besetzt hatte. Doch kaum hat er sich seine Klampfe um den Hals gehängt kommt eine neue Störung auf ihn zu, dieses Mal in Gestalt einiger Clowns, die – mit lauter Beschallung aus einem Ghettoblaster – nicht nur Andys Gitarrenspiel übertönen sondern auch die Aufmerksamkeit der Passanten von im ablenken. Schöne Scheiße!


    Unter dem Applaus der Menge betreten die Clowns die nahegelegene Bank – schließen die Türen und beginnen mit dem Überfall! Auf Clownsart allerdings.....


    Die Polizistin Angelique de Xavia wollte ihren 30. eigentlich bei einem Spiel ihrer Lieblingsmannschaft feiern, als sie zu dem Überfall gerufen wird.


    Und es dauert gar nicht lange da befindet sie sich: a) am falsche Ende einer Waffe und b) am richtigen Ende eines Clowns.....
    Eines Clowns mit tollen Augen, und einer tollen Stimme.....


    Meine Rezension: Wer vom üblichen literarischen Einheitsbrei die Schnauze voll hat sollte sich das Programm des Galiani-Verlages einmal etwas genauer ansehen!


    Alle die – zu Recht! – das immer ein- und gleichförmiger werdende Belletristik-Programm beklagen werden hier ihre helle Freude dran haben.


    Aber nun zum Buch:


    Seit Assav Gavrons „Alles paletti“ und Edward Abbeys „Monkey Wrench Gang“ habe ich keine so großartige, witzige, verspielte Komödie mehr in der Hand gehabt. Erst ganz zum Schluß fügen sich alle Teile des Puzzles zu einem Bild zusammen, erst da erfahren wir was der einsame Vollstrecker mit einer Vorliebe für bezahlte Blowjobs mit dem Banküberfall zu tun hat, und welche Rolle der Gangsterboss in der ganzen Geschichte spielt.


    Brookmyre lässt uns Leser hier bis zum Schluss im Dunkeln tappen, um das Ganze dann mit einem eleganten Schlenker ebenso schlüssig wie brilliant aufzulösen, alle Puzzleteile fallen wie von selbst an ihren Platz, um den Leser nun in mehr als einer Hinsicht zufrieden zurückzulassen.


    Brookmyre erzählt seine Geschichte mit einer Leichtigkeit, die bei weniger begabten Autoren gerne einmal in Plattheiten und halbgaren Gags um des Gags willen abgleitet, etwas, was bei Brookmyre nicht vorkommt. Seine pointierte Erzählweise um die zum Teil recht turbulenten Ereignisse sinkt nie auf ein flaches Kalauerniveau hinab.


    Seine Erzählweise erinnerte mich an eine Mischung aus Elmore Leonard (dem Spätwerk) und dem schon erwähnte Assav Gavron, beide haben Geschichten über liebenswerte – und dabei doch gefährliche – Gauner und Verbrecher geschrieben.


    Als er seine Polizistin zum Fußballspiel schickt gibt uns der Autor dazu eine kleine Geschichte des Vereins sowie ihres gesellschaftlichen Gegenparts – und auch wenn dieser Einschub eigentlich nichts mit der Story zu tun hat sondern diese unterbricht wirkt das nicht störend, sondern als Bereicherung für den Leser, und es verleiht der Figur der Angelique ein wenig mehr Tiefe und Hintergrund.
    Die Geschichte um sie und den Oberclown erinnert natürlich an die Romanze in Leonards „Out of sight“, doch mag diese Konstellation auch von Leonards Geschichte inspiriert worden sein, einen geistigen Diebstahl hat Brookmyre gar nicht nötig, dazu ist er selbst ein zu versierter Autor.
    Auch der Balanceakt zwischen Komödie und spannendem Thriller – denn das ist dieses Buch durchaus – gelingt Brookmyre mit einer Leichtigkeit, um welche ihn viele Autoren beneiden dürften. Trotz des Witzes und der lockeren Erzählweise bleibt die Spannung erhalten, die „Bösen“ sind immer noch gefährlich, mit oder ohne Blowjob.


