Hoffmann & Campe, 2011
175 Seiten
Aus dem Portugiesischen von Karin von Schweder-Schreiner
Kurzbeschreibung:
In "Kain" schreibt José Saramago die Bibel kurzerhand um und lässt den Brudermörder eine ganz eigene Reise durchs Alte Testament antreten. Mit Phantasie, Ironie und einem Schuss Boshaftigkeit führt der große Romancier die göttliche Allmacht ad absurdum
Über den Autor:
José Saramago, geboren am 16. November 1922 in Azinhaga in der portugiesischen Provinz Ribatejo, entstammt einer Landarbeiterfamilie. Nach dem Besuch des Gymnasiums arbeitete er als Maschinenschlosser, technischer Zeichner und Angestellter. Später war er Mitarbeiter eines Verlags und Journalist bei verschiedenen Lissabonner Tageszeitungen. Ab 1966 widmete er sich verstärkt der Schriftstellerei. Während der Salazar-Diktatur gehörte er zur Opposition. Der Romancier, Erzähler, Lyriker, Dramatiker und Essayist erhielt 1998 den Nobelpreis für Literatur. Er starb am 18. Juni 2010 auf Lanzarote. Bei Hoffmann und Campe erschienen zuletzt Die Reise des Elefanten, Das Tagebuch (beide 2010) und der Gedichtband Über die Liebe und das Meer (2011).
Mein Eindruck:
Lange hatte ich gezögert, den letzten Roman des portugiesischen Literaturnobelpreisträgers Jose Saramago zu lesen.
Die Reise des Elefanten, sein vorletzter Roman, schien mir ein guter, versöhnlicher Abschied.
Kain hingegen ist ein provozierendes Buch. Die Schöpfung, Adam und Eva, ihre Vertreibung aus dem Paradies, die Ermordung Abels durch Kain u.a. werden von Saramago erneut geschrieben, jedoch mit einer veränderter Wertung.
Dann wird Kains weiterer Lebensweg gezeigt. Sein Schicksal ist es, herumzuirren.
Ich kann mir vorstellen, das Saramago seinen Spaß beim Schreiben hatte, aber leider wirkt sein Spott häufig höhnisch, wo er vermutlich ironisch hätte werden sollen.
Nachdem der Anfang des Romans nicht übermäßig spannend ist, sind die Schilderungen von Kains Leben im Land Nod interessant. Er gibt sich zunächst als Abel aus und wird vom einfachen Lehmstampfer schnell der Geliebte der Herrscherin Lilith. Er zeugt mit ihr seinen Sohn Henoch. Später verlässt Kain Nod und trifft auf Abraham, den er gerade noch daran hindern kann, seinen Sohn Isaak zu opfern. Kain wird auch Zeuge von der Errichtung des Turm von Babel und der Zerstörung von Sodom. Dann zieht er in die Wüste Sinai, nach Jericho und in weitere Orte, in denen Gott auf besonders auffällige Weise wirkte. Wie man merkt, hebt Saramagos in dieser Erzählung gottgleich Zeit und Raum auf.
Saramagos Stil ist wieder raffiniert. Er wählt eine Berichtsform, in der stets kommentiert wird. Philosophische Gedankenspielen werden einbezogen.
Dialoge werden hintereinander weg geschrieben. Der Leser muss also aufmerksam lesen, um folgen zu können, wer gerade was sagt. Das funktioniert aber eigentlich problemlos, man kann nicht sagen, dass es ein besonders schwierig zu lesendes Buch ist.
Am Ende kann ich sagen, dass ich es nicht bereut habe, auch Saramagos letzten Roman gelesen zu haben, obwohl der Roman inhaltlich doch harmloser als erwartet ist.