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'Schachnovelle' - Seiten 79 - Ende
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Dr. B. imponiert mir. Sein Sprechen imponiert mir noch mehr. Ich habe mich gefragt, ob dieses Sprechen auch für die damalige Zeit noch aktuell war. In diesem Abschnitt beispielsweise „...ein Frau kam weichen Gelenks heran...“, in Teil I „... ohne Ihre Verstattung ...“.
Interessant sein Einwand, erst auf dem Schiff hätte er den Mut zur Erinnerung aufgebracht. Das widerspricht in gewisser Weise meiner Vermutung zu Teil II, aber vielleicht nur, wenn es um das Erzählen des Erlebten geht. Das Gedenken an die Zeit der Folter, des Leidens und der Rekonvaleszenz werden ihm wohl die präzisen Worte erleichtert haben, könnte ich mir vorstellen.Ist zu wenig Zeit seitdem vergangen? Der Wahnsinn kehrt mir fast ein wenig zu rasch zurück. Czentovic vermag das zu erkennen, ein guter Beobachter muss er ja wohl sein, seinen Vorteil weiß er allzu gut daraus zu ziehen. Kein angenehmer Mensch, er scheint buchstäblich über Leichen zu gehen. Die Verwandlung von Dr. B. gemahnt ein wenig an Dr. Jekyll und Mr. Hyde, erstaunlich, dass er auf die Ansprache des Ich-Erzählers so rasch zu reagieren vermag. Aber das Wort von der dünnen Tünche über unserer Zivilisation kommt mir immer wieder in den Sinn.
Eine traurige Geschichte. Und die Schlusspointe? Für mich ist sie keine, sie verpufft, weil ich ähnliches von Czentovic erwartet habe.
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Das Ende verändert für mich alles noch mal.
Es kommt also zum Turnier und Dr. B. gewinnt - wie nicht anders zu erwarten. Doch Czentovic will nicht zugeben, dass er verloren hat, sondern wischt lieber alle Figuren vom Brett. Dies wirkte auf mich einerseits kindisch. Und auch boshaft. Ich kenne das jedenfalls so, wenn man beim Schach erkennt, dass man "matt" ist und nicht wirklich bis zum letzten Zug weiterspielen möchte, dass man dann den König hinlegt.
Aber Czentovic verwischt direkt alle Beweise für seine Niederlage und fordert: "noch eine Partie?"Dem stimmt Dr. B. leider zu. Warum? Ist er wirklich im Wahn - also krank - , oder brennt in ihm einfach der Wunsch, diesem "Möchtegern" solange zu zeigen, dass er nichts kann im Vergleich zu ihm, bis er einmal seine Niederlage wirklich zugibt? Und nie wieder eine Revanche fordert?
Czentovic wendet dieselben Methoden an wie auch die Nazis zuvor im Hotel. Den anderen bezwingen, indem man ihn endlos warten lässt. Das bestätigt mir meine erste Deutung dieser Person.
Und ich für mich denke ganz plump einfach, dass der "Wahn" des Dr. B. daraus resultiert, dass ein normaler Mensch mit Gewissen und dem Willen zur Reflexion einfach verrückt werden muss im System des Nationalsozialismus. Wenn ich das Schachspiel nehme als Symbol für den Kampf, die Faschisten nicht nur zu besiegen, sondern dass sie einsehen, dass sie verloren haben, weil einfach ihre Methoden falsch sind. Dann musste Dr. B. bei der zweiten Partie durchdrehen. Wie oft soll er denn noch beweisen, dass er besser ist als Czentovic, damit dieser einlenkt?
Immer hat er im Geiste Krieg geführt, jetzt endlich kann er richtig antreten, gewinnt sogar. Und trotzdem wird das nicht anerkannt. Da muss man doch durchdrehen.Das Ende fand ich besonders traurig. Für mich klang das nach: schade, ein begabter Mensch, wär er Nazi, dann könnte er es weit bringen.
Aber dies wollte Zweig nicht und hat sich daher das Leben genommen.Interessant fand ich die zwei englischen Ausdrücke am Ende. "Remember", als der Ich-Erzähler Dr. B. beruhigt. Und später von McConnor "Damned Fool".
Ich denke, damals war das nicht so üblich, dass man englische Begriffe verwendet. Daher deute ich das als: man sollte auf die Alliierten hoffen. Remember - es gibt Verbündete. Damned Fool: mit ein wenig mehr Stärke und Hoffnung, hätte Dr. B. noch zig mal gewinnen können.
