Der Postbote

  • Er packte seine Taschen, wohl sortiert nach Laufrichtung. Wie lange machte er das jetzt schon, bald 23 Jahre. Dreiundzwanzig langweilige Jahre, die ihm unnütz erschienen. Zum Glück, dachte er nicht täglich über seine Routine nach. Schuber ging immer um 7.30h los, ausser Donnerstags, da war Heftchentag, was seinen Job nicht gerade leichter machte. Die Tasche war um vieles schwerer und auch der Gang dauerte dementsprechend länger. Oft war er an Donnerstagen erst spät Nachmittags wieder Zuhause.


    Das einzige, das er seinem Beruf abgewinnen konnte, waren die Intimitäten, die er durch Briefe und Karten, seiner Kundschaft, herauslesen konnte. Biedere Bürger bekamen Post vom Orionverlag, natürlich immer im diskreten Umschlag, aber Insider wussten wo es herkommt. Einschreiben vom Amtsgericht, die nichts Gutes bedeuteten. Dummerweise konnte er sein Wissen nirgends anbringen, schliesslich gibt es ein Postgeheimnis und Pflichtbewusst war er, dass konnte ihm niemand absprechen.


    Am liebsten trug er Postkarten aus, aus fernen Ländern, mit exotischen Namen und Briefmarken. Oft hatte er schöne Karten schon mit nach Hause genommen. Er nahm an, dass Urlaubskarten niemand vermisst, oft gehen solche Schreibstücke irgendwie unterwegs verloren.Das erklärte er auch oft seinen Kunden, wenn sie nach Postkarten fragten und bisher, hatte sich noch Niemand beschwert.
    Zuhause hortete er die besonders reizvollen Karten im Keller, und immer wenn Luise, seine Frau zu ihrem Trennkostabend ging, setzte er sich in den Keller, holte die Karten aus dem Pappkarton und träumte von weiten Reisen in exotische Länder.
    Er könnte es ja tun, dachte er immer bei sich, einfach abhauen. Aber er war Pflichtbewusst, dass konnte ihm keiner absprechen.


    Auch seiner verhassten Familie gegenüber. Die Kinder hasste er nicht, aber Luise seine Frau! Als er sie heiratete, war sie die Dorfschönheit, von allen jungen Männern wurde er damals um sie beneidet. Es war eine Mussheirat, und 2 Jahre später kam das zweite Kind. Alle seine Träume, auf See zu fahren und die Welt kennenzulernen, waren verflogen, Familie, Mietwohnung, Auto, das alles wollte finanziert sein. Und er war immer pflichtbewusst, dass konnte ihm keiner abstreiten.


    Vielleicht wäre alles nicht so schlimm gewesen, wenn Luise ihre jugendliche Schönheit nicht so schnell verloren hätte. Fett und aufgedunsen, sass sie im Jogginganzug, den ganzen Tag vor dem Fernseher, guckte Talkshows und erzählte ununterbrochen von ihrem schweren Tag, den sie nicht hatte. Einmal wöchentlich hatten sie noch Sex. Pflichtbewusst war er, dass konnte sie ihm nicht absprechen.


    Luise verstand die Welt nicht mehr, es war mittlerweile 20.30h und Schuber war noch nicht Zuhause. Sie ging zur örtlichen Polizeistelle und trug ihr Anliegen vor. Der Diensthabende beruhigte sie mit den Worten “ Ach Frau Schuber, ihr Mann wird mit seinen Kollegen noch einen trinken gegangen sein, warten sie mal bis morgen früh, dann taucht der schon wieder auf” Aber Luise wusste, dass er niemehr kam. Er war dreiundzwanzig Jahre lang immer Pflichtbewusst gewesen

  • Was unsere Alex so alles kann!
    Du erstaunst mich immer auf`s neue. :)


    Tja, für mein Weihnachtsbaumgeschichte ist es schon zu spät. Vielleicht so gegen Weihnachten wieder. ;)

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    Grüßle, Heaven


    Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. (Goethe) ;-)

  • Sehr gut geschrieben, aber beim Lesen kam mir unwillkürlich der Gedanke, was wäre, wenn so ein Postbote mal seine Erlebten Geschichten aufschreiben würde. Wäre bestimmt lustig.




    Tschüß Micha !!!

    Auf dem Dachboden lebten wir vier, Christopher, Carrie, Cory und ich.
    Nur drei gehen wieder fort von hier.


    V.C. Andrews