    Ein Buch das intelligente, ebenso spannende wie originelle Unterhaltung auf hohem Niveau bietet und Freunde dieser Art von Literatur nicht enttäuschen, sondern sie hellauf begeistern wird!

  • Aaaahhhaaa, es gibt sie also doch noch, die Bücher im Genre des Krimis die mich mit ihrer ungewöhnlichen Erzählweise und ihrer mutigen Struktur abseits der ausgelatschten Pfade positiv überraschen können. Nach einem schnörkellos geschrieben Prolog mit einem Dialog über die Vorteile eines käuflichen Blowjobs führt uns der Autor zu einer Gruppe maskierter Clowns die am helllichten Tage eine Bank in Glasgow überfallen und netterweise die Alten, Asthmatiker und schwangeren Geiseln in die Freiheit entlassen. Die restlichen Geiseln werden während des Bankraubs durch die Gangster in Manier von Strassenkünstlern unterhalten... Das die Polizei vor der Bank Stellung bezieht und alles verbarrikadiert stört die Bankräuber herzlich wenig, sie ziehen ihr Ding wie geplant durch. Detective Inspector Angelique de Xavia, toller Name übrigens :anbet, wird in die Bank geschickt und da beginnt etwas das nicht unbedingt geplant war...


    Die Geschichte beginnt im Prinzip erst ab Seite 60 so richtig. Vorher erfährt man, wie man es von einem stolzen schottischen Schriftsteller erwarten darf, etwas über die schottische Kultur und Denkweise, den verfeindeten Protestanten und Katholiken und den beiden bekannten Fussball-Clubs von Celtic und den Rangers aus Glasgow. Die zweite Hälfte des Buches ist dann ganz anders als erwartet und man fragt sich weshalb der Autor das alles erzählt. Zu viel möchte ich an dieser Stelle natürlich nicht verraten damit es für potentielle Leser/-innen etwas zu entdecken gibt. Vieles an diesem Buch ist absolut ungewöhnlich und hat etwas von einem Spiel mit Illusionen und wohin der Autor mit der Leserschaft will erfährt man erst am Schluss wenn alles Bestandteile an ihrem Ort sind. Die Geschichte als Ganzes ist aber bis ins letzte Detail geplant und mit Präzision durchgeführt obwohl nicht ganz alles geklärt wird. Handlungsraum für eine Fortsetzung ist vorhanden.


    Ein Roman lebt und funktioniert mit den Protagonisten und hier habe ich doch was zu bemäkeln. Irgendwie sind mir die Figuren nicht recht ans Herz gewachsen. Es bestand immer eine faustbreit emotionale Distanziertheit. Und das obwohl viele Abschweifungen, die irgendwie recht interessant sind aber den Fluss der Geschichte hemmen, dazu dienen sollen den Personen mehr tiefe zu verleihen. Aus einem nicht feststellbaren Grund hat es bei mir nicht recht funktioniert.


    Ein gut bis sehr gut geschriebener Krimi über Ganoven und echte Künstler mit teils genialen Wendungen und witzigen Dialogen. Wie erwähnt ist der Aufbau ungewöhnlich bis surreal und ich würde ihn wohl am ehesten erfahrenen (Krimi-) Lesern zur Lektüre empfehlen. Das Buch wurde übrigens im Jahre 2003 auf Englisch publiziert und erst jetzt nach zehn Jahren auf Deutsch übersetzt und veröffentlicht. Von diesem Schriftsteller dürfte es also, ganz zu meiner Freude, noch einiges zu entdecken geben. Wertung: 8 Eulenpunkte.