Schade, dass Zweig das Kriegsende und die Veränderungen nicht mehr erlebt hat. Ich sehe das Buch ein wenig als seinen Abschiedsbrief. Und auch eine kleine Anklage an sich selbst. "Damned Fool" - warum hast Du nicht mehr getan oder wenigstens mehr gehofft? Statt aufzugeben.
Huch, so viel, sorry. Aber das ist erst mal das, was mir so in den Sinn kam.
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Eine tolle Novelle. Ich bin wirklich froh sie gelesen zu haben.
Mit Frettchens Interpretation gehe ich nicht so ganz konform.
Für mich zeigt das Schachspiel und die Novelle auf, dass jeder Einzelne seine Spielfigur zu setzen vermag, wenn er sich traut. Aber jeder sollte auch seine Grenzen kennen. Bei der eltzten Schachpartie sitzen sich zwei wahre Könner gegenüber. Czentovic beendet das eine Spiel, weil er bemerkt, dass er nur noch verlieren kann und das Weiterspielen einfach nur seine Niederlage klar aufzeigt. Klarer als jetzt, wo diejenigen, die nicht über den einzelnen Spielzug gut genug hiansudenken kann, das Ende noch nicht sehen können. Für Dr. B und Czentovic ist Czentovics Niederlage jedoch vorhersehbar und unabänderlich. Es ist ihre Sprache, die sie in dem Moment teilen.
Zu der letzten Partie sagt Dr. B. zu, weil seine Sucht wieder erweckt wurde. Genauso wie ein Glas Alkohol einen Alkoholiker dazu verführt noch mehr zu trinken, ohne ein Ende zu kennen. Er kann sich nicht mehr kontrollieren. Seine im Hotel Metropolis begonnene Sucht ist noch lange nicht geheilt und hat neue Nahrung gefunden. Deshalb verselbstständigt sich bei ihm das Spiel dann auch. Über einen langen Zeitraum hinweg war er es gewohnt gewesen nur gegen sich selbst zu spielen. So sehr, dass sein Kopf sogar im Schlaf weitergespielt hat. da brauchte er nicht sehr lange zu warten. Czentovic hat beobachtet, dass das Warten Dr. B. nervös werden lässt und das nutzt er aus, um nicht noch einmal zu verlieren. Immerhin ist er der Weltmeister und möchte es bleiben. Er kennt ja auch nicht Dr. B.`s Hintergrund und spielt durchaus im Rahmen der Regeln, die sie sich gesteckt haben. Er dehnt sich nicht, sondern nutzt seine Zeit einfach aus. Und diese Zeit ist es, die es bei Dr. B. schafft, seinen Kopf wieder gegen sich selbst spielen zu lassen. Das reale Spielbrett verschwindet und er erliegt seiner Sucht und ist blind für das reale Spielfeld.
Diese Blindheit könnte man auch bei den Nazis gesehen haben, doch könnte diese Verbindung etwas weit hergeholt sein.
Auf jeden Fall ist ein vormals normaler gesunder Geist nicht von Nöten, um einen beschränkten Geist zu besiegen. Jeder der beiden hat eine Chance, sie sind gleichwertig und doch reagieren beide anders in der jeweiligen Situation. Es sind die Spielarten, die man hat, wenn einem Leid geschieht. Entweder geduldig abwarten und seinen eigenen Spielstein strategisch und überlegen setzen. Oder im Angesicht der ereignisse den Kopf verlieren und zu weit alleine vorauszudenken, ohne auf die Reaktion des Gegenüber zu schauen. -
Ich bedaure es sehr, dass ich diese Novelle schon ausgelesen habe.
Nun ist genau das Gegenteil meiner Vermutung, die ich im letzten Abschnitt geäußert habe, passiert. Statt ihn vor dem Wahnsinn zu bewahren, hat ihn das Schachspiel gegen sich selbst in den Wahnsinn getrieben. Dr. B. erkrankt an einer Schachvergiftung. Das abschließende Spiel holt ihn wieder in die Wirklichkeit, er testet, ob er noch Herr seiner Sinne ist. Die stoische Ruhe Czentovics brigt Dr. B. aus der Fassung, er wird rückfällig, die Folgen der "Schachverfiftung" sind deutlich erkennbar. Das behutsame Eingreiden des Erzählers verhindern Schlimmeres. Dr. B. gibt die Partie auf, er kann den Wahn stoppen- in diesem Moment ist er für mich der Gewinner. Der errungene Sieg liegt nicht auf dem Schachbrett, sondern darin, dass er seinen Geist wieder beherrschen kann.
ZitatOriginal von Frettchen
Das Ende verändert für mich alles noch mal.
Es kommt also zum Turnier und Dr. B. gewinnt - wie nicht anders zu erwarten. Doch Czentovic will nicht zugeben, dass er verloren hat, sondern wischt lieber alle Figuren vom Brett. Dies wirkte auf mich einerseits kindisch. Und auch boshaft. Ich kenne das jedenfalls so, wenn man beim Schach erkennt, dass man "matt" ist und nicht wirklich bis zum letzten Zug weiterspielen möchte, dass man dann den König hinlegt.
Aber Czentovic verwischt direkt alle Beweise für seine Niederlage und fordert: "noch eine Partie?"
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Das habe ich nicht so empfunden. Das Wegfegen der Figuren vom Brett zeigt, dass er aufgibt und ist die erste emotionale Reaktion, die Czentovic zeigt. Er ist doch nicht so ganz ruhig wie es den Anschein hat.ZitatOriginal von Frettchen
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Dem stimmt Dr. B. leider zu. Warum? Ist er wirklich im Wahn - also krank - , oder brennt in ihm einfach der Wunsch, diesem "Möchtegern" solange zu zeigen, dass er nichts kann im Vergleich zu ihm, bis er einmal seine Niederlage wirklich zugibt? Und nie wieder eine Revanche fordert?
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Ja, ich denke, Dr. B. ist wirklich geistig erkrankt. In dem Turnier gegen Czentovic sehe ich eher, dass Dr. B. ein Spiel gegen sich selbst führt, einen Test, ob er der eigenen Schizophrenie wieder entkommen ist. Der eigentliche Gegner ist die Folge der Isolationshaft.Kann mir einer von euch eine Biographie über Zweig empfehlen? Ihc möchte unbedinbt mehr über diesen Menschen erfahren.
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Zitat
Original von Regenfisch
Das behutsame Eingreiden des Erzählers verhindern Schlimmeres. Dr. B. gibt die Partie auf, er kann den Wahn stoppen- in diesem Moment ist er für mich der Gewinner. Der errungene Sieg liegt nicht auf dem Schachbrett, sondern darin, dass er seinen Geist wieder beherrschen kann.Als Gewinner sehe ich ihn überhaupt nicht. Eher als machtlos. Er verfügt zwar über Wissen, Intelligenz etc., kann diese aber nicht einsetzen, weil er sonst wieder wahnhaft wird. Und Czentovic kommentiert ja auch noch: "Schade. Der Angriff war gar nicht so übel disponiert. Für einen Dilettanten ist dieser Herr eigentlich ungewöhnlich begabt."
Wo soll der Sieg liegen, wenn man zwar über Talente verfügt, diese aber nicht einsetzen kann? (Ich bleibe ja immer noch bei meiner Deutung, dass Czentovic für den Nationalsozialismus steht und die Partie gegen ihn symbolisch gemeint war) Was nutzt mir mein Geist, wenn ich ihn nicht einsetzen kann, um die Welt zu verbessern?Ich bin keine Freundin von hochtrabenden Analysen. In der Schule hatte ich bei sowas immer eine 4, weil ich mich geweigert habe, da was reinzudeuten, was nicht sein muss.
Aber bei diesem Buch liegt das für mich auf der Hand, dass Zweig sehr viel mehr sagen wollte. Er hat das Manuskript verschickt und sich am nächsten Tag das Leben genommen. ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass er als Abschiedsworte einfach nur berichten wollte über einen dumpfen Menschen (den hier manche ja sogar als Autisten sehen) und einen ehemaligen Gefangenen, der "schachsüchtig" geworden ist.
ich denke, mit dem Schachspiel gegen sich selbst ist vielleicht auch das eigene Gewissen gemeint. Wie gesagt, eigentlich deute ich nicht so gerne herum, aber hier denke ich, dass man das alles nicht so wörtlich nehmen sollte. Die Spiele gegen sich selbst waren vielleicht nicht nur Ablenkung, sondern sollten vielleicht die Kämpfe im Innern darstellen.
