Berlin-Journal
Gebundene Ausgabe: 118 Seiten
Verlag: Literaturverlag Droschl
Kurzbeschreibung:
Schon auf der ersten Seite dieses Berlin-Journals ist die Stadt gesättigt von Geschichte und ihren Schrecken und von Gegenwart, der Gegenwart der ganzen Welt. Ilma Rakusa bewegt sich hellwach und offen durch die unterschiedlichen Quartiere und "Zeiten" Berlins, zwischen den Erinnerungsstätten nationalsozialistischen Terrors und den Galerien, Kinos, Theatern und Cafés der Gegenwart, zwischen Schriftstellern aus Japan, dem Libanon und der Türkei und Bibliotheken, Hinterhöfen und Parks. Als Fellow des Wissenschaftskollegs weilt sie von Oktober 2010 bis Juli 2011 vor Ort und lernt, selber eine Autorin mit vielfältigsten Wurzeln und Sprachen, Künstler und Intellektuelle unterschiedlicher Herkunft kennen.
Ein unvergleichliches Jahr in einer unvergleichlichen Stadt. Mit ihrer nervösen Prosa hält Ilma Rakusa die Wahrnehmungen dieser Tage fest: die Katastrophen, die die Nachrichten ihr zutragen (vom Giftschlammdesaster in Kolontár bis Fukushima), die sozialen Verwerfungen, mit denen sie auf Schritt und Tritt konfrontiert ist, die Kulturereignisse, die Lektüren, vor allem die zahllosen Begegnungen mit Kollegen und Kolleginnen wie Yoko Tawada, Elias Khoury, Carlo Ginzburg oder Liao Yiwu. Ein ebenso sensibles wie dichtes Porträt Berlins, dieser Metropole der Unruhe und einer der phantasievollsten Weltstädte unserer Zeit.
Über die Autorin:
Ilma Rakusa, 1946 in der Slowakei geboren, seit 1951 in Zürich. Schriftstellerin, Literaturkritikerin, Übersetzerin (u.a. Tschechow, Zwetajewa, Duras, Kiš, Kertész, Nádas). Sie erhielt u.a. den Petrarca Übersetzerpreis, den Adelbert- von- Chamisso- Preis und für Mehr Meer den Schweizer Buchpreis.
Von ihren zahlreichen Werken erschienen bei Droschl ihre Poetikvorlesungen Farbband und Randfigur (1994), der Essay Langsamer! Gegen Atemlosigkeit, Akzeleration und andere Zumutungen (2005) und die autobiografischen »Erinnerungspassagen« Mehr Meer (2009).
Mein Eindruck:
Ich lese sehr gerne Tagebücher oder Journale. Voraussetzung ist aber, dass der Autor einen genauen Blick für die Dinge hat und gut beobachten kann. E sollte ein vielfältiges Interesse und möglichst wenig Nabelschau vorhanden sein. Dann sollte auch noch über etwas geschrieben sein, was auch mein Interesse trifft.
Und das ist bei Ilma Rakusa erfreulicherweise im überreichlichen Maße zutreffend. Ob sie von Kinobesuchen bei Filmen von Woody Allen oder der Berlinale schreibt, Peter Esterhazy, Imre Kertesz, Elke Erb, Yoko Tawada oder Elias Khoury trifft. Ihr Leben in Berlin ist von Kunst und Literatur geprägt. Das alles und noch viel mehr finde ich spannend, auch wenn sie zum Beispiel ihre Erkenntnisse über Friedericke Mayröcker schreibt. Das wichtigste ist aber, wie sie die Stadt Berlin und ihre Einwohner empfindet und wie sensibel und sorgsam sie ihre Beobachtungen beschreibt.
Ich mag außerdem die warmherzige Art der Autorin und ihren leisen Humor.
Es ist die Zeit von Oktober 2010 bis Sommer 2011, die Ilma Rakusa in Berlin weilt. Ihr Blick ist wirklich weit aufgerissen, sehr klar und wie ich glaube, der Stadt zugetan, obwohl es auch kritisches gibt.
Sie widmet sich auch dem Zeitgeschehen, wie dem Vorfall in Fukushima, dem Tod Osama bin Ladens oder das Frauenfussball-WM-Finale.
Zu loben ist außerdem die gute Buchgestaltung vom Droschl-Verlag. Es sind auch Fotos der Autorin, die sie in Berlin aufgenommen hat, im Buch enthalten.
Spät im Monat so ein Highlight!