  • Titel: Die hohe Kunst des Bankraubs
    OT: The Sacred Art Of Stealing
    Autor: Christopher Brookmyre
    Übersetzt aus dem Englischen von: Hannes Meyer
    Verlag: Galiani Berlin
    Erschienen: August 2013
    Seitenzahl: 384
    ISBN-10: 3869710772
    ISBN-13: 978-3869710778
    Preis: 14.99 EUR


    Das sagt der Klappentext:
    Bankraub mit Beckett Straßenartisten entpuppen sich als gewiefte Ganoven, die in Wahrheit echte Künstler sind, und Brookmyre selbst zeigt sich als ein literarischer Trickbetrüger allererster Güte! Bei so einem Banküberfall möchte man auch mal dabei sein: Fünf Straßenakrobaten mit Clownsmaskenkapriolen von der Fußgängerzone bis in die Schalterhalle einer Glasgower Bank. Einer wirbelt im Salto über die Schutzabsperrung, alle haben plötzlich Waffen in der Hand, und ihr Anführer verkündet freundlich: »Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, Sie nehmen teil an einem Banküberfall.« Doch die Räuber sind nicht nur Akrobaten, sie haben ihrem »Publikum« auch sonst einiges zu bieten: Die Geiseln werden mit einer Theatervorführung von Warten auf Godot bespaßt, während der Safe-Computer geknackt wird; und am Ende gibt es noch ein lustiges Kunstgemälde-Raten für alle. Die Polizei draußen findet die Geiselnahme naturgemäß weniger amüsant. Officer Angelique de Xavia, Single, vom Chef gedisst, heute 30 geworden, hat eh schon einen schlechten Tag: Des Überfalls wegen verpasst sie gerade ein Spiel der Glasgow Rangers, und jetzt soll sie auch noch im Alleingang die Bank verwanzen. Doch dann trifft sie auf Zal, den Anführer der Bande – und schon vor der spektakulären Flucht der Safeknacker knistert es gewaltig zwischen den beiden. Der Gangster und die Polizistin lassen sich auf eine für beide riskante Affäre ein.


    Der Autor:
    Christopher Brookmyre, geboren 1968 in Barrhead bei Glasgow, ist ein extrem vielseitiger Autor, dessen Werk und Bandbreite in Deutschland erst noch zu entdecken ist. Erst kürzlich legte Brookmyre in England mit Bedlam einen der ersten Romane aus der Welt der Computerspiele vor (der zum Erscheinen direkt auf Platz 7 der Hardcover-Fiction-Bestsellerliste landete), in der angelsächsischen Welt ist er allerdings besonders für seine funkensprühend originellen Romane bekannt, die ihm bereits mehrere Krimipreise eingebracht haben.Auf Deutsch ist von ihm bisher neben Die hohe Kunst des Bankraubs nur Wer schlafende Hunde weckt erschienen, einer seiner “direkten” Krimis. Dank seiner ungewöhnlichen Produktivität hat Brookmyre in den letzten Jahren ein umfangreiches und vielschichtiges Werk geschaffen, das es nun endlich auch auf Deutsch zu entdecken gilt.


    Meine Meinung:
    Dieser Krimi ist beste Unterhaltung. Intelligent, teilweise witzig – Krimiunterhaltung der etwas anderen Art. Auch die Satire kommt in diesem Buch nicht zu kurz. Eine wirklich bunte Mischung. Ein Krimi den man nur sehr ungern aus der Hand legt. Der Autor weiß wie man die Leser über 384 Seiten bei der Stange hält. Überraschende Wendungen, dabei aber immer den Spannungsbogen aufrechthaltend, bei allem Humor kommt nämlich auch das Spannungsmoment nicht zu kurz. So nebenbei erfährt der Leser auch etwas über die Tradition des „Old Firm“ und einiges über die Rivalität dieser beiden Glasgower Fussballclubs. Die handelnden Personen sind echte Sympathieträger ohne sich dabei aber bei den Lesern einzuschleimen. Hochinteressant auch im Prolog „Dienstleistungen“ die Ausführungen über die Qualität von Blowjobs. Und auch das mit einem sehr sympathischen Augenzwinkern geschrieben. Diesem Buch von Christopher Brookmyre fehlt die Verbissenheit und Humorlosigkeit so vieler anderer Krimis. Wer wert auf wirklich gute Krimiunterhaltung legt, den sei dieses Buch anempfohlen. Ein sehr lesenswerter Krimi, der sich selbst nicht so bierernst nimmt. 8 Eulenpunkte.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.