Sommerstück - Christa Wolf

  • SommerstückVon Christa Wolf


    Geschrieben 1982/83, überarbeitet 1987, Erstausgabe 1989
    Meine Hardcover-Ausgabe hat 221 Seiten


    Über die Autorin:


    Christa Wolf wurde am 18.03.1929 in Landsberg/Warthe geboren und verstarb am 01. Dezember 2011. Sie studierte in Jena und Leipzig Germanistik. Bis zum Jahre 1989 war sie Mitglied der SED.


    Von 1953-59 arbeitete sie in Berlin als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutschen Schriftstellerverband, anschließend bei der Zeitschrift „neue deutsche literatur“ als Lektorin und Redakteurin.


    Nach der Tätigkeit als Cheflektorin beim Verlag Neues Leben war sie von 1959-62 Lektorin des Mitteldeutschen Verlags in Halle. Danach war sie freie Schriftstellerin.


    Da sie zu den Unterzeichnern des offenen Briefes gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns gehörte, wurde sie 1976 aus dem Vorstand der Berliner Sektion des Schriftstellerverbandes der DDR ausgeschlossen (Quelle Wikipedia) und musste sich immer schärferen Kritiken seitens der Regierung ihre schriftstellerischen Werke betreffend stellen.


    Wer mehr über die Autorin erfahren möchte, sollte sich den Artikel bei Wikipedia durchlesen.


    Zu Christa Wolfs bekanntesten Werken gehören „Kein Ort. Nirgends“, „Störfall“ und „Kassandra“.


    Zum Buchinhalt:


    Ein schöner Sommer, ein „Jahrhundertsommer“, wie es später heißen wird, nach einem frostigen Winter, ein mecklenburgisches Dorf, eine Handvoll Menschen, die sich dort zusammenfinden, als suchten sie Zuflucht beieinander.


    Zurückgewiesen, an den Rand gedrängt, haben sie die Stadt hinter sich gelassen; jetzt zeigen sie einander die alten Bäume, Reetdach-gedeckte Katen und erkunden gemeinsam die neue Umgebung. Manchmal haben sie sogar das Gefühl, nach Hause gekommen zu sein.


    Ein neuer Anfang scheint möglich, und mit ihm Freundschaft, Nähe, Glück. Alles Schöne scheint mit der Fähigkeit begabt, sich viele Male zu wiederholen.


    „Und wenn der Rest unserer Tage auf diesen Tag zusammenschmolz – heute lebten wir, wie man leben soll, und darauf kam es an.“


    Ein Buch der Erinnerung – ein Nachdenken über Aufbrüche, gescheiterte Entwürfe, Enttäuschungen, über das Heimweh nach einer Vergangenheit, in der alles möglich schien, in der es möglich schien, die Welt zu verändern.


    Ein Buch über das Altern und die Begegnung mit dem Tod. Sehr offen, sehr persönlich.


    Meine Meinung:


    Dies war mein erstes Buch von Christa Wolf.
    Das Einlesen fiel mir nicht leicht, da ich am Anfang nicht alles verstanden habe. Die handelnden Personen werden nicht eingeführt, sondern tauchen einfach auf.


    Auf schnöde Personenbeschreibungen à la „sie hatte wunderschön glänzendes, kastanienbraunes Haar“ wartet man hier (Gottoderwemauchimmerseidank) vergebens.
    So begreift man erst nach mehreren gelesenen Seiten, wer zu wem gehört und in welchem Verhältnis sie zueinander stehen.


    Man bemerkt sehr schnell und sehr deutlich die innere Zerrissenheit und die verletzte Seele der Autorin, die man in der Person Ellen erkennt.
    Ich konnte das Buch erst weiterlesen, nachdem ich mich etwas über Christa Wolf informiert hatte.


    Ich kann mir kaum vorstellen, wie es sein musste, an ein System zu glauben, das nicht funktioniert, in dem man nur Fehler machen kann. Zu versuchen, Gutes zu tun und dafür für den Rest des Lebens zuerst von der einen und dann von der anderen Seite kritisiert zu werden.


    Danach war ich jedoch gefesselt von dem Buch und habe mir lange überlegt, ob ich mich traue eine Rezension darüber zu schreiben, angesichts dieser intelligenten Literatur bin ich doch etwas gehemmt, habe das Gefühl, dem nichts entgegen setzen zu können. Aber das muss ich ja auch nicht. Es bleibt also bei einer reinen Buchvorstellung – ohne Bewertung.


    Mein Lieblingssatz aus dem Buch ist folgender: „…, man ist nicht frei, wenn man anderen beweisen muss, dass man frei ist“.


