Ihr kennt mich nicht - David Klass (ab ca. 14 J.)

  • OT: You Don't Know me 2001


    John definiert seine Welt aus einem ‚Nicht’ heraus. Es ist nicht das ‚Nicht’ einer altersbedingten Verweigerungshaltung, sondern das ‚Nein’ eines Jugendlichen, der unversehens mit einer Realität konfrontiert ist, die Schrecken birgt, die ihn überfordern. Er verbirgt sich hinter seinem Nicht-sein und klagt zugleich an. Er wird übersehen, nicht erkannt, vernachlässigt.
    Johns Vater hat ihn und seine Mutter verlassen, ein neuer Mann ist bei ihnen eingezogen. Er prügelt den Jungen, die Mutter scheint das nicht zu merken. Von Johns Selbstwertgefühl, das Pubertätsbedingt ohnehin schwächelt, ist nicht mehr viel übrig. John ist fantasievoll, musikalisch und er macht sich gern Gedanken über alles, was ihm begegnet. Seine Zwangslage aber macht ihn verschlossen und ein wenig versponnen.


    Klass läßt John selbst erzählen. Dem Jungen durch seine originellen inneren Weltentwürfe zu folgen ist nicht immer ganz leicht. Er verteilt ungeniert böse Spitznamen, überträgt seine Wünsche, sein persönliches Elend hinter sich zu lassen auf andere, lebt mit seiner Tuba in einem Dauerkampf um die Oberherrschaft. Was vor seiner Nasenspitze liegt, sieht er nicht. Seine Abwehrhaltung ist konsequent durchgehalten, es gibt kein Korrektiv. Beim Lesen muß man selbst darauf achten, daß man einen Standpunkt findet, John hilft einer nicht dabei. Das macht diesen Jugendroman zu einer anspruchsvollen, aber streckenweise auch anstrengenden Lektüre. Die Sprache ist vermeintlich einfach, Klass arbeitet mit Wiederholungen, weitgehend ohne Teenagerslang, dafür im Ton rhythmisierend, die der Sprache der Intonation junger Menschen annähert, eine Leistung für sich.


    Der Autor kennt die Nöte junger Teenager recht genau, die Peinlichkeiten, Albernheiten,. schieren Dummheiten, aber auch die Ängste, die Kämpfe um Anerkennung, die Bemühungen, das Richtige zu tun und die elende Hilflosigkeit, wenn es schon wieder schief geht. das ist ausgezeichnet geschildert und macht John zu einer überzeugenden Figur.


    Er durchwandert einige Höllen in dieser Geschichte, auch die der ersten Liebe. Dabei greift der Autor wacker zu einigen Klischees, etwa, was das Verhalten besorgter Väter von Töchtern angeht. Die slapstickhaften Szenen können aber durchaus als Versuche Johns gelesen werden, etwaige Desaster mit Humor zu nehmen. Das macht die Übertreibungen dann wieder erträglich. Der Showdown ist recht gewalttätig, der Schluß eine Spur zu sentimental. Trotzdem bleibt der Eindruck eines besonderen Jugendbuchs, mit einer ganz eigenen Stimme.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Gelesen habe ich die US-amerikansiche Originalausgabe, allerdings die Billig-TB-Ausgabe. Sie ist recht lieblos gemacht, das Papier ist dünn und wird schon braun, es ist einfachste Klebebindung. Beim Lesen hat sich das Ganze aber als erstaunlich haltbar erwiesen.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus