Und Nietzsche weinte von Irvin D. Yalom

  • Klappentext:
    1882: Die selbstbewusste junge Russin Lou Salomè spürt
    Josef Breuer, den angesehenen Wiener Arzt und Mentor
    Siegmund Freuds, in Venedig auf. Sie drängt ihn, dem
    suizidgefährdeten Freund Friedrich Nietzsche zu helfen,
    der unter betäubenden Kopfschmerzen leidet und von
    einer Obsession für sie befallen zu sein scheint.
    Breuer will ihn der neuartigen „Redekur“ unterziehen,
    die er gerade mit seiner Patientin Anna O. entwickelt hat.
    Um Nietzsche zum Reden zu bringen, beginnt Breuer von
    seiner eigenen Obsession für eine junge Patientin zu erzählen.
    Zwischen dem ruhigen, einfühlsamen Breuer und dem
    verschlossenen, verletzlichen Nietzsche entstehen heftige
    Rededuelle. Und Breuer muss schließlich erkennen, dass er
    Nietzsche nur heilen kann, wenn er seinerseits von ihm Hilfe
    annimmt.


    Der Autor:
    Irvin D. Yalom, 1931 als Kind russischer Emigranten in Washington
    geboren, ist emeritierter Professor für Psychiatrie an der Universität
    Stanford. Er veröffentlichte psychotherapeutische Standardwerke,
    psychoanalytische Geschichten und Romane


    The New York Times:
    Irvin D. Yalom beweist einmal mehr, dass Psychotherapie in den
    Händen eines fähigen Autors den Stoff für dir großartigste und
    einfallsreichste Belletristik liefern kann.



    Meine Meinung:
    Breuer und Nietzsche sind sich nie begegnet, aber Yalom erzählt
    die Geschichte so spannend und mitreißend, dass sie tatsächlich
    so hätte sein können.
    In diesem Buch prallt der einfühlsame und hilfsbereite Arzt Breuer
    auf den schwierigen und verschlossenen , dennoch hilfebedürftigen
    Nietzsche und es sind vor allem die Rededuelle der beiden, die
    das Lesen zu einem wahren Genuss machen.
    „Ein sicheres Leben ist gefährlich!" und „ Man liebt zuletzt seine Begierde
    und nicht das Begehrte!" sind nur zwei der zahlreichen Originalaussagen
    Nietzsches, mit denen der Leser sich in diesem Roman auseinander setzen muss.


    Dieses Buch ist aufgrund seines Tiefgangs zwar keine leichte Kost,
    aber dennoch einfach zu lesen; und obwohl mich der Schluss nicht
    so ganz überzeugt hat, finde ich es sehr empfehlenswert.


    Viele Grüße
    Kalypso

  • Ich habe das Buch richtig gerne gelesen. Man sollte sich auch nicht abschrecken lassen von dem Gedanken, dass es keine leichte Kost ist. Die Geschichte ist so toll geschrieben, dass man sich ohne große Probleme in die Gedanken einfinden kann, auch ohne Nietzsches Lehren besonders gut zu kennen.


    Am meisten hat mich in dem Buch Lou Samole fasziniert. Deshalb lese ich im Moment eine Biographie über sie. Wirklich eine sehr interessante Persönlichkeit.

    Illusionen werden aus Gedanken über das Leben geboren, aber sie sterben nicht am Denken, sondern am Leben.
    Lou Salome

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  • Ich liebe dieses Buch - und es ist m.E. mit Abstand das beste von Yalom:


    Es ist schon ein bißchen absonderlich, bei einem Buch, das sich weitgehend mit Psychoanalyse und nietzscher Philosophie beschäftigt, zu schreiben: Das schönste Happy-End, das ich seit sehr langer Zeit gelesen habe. Alleine, es ist so. Dieser ganz, ganz wunderbare Roman endet so vollkommen, daß ich geneigt war, es der Romanfigur (!) Nietzsche gleichzutun - und zu weinen.


    Protagonisten dieses Glanzstückes sind Dr. Josef Breuer, hochangesehener jüdischer Arzt im Wien des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts, dessen Protegé, der junge Sigmund Freud, Friedrich Nietzsche, verkannter Philosoph, dessen Erstlinge Auflagenstärken erzielen, die an heutige Druckkostenzuschußverlage erinnern, Lou Salomé, umtriebige und freiheitsliebende Frauenrechtlerin, und Bertha Pappenheim, die unter dem Pseudonym "Anna O." Einzug in die Geschichte der Psychoanalyse gehalten hat. Die Grundlagen des Buches sind authentisch; Breuer und Freud haben mit "Studien über die Hysterie" die Grundlage zur modernen Psychoanalyse gelegt, Breuers Patientin "Anna O." findet sich in fast allen Freud- und Breuer-Biographien.


    Yalom verknüpft die Figuren, indem er Nietzsche zum Patienten Breuers werden läßt; Breuer hat soeben mit der Unterstützung Freuds die ersten Gehversuche mit "Redekuren" unternommen, einer unorthodoxen Behandlungsweise von Patienten, deren Krankheitsbild sich der damals herkömmlichen Herangehensweise versagt. In Folge einer "Intrige" Lou Salomés, in die Nietzsche zutiefst unglücklich verliebt ist, begeben sich der Philosoph und der Wiener Arzt in ein Verhältnis, das anfangs geprägt ist von dem Versuch Breuers, das Vertrauen des schwierigen Patienten - Migräne, Misanthropie und abgrundtiefe Verzweiflung - zu gewinnen, das jedoch zusehens umschlägt in die Behandlung von Breuers Obsession, seiner süchtigen Scheinliebe zu Anna O.; die Parallelen dieser Obsession zu Nietzsches Besessenheit von Lou Salomé vereinen die beiden schlußendlich. Zwischen dem Beginn und diesem Ende stehen endlose Dialoge über Freiheit, Menschsein, Glaube, Pflicht, Treue, Philosophie und Psychologie - und die unglaublichen Reflexionen der beiden Protagonisten über den Zeitraum der Annäherung aneinander und an die Problemlösung hinweg.