    Auch folgenden Teil möchte ich noch zitieren: „Du lebst ja gar nicht jetzt! – Daran mochte etwas Wahres sein, aber es war nicht zu ändern. Manchmal, wenn er nachts wach lag, auf seine inneren Ströme lauschte, kam ihn eine Angst an, seine gedrosselten Lebenssäfte könnten zum Versiegen kommen. Leise, ganz leise mussten sie weitersickern, damit er sie später, wenn er von niemandem mehr abhängig war, wieder voll aufdrehen konnte. Dann würde er leben. Bis dahin würde er sich mit dem Vorgeschmack davon begnügen.“


    Leseempfehlung ja – aber vielleicht nicht als erstes.


    ASIN/ISBN: 3630866999

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

  • Sehr schöne Buchvorstellung. Herzlichen Dank dafür. Christa Wolf gehört nach wie vor zu den herausragenden deutschen Erzählerinnen auch wenn da eventuell doch die eine oder andere Ungereimtheit auf ihrer DDR-Weste ist.


    Ich denke, ich werde dieses Buch dann mal am Wochenende heraussuchen und ein paar Seiten darin lesen. :wave

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Bei ein paar Seiten wird es sicher nicht bleiben :-)


    Es passt ja gut zu unserem jetzigen heissen Sommer; mir sind vor allem die kleinen Begebenheiten und Geschichten rund um die Dorfbewohner noch so gegenwärtig.


    Mit den Ungereimtheiten magst du Recht haben; aber die halten hoffentlich niemanden davon ab, Christa Wolf zu lesen. Und irgendwie sind sie ja trotzdem nachvollziehbar...

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“

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  • Sommerstück – Christa Wolf


    Mein Eindruck:

    Sommerstück schildert einen zurückliegenden Sommer im Jahr 1975 in der DDR, in denen sich einige eng befreundete Familien getroffen hatten.


    Es ist ein komplexes Buch mit großen literarischen Stärken. Es gelingt Christa Wolf wirklich die Stimmung zu beschreiben. Es ist ein Hitzesommer, sie sind in einem mecklenburgischen Dorf in Naturnähe. Es gibt einige gute Beschreibungen der idyllischen Umgebung.


    Das zurück erinnernd erzählt wird, ist wesentlich. Schon am Anfang wird klar gemacht, dass sich seit damals einiges geändert hat. Luisa ist aus der Künstlerkolonie abgereist, Bella hat das Land verlassen und Steffi ist tot.


    Sommerstück gilt als Schlüsselroman mit versteckten Anspielungen auf reale Personen. Ellen ist Christa Wolf, Bella ist offenbar Sarah Kirsch, Steffi möglicherweise Maxie Wander. Und auch Helga Schubert taucht als Irene auf.


    Lange habe ich mich nicht getraut, das Buch zu lesen, da ich fürchtete, die Autorinnen nicht gut genug zu kennen und die ganzen Anspielungen nicht zu verstehen. Doch inzwischen habe ich auch einen guten Teil dieser Autorinnen gelesen, außerdem bleibt mein Ansatz, das Buch erst einmal auch als den erzählten Text zu lesen. Christa Wolf hat übrigens angemerkt, dass alle Figuren erfunden sind.

    Die Stärke des atmosphärisch dichten Buches liegen in den Beschreibungen von Alltäglichen, z.B. die Gespräche, gemeinsames Kochen, die Betrachtung der Umgebung und der alten Lehmfachwerkhäuser, man hört das Rufen des Kuckuck, das Bellen eines Hirschbockes. Die Vergänglichkeit dieses unvergesslichen Sommers wird aber auch angedeutet, im Sterben der krebskranken Steffi und im Brand der Felder und Häuser im Finale.


    ASIN/ISBN: 3518459414

  • Vielen Dank für alle Beiträge zum Buch.

    Darf ich fragen, mit welchem Vorwissen Ihr das Buch begonnen habt?

    Geht die überarbeitete Fassung auch auf den Brand des Hauses, das wohl eher ein reetgedeckter Katen war, in Alt Meteln ein und wird die Arbeit Thomas Nicolaous als IM der Staatssicherheit thematisiert?

    Es ist lange her, dass ich in biografischem Material über das Leben der Wolfs in Mecklenburg etwas gelesen habe; natürlich mit Nennung der Klarnamen.

  • Mein Vorwissen bestand vor allen nur aus Wikipedia, also wusste ich hauptsächlich nur die Verweise auf reale Vorbilder. Auch in Jörg Magenaus Christa Wolf-Biographie wird ein wenig auf Neu-Meteln eingegangen. Dort wird auch Thomas Nicolaous erwähnt.