Denn Dr. B. steht doch immer unter Druck: rette ich mich oder meine Freunde? Was sage ich aus? Das Schachspiel also nicht nur als Beschäftigung, um in der Isolation nicht den Verstand zu verlieren, sondern vielleicht auch als Bild für die inneren Kämpfe. Ich kann mich da gar nicht reinversetzen. Man sagt ja immer so leichtfertig: also ich würde ja...., und dann tut man immer das Richtige. Aber ich möchte für mich nicht die Hand ins Feuer legen, dass ich nicht vielleicht Freunde ans Messer liefern würde, wenn mein eigenes Leben bedroht wäre und ich gefoltert würde. Von daher symbolisiert das Schachspiel für mich auch diesen inneren Kampf, den wohl jeder, der nicht skrupellos ist und trotzdem an seinem Leben hängt, ausfechten muss in so einer Situation.Und wenn ich die Spiele als Bild nehme, dass er im Innern kämpft, wie er sich verhalten soll. Dann kann ich das Ende nur als Kapitulation werten. Den Kampf ganz aufgeben, weil man die Spannung nicht mehr aushält. Und das hat Zweig ja leider auch getan.
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Zitat
Original von Frettchen
(Ich bleibe ja immer noch bei meiner Deutung, dass Czentovic für den Nationalsozialismus steht und die Partie gegen ihn symbolisch gemeint war)Und da verstehe ich überhaupt nicht, wie Du darauf kommst. Wenn Czentovic tatsächlich symbolisch für den Nationalsozialismus stehen würde, warum hat Zweig ihn dann lediglich mit einer Eigenschaft (Dummheit) ausgestattet bzw. einer zweiten (Geldgeilheit), die aber m.E. aus der ersten resultiert? Der Nationalsozialismus war doch eher deshalb so gefährlich, weil seine Vertreten eben gerade nicht in erster Linie dumme Menschen waren.
Auch der Anlass der Verhaftung von Dr. B. ist von einem typisch nationalsozialistischen Motiv recht weit entfernt. Natürlich hatte Dr. B. unter der unmenschlichen Folter der Nazis zu leiden und hier würde ich eher eine Parallele zu Zweigs Biografie ziehen, aber Czentovic, der mir wie einer der unpolitischsten Menschen der Welt scheint, stellvertretend für das NS-Regime hinzustellen, geht mir persönlich zu weit.
Letztlich kann ich Czentovic nicht einmal vorwerfen, dass er in den Partien mit Dr. B. die Regeln des Spiels ausgereizt hat. Genau das psychologische Element ist etwas, das sich sämtliche Großmeister zu eigen machen, wenn sie spielen. Dass Dr. B. diese Psychospielchen nicht ertragen hat, ist eine Konsequenz der Folter, die er erlitten hat. Er steigert sich in seinen Wahn und droht, daran zu zerbrechen.
Als negativen Gegenpart zum Ich-Erzähler und zu Dr. B. sehe ich in der Erzählung eigentlich vielmehr McConnor, den erfolgsbesessenen, machthungrigen Menschen, der auch durch eine Niederlage nichts dazu lernt.
Es kann natürlich sein, dass Zweig es damals so gemeint hat, wie Du es interpretierst, aber für mich ergibt sich aus heutiger Sicht einfach ein anderer Blickwinkel auf die Geschichte. Früher hat man noch keine Ahnung von Autismus, von Inselbegabungen gehabt. Im Gegenteil, derartige Menschen wurden als Untermenschen klassifiziert und gerade unter den Nationalsozialisten genauso verfolgt, gefoltert und getötet wie der intellektuelle Widerstand. Die Abwertung eines Menschen einzig aufgrund einer geistigen Minderleistung erscheint mir gerade im Hinblick auf die NS-Vergangenheit überhaupt nicht angebracht. Und wie oben schon erwähnt, ist die geistige Zurückgebliebenheit das einzige, was Zweig nur negativen Einordnung von Czentovic anführt und diese Einordnung wird durch die Bank durch intellektuell überlegene Menschen vorgenommen.
Gerade auch Czentovics Reaktion auf das verlorene Spiel (Umwischen sämtlicher Figuren statt sich stolz geschlagen zu geben, indem er den König liegt), zeugt für mich von einem schlichten Gemüt, von fehlender geistiger Reife. Aber kann man Czentovic das wirklich zum Vorwurf machen? Kann man ihn deshalb als personifizierten Nationalsozialismus darstellen? Das fällt mir schwer.
