Mir ist völlig unerklärlich, warum diese Reihe (nach bald 20 Jahren Erfolg im Heimatland!) erst jetzt in Deutschland erscheint. Sehr erklärlich ist mir hingegen der Grund, warum Agatha Raisin in England zum Kult wurde: Sie ist, so scheint mir, ganz bewusst als Gegengewicht zu Miss Marple & Co. aufgebaut worden. Sie ist exzentrisch, sozial unbegabt, und resolut im Handeln. Und sie tritt in beinahe jedes verfügbare Fettnäpfchen... sicherlich beim ersten Erscheinen ein wahres Fest für Krimi-Fans in England!
Es stimmt, es werden in diesem ersten Band so gut wie keine Klischees ausgelassen, die das englische Dorfleben betreffen. Aber: durch Agathas herrlich rabenschwarzen Umgangston, und den auch sonst vorherrschenden schwarzen Humor, werden genau diese Details aufs Korn genommen, dass es nur so kracht. Ich verstehe die Schilderung des Dorflebens vor allem als liebevolle Satire, und habe sie intensiv genossen!
Agatha Raisin ist so herrlich anders, als eine "handelsübliche" Ermittlerin. Detektivin ist sie nie gewesen - nur erfolgreich in der PR-Branche. Ihre so erworbenen Fähigkeiten setzt sie sofort an ihrem neuen Wohnort um, und mischt so das Dorfleben herrlich auf. Ich wurde wirklich köstlich unterhalten!
Besonders glaubhaft machte diesen Band, dass Agatha selber so ihre Startschwierigkeiten mit dem Dorfleben hat. Sie sieht die Dörfler mit neutralen, ja kritischen Augen. Und die sie ebenso! Es entlockt dem Leser mehr als einen kräftigen Schmunzler, die gegenseitigen Gedanken der Personen zu verfolgen - die von mehr als leichtem Unverständnis geprägt sind...
Der Fall an sich ist herrlich unblutig, und vom Verlauf her "very british". Ich habe mich wie mitten in einem Inspector-Barnaby-Krimi gefühlt! Es gab auch keine allzu unlogischen Zufälle - Agatha zieht nur an genau den richtigen Stellen die richtigen Schlüsse. Am Ende wird es um Haaresbreite dramatisch, mit der Folge, dass sie dann doch in ihrem Cottage wohnen bleibt. Ein Ende, das mir gefallen und mich überzeugt hat.
Warum dann nur vier Sterne? Weil ich den Schreibstil der Autorin stellenweise als spröde und ein wenig sprunghaft empfunden habe. Vor allem gegen Ende gab es ein paar Schnitte, die mir zu plötzlich kamen. Und viele Sätze waren auch sehr kurz, sehr forsch formuliert. Andererseits passt das natürlich wunderbar zu Agathas Charakter. Nun ja. Insgesamt bin ich wirklich mehr als neugierig auf Agatha geworden, und werde mich garantiert mit den weiteren Bänden befassen!