Kurzbeschreibung
Henner hat seinen Sohn an ein Internet-Computerspiel verloren. Jedenfalls denkt er das manchmal. Patrick, siebzehn Jahre alt, sieht das völlig anders. Seit Monaten verbringt er als die Zornelfe Pocahonta jede freie Minute mit Mr. Smith, dem Barbar. Zusammen sind sie ein unschlagbares Team. Und vielleicht sogar mehr.
Denn Mr. Smith ist Nevena, ein siebzehnjähriges Mädchen, das angeblich in Belgrad lebt. Sie ist ebenso quirlig wie nachdenklich, dazu der Kummerkasten und der gute Geist ihrer leicht verrückten Großfamilie. In immer neuen Mails schildert sie ihre Welt aus Betriebsamkeit und Miteinander, eine Welt, die für Patrick mit dem Tod seiner Mutter untergegangen ist.
Als Nevena von einem Tag auf den anderen aus dem Spiel und aus dem Netz verschwindet, ist Patrick verzweifelt. Über die wirkliche Nevena weiß er nur wenig, er kennt nicht einmal ihre Adresse. Da bietet ihm Henner an, Nevena gemeinsam zu suchen. Im Wohnmobil der verstorbenen Mutter beginnen sie eine Reise, die sie durch die schreckliche Geschichte des ehemaligen Jugoslawiens führt und unversehens eine spannende Reise zur eigenen Identität wird.
Meine Meinung
Dieses Buch habe ich zufällig in der Onleihe gefunden und spontan ausgeliehen. Fasziniert haben mich die verschiedenen Aspekte des Buchs: das Zerbrechen einer Familie nach dem Tod der Mutter, die Welt der Online-Spiele, in die der Sohn abtaucht und dort quasi eine parallele Realität erlebt, die Geschichte des Balkans im zwanzigsten Jahrhundert, die sich für Vater und Sohn auf ihrer abenteuerlichen Reise als eine völlig fremde Welt erschließt.
Die Charaktere und ihre Gefühle der Trauer, der Verwirrung und ihre Hilflosigkeit sind gut beschrieben, der vorsichtige Versuch von Vater und Sohn, ihre Beziehung neu aufzubauen, hat mich sehr berührt. Nevena selbst blieb mir allerdings fremd.
Einige Ereignisse auf der Reise erschienen mir nicht ganz stimmig, die Charaktere, die sie auf ihrer Suche treffen, bleiben flach und die jüngere Geschichte des Balkans, ein wichtiges Element und Beweggrund für Nevenas Handeln, wird mir zu oberflächlich abgehandelt.
Positiv fiel mir auf, dass zwar die Probleme einer virtuellen Realität, das Lügen über die eigene Identität im Netz thematisiert werden, aber das Medium an sich nicht verteufelt wird. Stereotype Warnungen vor den Gefahren des Internets und seiner Communities unterbleiben, auch wenn dem Sohn auf der Reise schmerzlich bewusst wird, wie wenig er doch eigentlich über das Mädchen weiß, die sich im Verlauf des letzten Jahres zur wichtigsten Person in seinem Leben entwickelt hat, wie viele Lügen ihm erzählt wurden.
Das Ende erschien mir ein wenig abrupt, für mich blieben einige Fragen offen.
Wertung: 7 von 10 Sternen