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Ich denke, die "Schachnovelle" in eine Richtung zu interpretieren wäre viel zu kurz gegriffen und würde diesem Meisterwerk nicht gerecht werden.
Zweifelsohne war Zweig dieses letzte Werk sehr wichtig. In meiner Ausgabe steht, dass er gleich drei Typoskripte einen Tag vor seinem Selbstmord zur Post brachte. Wie er in einem Brief schreibt, sieht er kein breites Lesepublikum für sein Büchlein, das zu groß für den Abdruck in einer Zeitung, zu klein für ein Buch, zu abstrakt für das große Publikum, zu abseitig in seinem Thema sei. Dennoch vergleicht er sich mit den Müttern," die ihre schwächlichen, anderseits begabten Kinder zärtlich ans Herz drücken." (S.126)
Der Bezug zum Nationalsozialismus ist da, das sehe ich auch so. Trotzdem kann und möchte ich keine eindeutigen Zuordnungen vornehmen, wie du es tust, Frettchen.
Warum ist Dr.B. ein dem Kaiser und dem Kloster (katholisch?) nahestehender Anwalt und kein Jude?
Warum nimmt die Schilderung der Folter einen so großen Raum ein? Warum erhält er keinen Namen und bleibt anonym?Meine Antworten darauf sind, dass Zweig auch den psychischen Zusammenbruch eines Menschen aufzeigen wollte, der es schafft, sich aus den Fängen der Nazis zu befreien. Das ist ein großer Sieg in meinen Augen. DIe Namensloigkeit könnte daher rühren, dass er dieses Schicksal stellvertretend für die vielen Opfer des Nationalsozialismus beschreibt.
Es bleibt offen, ob es Dr. B. gelingt, psychisch wieder stabil zu werden, was in meinen Augen fast unmöglich ist. Ob er weiterlebt, in Buenos Aires Fuß fassen kann, all das bleibt offen. -
Zitat
Original von Regenfisch
Ich denke, die "Schachnovelle" in eine Richtung zu interpretieren wäre viel zu kurz gegriffen und würde diesem Meisterwerk nicht gerecht werden.Ja, das denke ich auch. Das steckt sehr Vieles drin.
ZitatOriginal von Regenfisch
Zweifelsohne war Zweig dieses letzte Werk sehr wichtig. In meiner Ausgabe steht, dass er gleich drei Typoskripte einen Tag vor seinem Selbstmord zur Post brachte. Wie er in einem Brief schreibt, sieht er kein breites Lesepublikum für sein Büchlein, das zu groß für den Abdruck in einer Zeitung, zu klein für ein Buch, zu abstrakt für das große Publikum, zu abseitig in seinem Thema sei. Dennoch vergleicht er sich mit den Müttern," die ihre schwächlichen, anderseits begabten Kinder zärtlich ans Herz drücken." (S.126)Das ist sehr interessant, danke.
ZitatOriginal von Regenfisch
Meine Antworten darauf sind, dass Zweig auch den psychischen Zusammenbruch eines Menschen aufzeigen wollte, der es schafft, sich aus den Fängen der Nazis zu befreien.Ja, das glaube ich auch. Wobei ich es so deute, dass es eigentlich egal ist, aus wessen Fängen er sich befreit. Der Sieg des Geistes über die Diktatur, das ist für mich das Entscheidende.
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Original von Regenfisch
Kann mir einer von euch eine Biographie über Zweig empfehlen? Ihc möchte unbedinbt mehr über diesen Menschen erfahren.Ich kenne zwei, die "alte" Biografie von Donald Prater, bei der ich allerdings nicht weiß, ob es sie noch regulär gibt, und die "neue" von Oliver Matuschek. Empfehlen kann ich beide.
Und ganz unbedingt zu empfehlen ist Zweigs Buch "Die Welt von Gestern". Es ist seine Autobiografie, geht aber meines Erachtens weit über das hinaus, was man so Autobiografie nennt. Eben das Porträt einer untergegangenen Welt, in der er ein Protagonist war. Es ist - neben den "Sternstunden der Menschheit" - das Buch von Zweig, das zu lesen ich nie müde werde. -
Vielen Dank, Lipperin! Die Bücher habe ich mir notiert.