    Die Brillanz des Werkes besteht in zwei Dingen: Zum einen in der eindringlichen Nähe, die Yalom zu seinen Figuren öffnet, ohne ihnen die Authentizität zu nehmen. Und zum anderen in der wissenschaftlichen Genauigkeit und Nachvollziehbarkeit der weltberühmten Protagonisten, die sich hier in "allzu menschlichen" Situationen befinden, ohne dabei ihre prominente Singularität zu verlieren. Ich habe alles von Nietzsche gelesen, und auch die "Studien" von Freud und Breuer, und es gibt keinen Bruch, sondern zum einen das Gefühl, diese Personen anhand der Fiktion näher kennengelernt zu haben, und zum anderen eine Verstärkung von deren Thesen quasi über ein praktisches Fallbeispiel. Ein Kunststück, bravourös, dem man die Sprödheit am Anfang sehr rasch verzeiht. LESEN!

  • Dieses Buch liegt auf meinem SUB, weil mir "Die rote Couch" so gut gefallen hat. Jetzt ist es gerade ein Stück nach vorne gerutscht! :-)
    Danke euch für den Anstoß!

    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das nicht allemal das Buch.
    Georg Christoph Lichtenberg

  • Kalypsos und Toms Rezis ist nichts hinzuzufügen -- ein wirklich wunderschönes Buch. Eine geschmeidige Sprache, wunderbar erzählt, und die gedanklichen Entstehungsvoraussetzungen von Nietzsches fast bekanntestem Buch Also sprach Zarathustra werden in großer Klarheit ausgebreitet.

  • Kurz gesagt: Es hat mich sehr beeindruckt. Ich habe es auf einer Busfahrt zwischen Rom und dem Lago Maggiore gelesen. Die Dialoge des Buches in Verbindung mit dem Zurücklegen des Weges...eindrucksvoll...

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Ich bin auch gerade dabei, dieses Buch zu lesen. Habe heute nacht bis um drei gelesen, weil ich mich nicht losreißen konnte. Sehr interessante Thematik mit Tiefgang, sowas mag ich. :-)


    Das ist bestimmt nicht das letzte Buch, was ich von Irvin D. Yalom gelesen habe.

  • "Und Nietzsche weinte" ist eines meiner Lieblingsbücher mit Ehrenplatz im Regal.
    Yalom schildert den Mensch Nietzsche und sein Drama so eindrucksvoll,daß man glaubt diesen zu kennen, wie einen alten Freund.
    Die Geschichte ist sehr durchdacht und mit Tiefgang,jedoch nie zu "hochtrabend" und in einer so wundervollen Sprache geschrieben,daß man selbst Kompliziertes spielerisch lesen kann.
    Einfach schön halt. :-]

  • Meine Meinung:


    Brillant! Fast alles beruht auf Tatsachen: Dr. Breuer ein großartiger Forscher seiner Zeit, der den ersten Schritt zur Psychoanalyse geleistet hat. Nietzsches Verzweiflung, Depressionen und Migräneanfälle. Die Behandlung der Anna O. als Fallsammlung von S. Freud und Breuer >Studie über Hysterie<. Die geheimnisvolle Lou Salomé, die Nietzsche fast zu Fall gebracht hat. Die enge Verbundenheit zwischen Breuer und Freud.



    Dies alles spielt sich tatsächlich im Jahre 1882 ab! Das einzige was nicht stimmt, ist, dass sich Dr. Breuer und Nietzsche wohl nie getroffen haben! Und das ist m. E. das Großartige an diesem Buch, denn es hätte sein können … Diese Verwebung, die Yalom hier knüpft, ist fast schon zu authentisch, man möchte es glauben können. (Schade, dass es nur fiktiv ist.)



    Weiterhin liefert dieser Roman sehr informative Einblicke in die Philosophie Nietzsches, aber auch in die beginnende Psychotherapie. Wenn auch die Lektüre „Also sprach Zarathustra“ schwer zu verstehen ist, da Nietzsche fast nur in Gleichnissen und Bildern spricht, schafft es Yalom leicht, diese schwierigen Gedankengänge nach zu vollziehen. Denn er lässt Dr. Breuer nachfragen, immer und immer wieder, er stellt genau die Fragen, die ich Nietzsche auch gefragt hätte. Sicher sind die Antworten subjektiv zu sehen, aber wenn man ein wenig, so wie es Nietzsche forderte, kritisch und skeptisch damit umgeht, kann man durchaus seine eigene Analyse finden.
    Bravo! Absolut lesenswert!

  • Ein wunderbares Buch! Nachdem ich es erstmal angefangen hatte, konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen.


    Besonders spannend fand ich, wie sich die Beziehung zwischen Breuer und Nietzsche entwickelt, die Positionen Arzt und Patient wechseln ständig und ganz nebenbei entwickelt sich eine Freundschaft. Die psychologisch-philosophischen Gespräche, welche Yalom die beiden führen läßt, sind so stimmig, als hätte es sie wirklich gegeben - fantastisch!


    Auf Eulenrezensionen ist eben Verlaß :knuddel1 , dieses Buch hat gute Chancen in die Reihe meiner Lieblingsbücher aufgenommen zu werden.