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Ich kann Frettchens Vergleichen mit dem Nationalsozialismus schon etwas abgewinnen. Und Czentovic sehe ich keinesfalls als du mm, sondern eher als ungebildet an. Dr. B hat auch was von Zweig, der letztlich den Kampf gegen den Gegner doch nicht gewinnen kann und kampflos (durch Suizid) das Feld räumt.
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Original von Enchantress
Und da verstehe ich überhaupt nicht, wie Du darauf kommst. Wenn Czentovic tatsächlich symbolisch für den Nationalsozialismus stehen würde, warum hat Zweig ihn dann lediglich mit einer Eigenschaft (Dummheit) ausgestattet bzw. einer zweiten (Geldgeilheit), die aber m.E. aus der ersten resultiert? Der Nationalsozialismus war doch eher deshalb so gefährlich, weil seine Vertreten eben gerade nicht in erster Linie dumme Menschen waren.
Dummheit deute ich eher im Sinne von nicht aufgeschlossen, desinteressiert an allem, was einem selbst nicht zugute kommt etc. Wenig reflektiert. Ich glaube nicht, dass der Nationalsozialismus so gefährlich war, weil seine Vertreter so schlau waren, sondern weil sich genug "Dumme" fanden, die mitgemacht haben. Ich habe das oben auch falsch ausgedrückt, für mich ist Czentovic eben der typische Mitläufer. Die Gefahr sind doch nicht die Gebildeten, die rhetorisch top sind und tolle Reden schwingen. Sondern all jene, die das Ganze dann blind glauben, ohne sich wirklich Gedanken zu machen. Oder denen alles egal ist, Hauptsache sie kommen zu ihrem Vorteil.
Zweig schreibt doch: "Nun hatten die Nationalsozialisten, längst ehe sie ihre Armeen gegen die Welt aufrüsteten, eine andere ebenso gefährliche und geschulte Armee in allen Nachbarländern zu organisieren begonnen. Die Legion der Benachteiligten, der Zurückgesetzen, der Gekränkten." (Seite 51) Und dieser Legion sehe ich Czentovic zugehörig.ZitatOriginal von Enchantress
Früher hat man noch keine Ahnung von Autismus, von Inselbegabungen gehabt. Im Gegenteil, derartige Menschen wurden als Untermenschen klassifiziert und gerade unter den Nationalsozialisten genauso verfolgt, gefoltert und getötet wie der intellektuelle Widerstand. Die Abwertung eines Menschen einzig aufgrund einer geistigen Minderleistung erscheint mir gerade im Hinblick auf die NS-Vergangenheit überhaupt nicht angebracht. Und wie oben schon erwähnt, ist die geistige Zurückgebliebenheit das einzige, was Zweig nur negativen Einordnung von Czentovic anführt und diese Einordnung wird durch die Bank durch intellektuell überlegene Menschen vorgenommen.Als Autisten sehe ich Czentovic überhaupt nicht. Er kann sich doch gut ausdrücken und seinen Willen durchsetzen. Und Czentovic ist für mich nicht unsympathisch, weil er nicht der hellste ist, sondern weil er arrogant und selbstverliebt ist. Und die Schilderung seiner Kindheit, wenn ich mich recht erinner, basiert nur auf Anekdoten von "Neidern", ob er also als Kind wirklich so stumpfsinnig war, dass er fast autistisch wirkte, kann man anzweifeln. Unsympathisch macht ihn doch sein Verhalten als Erwachsener - herablassend etc. An seinem Verhalten als Erwachsener kann ich jedenfalls nichts autistisches sehen.
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Ich erlaube den folgenden kurzen Einwurf. Diese Novelle von Stefan Zweig wurde mit Curd Jürgens in der Hauptrolle sehr eindrucksvoll verfilmt.
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Zitat
Original von Voltaire
Ich erlaube den folgenden kurzen Einwurf. Diese Novelle von Stefan Zweig wurde mit Curd Jürgens in der Hauptrolle sehr eindrucksvoll verfilmt.Danke für den Hinweis, Voltaire.
Es gibt ein kleines Filmchen dazu, das habe ich mir mal angeschaut. Aber mehr wird es für mich nicht, der Schauspieler, den ich als Dr. B. identifiziert habe, entspricht so gar nicht meiner Vorstellung von einem Ex-Gestapo-Gefangenen mit "kreidiger Blässe"; auch der Rest mundete mir wenig. Aber Filme sind ja eh nicht so das Meine, verstehen tu ich dementsprechend wenig davon.